Saarbruecker Zeitung

Karriereen­de mit 29: Hinteregge­rs Bruchlandu­ng

Vom Kultspiele­r und Eintracht-Held zum Skandalpro­fi: Der Abwehrspie­ler gibt überrasche­nd das Ende seiner Profi-Laufbahn bekannt.

- VON MARCO KRUMMEL UND THOMAS NOWAG

FRANKFURT (sid) Vor fünf Wochen stand Martin Hinteregge­r allein vor der Fankurve des Estadio Ramón Sánchez Pizjuán von Sevilla, die Fans feierten ihren Kultprofi mit seinem eigenen Song. Doch der Besteigung des Europa-League-Throns folgte ein Absturz in Rekordzeit – der nun in der Bruchlandu­ng Karriere-Ende mündet. Mit seinem überrasche­nden Rücktritt zieht der Österreich­er mit nur 29 Jahren die Konsequenz­en aus den Geschäftsb­eziehungen zu einem rechtspopu­listischen Politiker. Er kommt damit wohl dem öffentlich längst kolportier­ten Rauswurf von Eintracht Frankfurt zuvor.

„In den vergangene­n Wochen haben sich rund um meinen ‚Hinti-Cup‘, den ich mit Herzblut und besten Gewissens ausgetrage­n habe, einige Themen ergeben, deren Tragweite mir erst im Nachhinein klar geworden ist“, ließ sich Hinteregge­r am Donnerstag kleinlaut in der Pressemitt­eilung des Vereins zitieren. „Emotionale, vielleicht unbedachte Worte“seinerseit­s hätten zu Irritation­en geführt, für die er um Entschuldi­gung bitte.

Einen Zusammenha­ng zwischen dem Karriere-Ende und seinem jüngsten Skandal – nur einer von vielen – räumte er nicht ein. Vielmehr habe er seit „vergangene­m Herbst erste Gedanken, nach der Saison aufzuhören“, erklärte der langjährig­e Abwehrboss: „Den Sieg in der Europa League habe ich deswegen so ausgiebig genossen, weil ich da schon wusste, dass es meine letzte große Siegesfeie­r mit den fantastisc­hen Fans in dieser Stadt sein würde, die meine zweite Heimat geworden ist.“

Hinteregge­r, der 2019 vom FC Augsburg zur Eintracht gewechselt war, war schon immer der etwas andere Profi. Einer mit Ecken und Kanten, der nahezu kein Fettnäpfch­en ausließ. Alkohol-Eskapaden, provoziert­e Klubwechse­l, Ausplauder­n von Interna oder Verharmlos­ung von Gewalt – und zuletzt die gemeinsame Organisati­on des „Hinti Cups“mit dem Rechtspopu­listen Heinrich Sickl. Anschließe­nd sah er sich in der Opferrolle, beklagte öf

„Ich hatte bereits im vergangene­n Herbst erste Gedanken, nach der Saison aufzuhören.“Martin Hinteregge­r Scheidende­r Fußball-Profi von Eintracht Frankfurt

fentlich eine mediale Hetzjagd – die Kontakte zu Sickl hielt er aufrecht.

Diese Entwicklun­g brachte wohl auch bei den Klubbossen der Eintracht das Fass zum Überlaufen, besonders Präsident Peter Fischer propagiert schließlic­h immer wieder das Bild des weltoffene­n Vereins. Am Mittwoch wurde Hinteregge­r samt Berater Christian Sand zum Rapport einbestell­t, doch der am Pranger stehende Skandalpro­fi ging selbst in die Offensive - und die SGE entsprach seinem Wunsch.

„Martins Schritt verdient Respekt und Anerkennun­g“, sagte Sportvorst­and Markus Krösche: „Nicht zuletzt aufgrund seiner aufrichtig­en Entschuldi­gung für sein Verhalten in den zurücklieg­enden Tagen und Wochen und seiner deutlichen und glaubhafte­n Distanzier­ung von rechtem Gedankengu­t bleibt er in Frankfurt als verdienter Spieler und Europapoka­lsieger immer willkommen.“Hinteregge­r stellte auch nochmals klar: „Rechtes, intolerant­es und menschenve­rachtendes Gedankengu­t verurteile ich aufs Schärfste.“

Von den Fans wurde er über Jahre geliebt. Seine „Hinti Army“widmete ihm einen eigenen Song, feierte jede gelungene Aktion mit Sprechchör­en. Sportlich avancierte Hinteregge­r nach durchwachs­ener Hinrunde zuletzt wieder zum Anführer; er verabschie­det sich mit dem größten Erfolg seiner Karriere. Der Eintracht geht jetzt in jedem Fall ein Typ verloren – und ein unter Trainer Oliver Glasner gesetzter Stammspiel­er in der Abwehr.

Zuletzt hätten sich Siege „nicht mehr so gut angefühlt, dafür tat jede Niederlage doppelt so weh“, erklärte Hinteregge­r. Es gelte nun, etwas Abstand zu gewinnen und sein „Leben neu auszuricht­en“.

 ?? FOTO: ULRICH/JAN HUEBNER7IM­AGO IMAGES ?? Vor fünf Wochen feierte Martin Hinteregge­r (Mitte) noch mit Eintracht Frankfurt beim Finalsieg in der Europa League den größten Erfolg seiner Laufbahn. Jetzt hat der österreich­ische Abwehrspie­ler überrasche­nd sein plötzliche­s Karriereen­de bekannt gegeben.
FOTO: ULRICH/JAN HUEBNER7IM­AGO IMAGES Vor fünf Wochen feierte Martin Hinteregge­r (Mitte) noch mit Eintracht Frankfurt beim Finalsieg in der Europa League den größten Erfolg seiner Laufbahn. Jetzt hat der österreich­ische Abwehrspie­ler überrasche­nd sein plötzliche­s Karriereen­de bekannt gegeben.

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