Debatte um Kunst an NS-Gedenkstätte
Auf dem Gelände der Gedenkstätte Gestapo-Lager Neue Bremm in Saarbrücken haben Jugendliche Kunstwerke aufgestellt. Diese Umgestaltung soll nicht von Dauer sein.
SAARBRÜCKENWer am ehemaligen Gestapo-Lager Neue Bremm an der Metzer Straße in Saarbrücken entlang fährt, gerät leicht ins Grübeln. Denn statt eines Schilds mit dem Hinweis „Gedenkstätte“findet man dort nur eine Betonmauer mit schwer bis unverständlichen Worten wie „Hotel“, „Hostil“oder „Hostal“. Wer es noch nicht wusste: Hinter der Verrätselung steckt künstlerisches Kalkül. Die beiden Berliner Architekten Nils Ballhausen und Roland Poppensieker, die 2004 den Wettbewerb zur Gestaltung der Gedenkstätte gewannen, wollten so die Neugier der Passanten wecken. Sie sollten den Ort nicht einfach im Vorbeifahren abhaken und in eine Schublade stecken, sondern sich eigene Gedanken machen und den Ort am besten auch erkunden.
Wer die Gedenkstätte dieser Tage nach langer Zeit zum ersten Mal wieder genauer besichtigte, konnte auch ins Grübeln geraten. Jedoch aus anderen Gründen. Neben den offiziellen deutschen und französischen Gedenkplatten, an denen noch ein paar Kränze vom 8. Mai, dem Erinnerungstag an die Kapitulation Nazi-Deutschlands 1945, lagen, hatte irgendjemand einen anscheinend selbst gebastelten kleinen Betonkübel mit Namensschildern und Bepflanzung abgestellt.
Auf der Wiese neben dem Löschteich kann man allerlei kreative Bastelarbeiten bestaunen. Neben einem weißen Stein mit der Aufschrift „Nie wieder!“etwa ragen weiße Stein- oder Gipshände aus dem Boden, wie Hände von Untoten in einem Zombie-Film. Etwas weiter steht eine Art Baum, den ein laut metallener Visitenkarte so genannter „Kettensägenkünstler“hier aus einem Baumstamm gesägt hat. Daneben steht noch ein anscheinend zugehöriger Holzpfahl mit kleinen Holztäfelchen, die mit Opfernamen beschriftet sind. Neben dem Schnitzbaum liegen noch überall die Holzabfälle herum.
Die beiden Holzarbeiten sind menschengroß, der Pfahl ist mit einem Betonfundament im Boden verankert, wie für die Ewigkeit. Auch angesichts der Größe der beiden Teile stellt sich doch die Frage: Wer darf eigentlich auf der Gedenkstätte etwas aufstellen? Gibt es dafür Regeln? Und wer räumt hier normalerweise auf?
Für Verwaltung und Pflege der Anlage sei grundsätzlich das Grünamt zuständig, teilt Stadtpressesprecher Thomas Blug auf Anfrage mit. Die vertrockneten Kränze und Grablichter habe es im Zuge der regelmäßigen Pflege auch schon entfernt. Dass jemand privat einen Betonkübel dort aufgestellt und stehen gelassen habe, hat auch die Stadtverwaltung verwundert. Was es damit auf sich hat, dem will die Stadt noch nachgehen.
Wir fragen auch den Zeitschriften-Macher Kurt Bohr (SPD), ExStaatssekretär in Oskar Lafontaines
Staatskanzlei und Ex-Saartoto-Direktor, langjähriger Chef der Initiative Neue Bremm, die damals den Architektenwettbewerb auf den Weg gebracht hatte und sich um die Gestaltung der Gedenkstätte an den NS-Terror kümmert. „Die Gedenkstätte steht unter Urheberrechtsschutz und alles, was daran verändert wird, muss eigentlich mit den Urhebern, das sind die beiden Berliner Architekten, die den Wettbewerb gewonnen haben, abgestimmt werden“, betont Bohr. Was die beiden großen Holzarbeiten betreffe, so sei das noch nicht erfolgt. Bohr sagt, er sei skeptisch, ob die Künstler das, was man jetzt dort als Kunstwerke vorfinde, absegnen. Die Initiative Neue Bremm möchte aber zunächst in Ruhe mit allen Beteiligten Gespräche führen.
Entstanden sind die Holz-Skulpturen wie auch die anderen kreativen Objekte im Rahmen der jährlichen Aktion für Jugendliche „Buddeln und Bilden“des Landesjugendrings, erfahren wir. Bei diesem so genannten Workcamp organisiere sie als ehrenamtliche Jugendleiterin mit einem Team der evangelischen Kirche immer die „Kreativstation“, teilt uns Rieke Eulenstein mit. Seit vielen Jahren schon fertigten Jugendliche aus vielen Ländern bei der Aktion kreative Dinge an und stellten sie dort auf. Noch nie habe das jemand beanstandet, im Gegenteil, sagt Eulenstein. Alle Politiker und Politikerinnen, die das Workcamp besuchten, auch das diesjährige, bei dem Holzarbeiten entstanden, lobten den Landesjugendring und die Teilnehmenden für ihre Aktionen, betont Eulenstein.
„Wir sind sehr froh darüber, dass sich der Landesjugendring so stark an der Gedenkstätte Gestapo-Lager Neue Bremm engagiert und die Gedenkstätte zu einem lebendigen Ort der Erinnerung macht. Die Arbeit, die der Landesjugendring macht, ist wichtig und verdient Anerkennung“, schreibt auch Rathaussprecher Blug. Und Bohr sagt, er nehme an, dass die rechtlichen Gegebenheiten den Beteiligten im Landesjugendring nicht so vertraut seien, aber er schätze deren Engagement in hohem Maße. Man werde sicher „eine vertretbare Lösung finden, die dem Charakter der Gedenkstätte gerecht wird und dem jugendlichen Engagement auch seinen Raum lässt“.
Einige Tage später scheint eine Lösung schon gefunden, das Lösungswort, das die Stadt uns nennt, heißt: „temporär“. So sollen die Holzskulpturen nicht dauerhaft dort stehen bleiben, sondern nur für eine gewisse Zeit. Sie würden auf jeden Fall wieder abgebaut, schreibt Stadtsprecher Blug.