„Organspenden sind eine Entscheidung für das Leben“
Sanitätsrat Dr. Josef Mischo ist Präsident der Ärztekammer des Saarlandes. In seinem Gastbeitrag spricht er sich vorbehaltlos für Organspenden aus.
015 hatte der Deutsche Ethikrat formuliert: „Wir halten die Organtransplantation für einen wichtigen Bereich der Medizin, der dazu beitragen kann, das Leben schwer kranker Menschen zu retten.“An dieser Feststellung hat sich bis heute nichts geändert. Über 1000 schwerkranke Patienten und Patientinnen warten im Saarland, Rheinland-Pfalz und Hessen, der Region Mitte der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), auf ein Spenderorgan. Dem stehen zwischen 106 und 144 Transplantationen pro Jahr entgegen. Dabei steht das Saarland in den letzten Jahren noch sehr gut da: 2021 mit 21,4 Spendern pro eine Million Einwohner vor Hamburg mit 20 Spendern auf Platz eins, bei einem Bundesdurchschnitt von nur elf Spendern. Insgesamt aber ging die Zahl der Spender bundesweit um über 20 Prozent zurück. Eine Ursache könnte in der CoronaPandemie liegen, möglicherweise in einer Angst vor Ansteckung in der Klinik. Europaweit liegt Deutschland bei der Spendebereitschaft weit abgeschlagen. In Spanien findet sich eine über vierfach so hohe Spenderzahl, in Österreich etwa doppelt so hoch. In beiden Ländern gilt im Gegensatz zu Deutschland die Widerspruchslösung: Ein Verstorbener gilt automatisch als Organspender, wenn er nicht ausdrücklich widerspricht. Bemerkenswert ist die Diskrepanz zwischen der persönlichen Entscheidung zur Organspende und der entsprechenden Dokumentation in einem Organspendeausweis. Nach einer aktuellen Repräsentativbefragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sind 84 Prozent der Befragten einer Organspende eher positiv gegenüber eingestellt. Nur 44 Prozent aber gaben an, ihre Entscheidung in einem Organspendeausweis oder in einer Patientenverfügung dokumentiert zu haben. 53 Prozent gaben an, noch keine Entscheidung getroffen zu haben oder diese nicht dokumentiert zu haben.
Bedeutsam ist zudem, dass sich 44 Prozent der Befragten mehr Informationen zum Thema Organspende wünschen. Dieser hohe Anteil muss uns motivieren, hier stärker aktiv zu werden. Aufgegriffen wird eine verbesserte Information auch im neuen „Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende“. Danach müssen beispielsweise die Einwohnermeldeämter den Bürgern und Bürgerinnen nun Aufklärungsmaterial und Organspendeausweise aushändigen. Hausärzte können alle zwei Jahre ein ausführliches Beratungsgespräch durchführen, und Organspende soll stärker in die ärztliche
Ausbildung integriert werden. In Deutschland gilt die Nachweisregelung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalles: Diese Feststellung des endgültigen, nicht behebbaren Ausfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms ist die medizinische Voraussetzung für eine Organspende und in detaillierten Richtlinien der Bundesärztekammer streng geregelt. Diese Diagnose muss durch zwei dafür qualifizierte Ärzte unabhängig voneinander erfolgen. Diese Ärzte dürfen weder an der Entnahme noch an der Übertragung der Organe des Organspenders beteiligt sein. Alle Regelungen werden streng durch eine unabhängige Prüfungs- und Überwachungskommission kontrolliert.
Im Saarland engagieren sich das Gesundheitsministerium, die Ärztekammer, die DSO und die Selbsthilfe, insbesondere das „Info-Team Organspende“, gemeinsam. An mehreren Orten, wie in Saarbrücken, St. Wendel und an der Uniklinik Homburg sind seit 2015 Gedenkorte entstanden, die „Oasen geschenkten Lebens“.
Das „Info-Team Organspende“leistet gemeinsam mit Ärzten auch Aufklärungsarbeit in Schulen. Dabei werden alle Aspekte der Organspende vorgestellt. 2500 saarländische Schüler konnten so schon erreicht und befähigt werden, als über 16-Jährige eine eigene, fundierte Entscheidung zu treffen.
Bei dem sensiblen Thema der Organspende ist jeder gefordert, sich festzulegen und sein Ja oder natürlich auch Nein zu dokumentieren. Ich möchte an dieser Stelle wiederholen, was ich als Schirmherr des „Info-Team Organspende“geschrieben habe: Ich möchte die Last dieser Entscheidung nicht meiner Familie aufbürden, ich entscheide selbst. Da ich als Arzt weiß, dass die Kriterien des Hirntodes sicher sind und eine strenge Überwachung durch unabhängige Gremien einen Missbrauch verhindert, habe ich festgelegt, dass ich im Falle des endgültigen Hirntodes bereit bin, meine Organe zu spenden. Da ich in dieser Situation nie mehr in mein altes Leben zurückkehren kann, möchte ich in meinem Sterben noch Sinn und neues Leben schenken.