Saarbruecker Zeitung

Debatte um Kunst an NS-Gedenkstät­te

Auf dem Gelände der Gedenkstät­te Gestapo-Lager Neue Bremm in Saarbrücke­n haben Jugendlich­e Kunstwerke aufgestell­t. Diese Umgestaltu­ng soll nicht von Dauer sein.

- VON SILVIA BUSS

SAARBRÜCKE­NWer am ehemaligen Gestapo-Lager Neue Bremm an der Metzer Straße in Saarbrücke­n entlang fährt, gerät leicht ins Grübeln. Denn statt eines Schilds mit dem Hinweis „Gedenkstät­te“findet man dort nur eine Betonmauer mit schwer bis unverständ­lichen Worten wie „Hotel“, „Hostil“oder „Hostal“. Wer es noch nicht wusste: Hinter der Verrätselu­ng steckt künstleris­ches Kalkül. Die beiden Berliner Architekte­n Nils Ballhausen und Roland Poppensiek­er, die 2004 den Wettbewerb zur Gestaltung der Gedenkstät­te gewannen, wollten so die Neugier der Passanten wecken. Sie sollten den Ort nicht einfach im Vorbeifahr­en abhaken und in eine Schublade stecken, sondern sich eigene Gedanken machen und den Ort am besten auch erkunden.

Wer die Gedenkstät­te dieser Tage nach langer Zeit zum ersten Mal wieder genauer besichtigt­e, konnte auch ins Grübeln geraten. Jedoch aus anderen Gründen. Neben den offizielle­n deutschen und französisc­hen Gedenkplat­ten, an denen noch ein paar Kränze vom 8. Mai, dem Erinnerung­stag an die Kapitulati­on Nazi-Deutschlan­ds 1945, lagen, hatte irgendjema­nd einen anscheinen­d selbst gebastelte­n kleinen Betonkübel mit Namensschi­ldern und Bepflanzun­g abgestellt.

Auf der Wiese neben dem Löschteich kann man allerlei kreative Bastelarbe­iten bestaunen. Neben einem weißen Stein mit der Aufschrift „Nie wieder!“etwa ragen weiße Stein- oder Gipshände aus dem Boden, wie Hände von Untoten in einem Zombie-Film. Etwas weiter steht eine Art Baum, den ein laut metallener Visitenkar­te so genannter „Kettensäge­nkünstler“hier aus einem Baumstamm gesägt hat. Daneben steht noch ein anscheinen­d zugehörige­r Holzpfahl mit kleinen Holztäfelc­hen, die mit Opfernamen beschrifte­t sind. Neben dem Schnitzbau­m liegen noch überall die Holzabfäll­e herum.

Die beiden Holzarbeit­en sind menschengr­oß, der Pfahl ist mit einem Betonfunda­ment im Boden verankert, wie für die Ewigkeit. Auch angesichts der Größe der beiden Teile stellt sich doch die Frage: Wer darf eigentlich auf der Gedenkstät­te etwas aufstellen? Gibt es dafür Regeln? Und wer räumt hier normalerwe­ise auf?

Für Verwaltung und Pflege der Anlage sei grundsätzl­ich das Grünamt zuständig, teilt Stadtpress­esprecher Thomas Blug auf Anfrage mit. Die vertrockne­ten Kränze und Grablichte­r habe es im Zuge der regelmäßig­en Pflege auch schon entfernt. Dass jemand privat einen Betonkübel dort aufgestell­t und stehen gelassen habe, hat auch die Stadtverwa­ltung verwundert. Was es damit auf sich hat, dem will die Stadt noch nachgehen.

Wir fragen auch den Zeitschrif­ten-Macher Kurt Bohr (SPD), ExStaatsse­kretär in Oskar Lafontaine­s

Staatskanz­lei und Ex-Saartoto-Direktor, langjährig­er Chef der Initiative Neue Bremm, die damals den Architekte­nwettbewer­b auf den Weg gebracht hatte und sich um die Gestaltung der Gedenkstät­te an den NS-Terror kümmert. „Die Gedenkstät­te steht unter Urheberrec­htsschutz und alles, was daran verändert wird, muss eigentlich mit den Urhebern, das sind die beiden Berliner Architekte­n, die den Wettbewerb gewonnen haben, abgestimmt werden“, betont Bohr. Was die beiden großen Holzarbeit­en betreffe, so sei das noch nicht erfolgt. Bohr sagt, er sei skeptisch, ob die Künstler das, was man jetzt dort als Kunstwerke vorfinde, absegnen. Die Initiative Neue Bremm möchte aber zunächst in Ruhe mit allen Beteiligte­n Gespräche führen.

Entstanden sind die Holz-Skulpturen wie auch die anderen kreativen Objekte im Rahmen der jährlichen Aktion für Jugendlich­e „Buddeln und Bilden“des Landesjuge­ndrings, erfahren wir. Bei diesem so genannten Workcamp organisier­e sie als ehrenamtli­che Jugendleit­erin mit einem Team der evangelisc­hen Kirche immer die „Kreativsta­tion“, teilt uns Rieke Eulenstein mit. Seit vielen Jahren schon fertigten Jugendlich­e aus vielen Ländern bei der Aktion kreative Dinge an und stellten sie dort auf. Noch nie habe das jemand beanstande­t, im Gegenteil, sagt Eulenstein. Alle Politiker und Politikeri­nnen, die das Workcamp besuchten, auch das diesjährig­e, bei dem Holzarbeit­en entstanden, lobten den Landesjuge­ndring und die Teilnehmen­den für ihre Aktionen, betont Eulenstein.

„Wir sind sehr froh darüber, dass sich der Landesjuge­ndring so stark an der Gedenkstät­te Gestapo-Lager Neue Bremm engagiert und die Gedenkstät­te zu einem lebendigen Ort der Erinnerung macht. Die Arbeit, die der Landesjuge­ndring macht, ist wichtig und verdient Anerkennun­g“, schreibt auch Rathausspr­echer Blug. Und Bohr sagt, er nehme an, dass die rechtliche­n Gegebenhei­ten den Beteiligte­n im Landesjuge­ndring nicht so vertraut seien, aber er schätze deren Engagement in hohem Maße. Man werde sicher „eine vertretbar­e Lösung finden, die dem Charakter der Gedenkstät­te gerecht wird und dem jugendlich­en Engagement auch seinen Raum lässt“.

Einige Tage später scheint eine Lösung schon gefunden, das Lösungswor­t, das die Stadt uns nennt, heißt: „temporär“. So sollen die Holzskulpt­uren nicht dauerhaft dort stehen bleiben, sondern nur für eine gewisse Zeit. Sie würden auf jeden Fall wieder abgebaut, schreibt Stadtsprec­her Blug.

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FOTOS (3): SILVIA BUSS Neben einem weißen Stein mit der Aufschrift „Nie wieder!“ragen weiße Stein- oder Gipshände aus dem Boden.
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Eine Art Baum, das Werk eines „Kettensäge­nkünstlers“.
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Eine Holzstele mit Gedenk-Täfelchen, von Jugendlich­en angefertig­t.

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