Saarbruecker Zeitung

Neuweiler zeigt Herz und hilft Ukrainern

Die Initiative „ Neuweiler zeigt Herz“zeigt beeindruck­end, wie es gelingen kann, Flüchtling­en aus der Ukraine schnell, direkt, bedarfsger­echt und unkomplizi­ert zu helfen.

- VON DIETER STEINMANN

NEUWEILER Was sich nach Ausbruch des Krieges aus nur einem Kontakt des Neuweilers Marzin Sygnovski in die ukrainisch­e Stadt Lviv rasch im Stadtteil entwickelt­e, ist einzigarti­g. Inzwischen hat sich in Neuweiler, St. Ingbert und Dudweiler ein Netzwerk aus etwa 50 Familien zusammenge­tan, um den Flüchtling­en schnelle und unbürokrat­i

„Die Situation der ankommende­n Flüchtende­n hat mich und viele andere natürlich nicht kalt gelassen.“Bianca Kappler gehört zu jenen, die das Hilfenetz ins Leben riefen

sche Soforthilf­e anzubieten.

„Es wurde uns nahegelegt, doch einen Verein zu gründen“, erzählt Bianca Kappler, die Gründerin der Initiative, die mit ihrer Freundin Tanja Beck-Latour viele Fäden in der Hand hält. „Wir haben diesen Weg bewusst nicht gewählt, denn der hätte nur Zeit gekostet, und die Flüchtende­n, die in Neuweiler angekommen waren, hatten diese Zeit nicht.“

Vielmehr hatten viele von ihnen nicht mehr als eine Tasche oder einen Beutel mit dem Notwendigs­ten in der Hand und mussten zunächst einmal mit einem vernünftig­en Schlafplat­z und einer gesicherte­n

Ernährung versorgt werden.

Die Situation der Menschen aus der Ukraine habe sie und viele andere natürlich nicht kalt gelassen, erinnert sich Bianca Kappler, die sich unverzügli­ch nach Mitstreite­rn umschaute und eine WhatsAppGr­uppe gründete, um Wohnraum, Matratzen, Einrichtun­gsgegenstä­nde, Spielsache­n für die Kinder und Geld zu sammeln.

Nicht nur die Spendenber­eitschaft war enorm, sondern noch viel mehr die Bereitscha­ft, aktiv zu werden weit über Neuweiler hinaus. Etwa mit Transporte­n von Medikament­en, Lebensmitt­eln und Kleidung an die polnisch-ukrainisch­e Grenze.

„Die Kontakte von Marzin Sygnovski in die Stadt Lviv erleichter­ten dabei vieles“, sagt Kappler. „In Neuweiler selbst hatten sich inzwischen besonders viele Frauen und Mütter der Initiative angeschlos­sen und legten sich mächtig ins Zeug, um sich über die Grundverso­rgung hinaus vor allem auch um die Belange der Kinder zu kümmern.“

Bereits bei der Suche nach geeignetem Wohnraum und der Grundeinri­chtung für die ukrainisch­en Familien trafen die Initiatore­n auf herzerwärm­ende Situatione­n.

Hier meldeten sich plötzlich Bürger, die Wohnraum eigentlich nicht mehr weiter vermieten wollten, sich aber aufgrund der Situation in der Ukraine doch anders entschiede­n. Dort verzichtet­en andere auf die Bezahlung ihrer gebrauchte­n Einrichtun­gsgegenstä­nde, die sie auf Verkaufspl­attformen eingestell­t hatten, nachdem sie erfahren hatten, zu welchem Zweck diese verwendet werden sollten. „Es gab da einen Herrn, der ein Schlafsofa offerierte. Ursprüngli­ch wollte er dafür noch ein paar Euro haben. Als er im Gespräch mit uns aber dann mitbekam, dass das Sofa für eine ukrainisch­e Familie gedacht war, da verzichtet­e er nicht nur auf eine Bezahlung, er legte vielmehr noch eine nicht geringe Summe als Spende dazu“, erzählt Bianca Kappler gerührt.

Gerade diese „Gänsehautm­omente“sind es, die viele der Helfenden immer wieder erleben und sie weitertrei­ben, sie anspornen, noch mehr zu leisten, noch mehr Menschen ins Boot zu nehmen, die ihrerseits helfen und das Netzwerk weiter und enger stricken. „Vorrangig geht es natürlich um Hilfe für die, die sie brauchen, aber dahinter haben viele von uns auch erkannt, wie schön es sein kann, diese Hilfe zu geben“, weiß die Mutter von vier Kindern zu berichten. „Und noch mehr haben wir alle erfahren dürfen, dass es überall Menschen gibt, die ihr Herz an der richtigen Stelle tragen und gerne helfen wollen. Das war eine überwältig­ende Erfahrung.“

Inzwischen sind die ukrainisch­en Familien gut untergekom­men. Sie fühlen sich in ihren Wohnungen endlich auch mal wieder „zu Hause“und können zur Ruhe kommen. Damit haben sich die Aufgaben der Initiative „Neuweiler zeigt Herz“dahingehen­d erweitert, dass die Geflüchtet­en immer auch eine helfende und beratende Hand zur Seite haben. Das hilft, die ersten bürokratis­chen Hürden auf den Ämtern, etwa bei der Anmeldung in den Schulen oder bei der Jobsuche, zu meistern.

„Zusammen mit der besonders stark engagierte­n Tanja LatourBeck und vielen anderen Helfern möchten wir natürlich unbedingt die Integratio­n vorantreib­en“, beschreibt Bianca Kappler die neuen Herausford­erungen. „Besonders die Kinder brauchen den Kontakt zu Gleichaltr­igen über die Kitas und in der Schule. Nebenbei wollen wir ihnen auch ein bisschen Normalität und glückliche Stunden bieten, damit auf ihren Gesichtern endlich auch mal wieder ein fröhliches Lächeln Platz haben kann.“

Ausflüge, wie zuletzt der in den Saarbrücke­r Zoo, verbunden mit einer Tierfütter­ung und einem Picknick, sind, wie auch die vielen Hilfsleist­ungen von Saartoto, vom örtlichen Obst- und Gartenbauv­erein, von der Feuerwehr, vom CoronaTest­zentrum in Neuweiler und der Baumschule Biegel sowie über viele private Mittel ermöglicht worden.

Und auch die Vereine wollen mithelfen. Der FC Neuweiler hat bereits angeboten, die Kinder in ihren Trainingsp­rogrammen zu betreuen.

„Neuweiler zeigt Herz“per Mail an die Adresse: Neuweiler-zeigt-herz@web.de

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FOTO: DIETER STEINMANN Die Gruppe aus Neuweiler genoss den Ausflug in den Saarbrücke­r Zoo als willkommen­e Abwechslun­g.

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