„Je unperfekter das Holz, umso wertvoller ist es“
Jonas Mayer erweckt Plastiken zum Leben. In einer Ausstellung im Kunstraum „ Automat“zeigt er, wie er die Grenzen zwischen Malerei und Bildhauerei verschwimmen lassen möchte.
SAARBRÜCKEN Beim ersten Blick auf Jonas Mayers (27) Kunstwerke verschwindet man kurz in einer Welt, die sich nach einem Jahrmarkt der 20er Jahre anfühlt. Eine vergessene Sehnsucht kindlicher Abenteuer: Bunte Karussells mit den charakteristisch, geometrisch geformten Holzpferdchen, den goldenen Rundungen und einem fühlbaren Schwung, der den simplen, starren Formen der Holz-Figuren entgegensteht. Mayers Kunst ist sehr persönlich: „Meine Oma war Grafikerin. Sie hat oft im Garten mit Tusche gemalt. Wenn es dann regnete, wurde diese teils ausgewaschen.“Ein abgegriffener, natürlich gealterter, fast glamouröser Look entstand, den Mayer nun ebenfalls mit Tusche und bunter Acrylfarbe auf die Leinwand bringt. So hat er ganz unverhofft schon früh seinen eigenen unverkennbaren Malstil entwickelt, mit dem er auch das Erbe seiner Oma weiterträgt.
Das naive, unberührte Spielen von Kindern, das noch ohne jegliche Wertung oder Konditionierung einem simplen Holzstück fantastischstes Leben einhauchen kann, ist zentral für seine Werke. „Ich habe als Kind oft mit den typischen Bauhaus-Holzklötzen gespielt“, erklärt er, auch sein Vater habe Blechspielzeuge gesammelt. „Im Nachhinein macht alles Sinn“, sagt er und scheint selbst erstaunt über die Sinnhaftigkeit, die sein Leben und sein Schaffen verbindet.
Das Bild „Running with Scissors“ist eine Acryl-Holzassemblage, die – von einer Struwwelpeter-Geschichte inspiriert – eine kopflose rennende Schere inszeniert. Die „Prothesen-Wesen“wirken robust, stabil, fast plump; die abgebildeten Szenen jedoch zärtlich verspielt und immer auch ein wenig humoristisch. Das verkörpert auch seine Pinselführung, die oftmals leicht über die Ränder der geraden Formen seiner Spielzeug-Protagonisten rutscht. Das Material, wie Holz oder Blech, hat immer kleine Makel, die, wie die ausgewaschenen Tuschelemente und die teils abgekratzten Flecken in der Acrylfarbe, eine Art Charme der Vergänglichkeit entfalten. „Je unperfekter das Holz, umso wertvoller ist es für mich“, erklärt er. So sei auch der treffende Titel, einem alten Sprichwort folgend, entstanden.
Zwei einzelne zackige Holzstiefel, die ihren Weg ohne Führung und dennoch „geradewegs“zu gehen scheinen, stehen auf dem spielplatzartigen, knirschenden Kiesfeld, das der Besucher – oftmals kindlich wankend – überqueren muss, um zu einigen Gemälden zu gelangen. Die Kulisse ist einzigartig: Ein kleiner Holzklotz-Mann thront auf einer großen Metall-Rutsche, eine echte Schaukel bildet den Rahmen für ein schwankendes Karussell-Gemälde, neben einem wippenden Schaukelpferdchen aus Holz.
Zusammen mit Timo Poeppel, dem künstlerischen Leiter des „Automat Artspace“, hat sich die Konzeption der Ausstellung teils durch Austausch der beiden Künstler, teils durch „Spielen“mit den Werken und dem Material entwickelt.
Poeppels feinsinniger Ausstellungstext bringt es auf den Punkt: „Das kindliche Spiel ist die Konsequenz eines nie wieder erreichbaren Blicks auf die Welt als guter Ort, als Spielfläche, puristisch, nie bewertend, immer fühlend. Ein Glanz, der dem Kind unintendiert innewohnt, verlässt den konditionierten Mensch, was bleibt, ist die Suche danach.“
„Je krümmer das Holz, desto besser die Krücke“, bis zum 3. Juli, im „Automat Artspace“, Martin-Luther-Str. 7-9, Saarbrücken. Dienstag bis Sonntag, 1619 Uhr, der Eintritt ist frei. Weitere Infos: