Oberster Gerichtshof der USA kippt Recht auf Abtreibung
WASHINGTON (ap) Nach 49 Jahren ist das grundlegende Recht auf Abtreibung in den USA Geschichte. Der Oberste Gerichtshof kippte mit einer Entscheidung vom Freitag ein Grundsatzurteil aus dem Jahr 1973, das den Abbruch einer Schwangerschaft als verfassungsmäßiges Recht verankert hatte. In rund der Hälfte der 50 US-Bundesstaaten dürfte es nun zu Abtreibungsverboten kommen. Präsident Joe Biden warf der konservativen Mehrheit der neun Richter im Supreme Court vor, das Land um 150 Jahre zurückgeworfen zu haben. Die Republikaner bejubelten die Entscheidung hingegen als längst überfällig.
„Das ist ein trauriger Tag für das Gericht und für das Land“, sagte Biden in einer Rede an die Nation. Er versprach, seine Regierung werde die Möglichkeiten von Frauen schützen, sich Medikamente zur
Abtreibung zu kaufen und in jene Staaten zu reisen, in denen Abtreibung weiterhin legal sei. Niemand dürfe Frauen auch noch das Recht auf Bewegungsfreiheit nehmen. Allerdings haben gerade Frauen aus Minderheiten und Ärmere ohnehin kaum Zugang zu medizinischer Versorgung und können es sich oft nicht leisten, in andere Bundesstaaten zu reisen.
Biden betonte, er könne auch mit Exekutiverlassen des Präsidenten nichts gegen das Urteil ausrichten. Deshalb stehe der US-Kongress in der Pflicht, das Abtreibungsrecht per Gesetz zu garantieren. Da das mit den jetzigen Mehrheitsverhältnissen unmöglich sei, müssten die Amerikaner bei den Zwischenwahlen im Herbst für jene stimmen, die sich dafür einsetzen. Er warnte, dass das Urteil in weiterer Folge auch das Recht auf Verhütung oder die Ehe für Alle gefährden könnte. Richter Clarence Thomas von der konservativen Mehrheit am Supreme Court rief denn auch dazu auf, genau diese Rechte zu kippen.
Der konservative Richter Samuel Alito schrieb in dem Urteil, die Entscheidung im Fall Roe vs Wade 1973 sei immer falsch gewesen. Sie und das Urteil von 1992, das Roe vs Wade bestätigt hatte, müssten aufgehoben werden. Diese Argumentation war bereits Anfang Mai durchgesickert, als ein Entwurf des Urteils an die Öffentlichkeit gelangte. Umfragen zufolge ist eine Mehrheit der befragten Amerikaner dafür, am Abtreibungsrecht festzuhalten.
Alito schrieb, in der US-Verfassung werde kein Recht auf Abtreibung gewährt. Über die Abtreibungsgesetze müssten die politischen Institutionen entscheiden, nicht die Gerichte, urteilte er.