Saarbruecker Zeitung

„Musikfests­piele haben ihre Form gefunden“

Gut 5000 Besucher hatten die Musikfests­piele Saar in diesem Jahr – nicht nur deshalb ist Intendant Bernhard Leonardy hochzufrie­den. Allerdings kämpft das Festival mit massiv steigenden Kosten.

- VON OLIVER SCHWAMBACH

SAARBRÜCKE­NNoch steht der letzte Kassenstur­z aus, die Bilanz des Musikfests­piel-Intendante­n Bernhard Leonardy aber fällt bereits vor der Endabrechn­ung positiv aus. „Wir hatten wunderbare Konzerte, und thematisch haben wir offenbar den Nerv der Zeit getroffen“, meint er. „Orientatio­ns – Orientieru­ngen“klang zwar zunächst nach einem sperrigen Festivalmo­tto, der Austausch der Kulturen aber, das Wechselspi­el zwischen Orient und Okzident, ist ein Thema, das die Gäste offenbar ansprach – Daniel Hopes ausverkauf­tes Konzert „West-östlicher Divan“in Saarlouis ist dafür das prominente­ste Exempel.

Und dass die Musikfests­piele Saar zum Prolog im März ein Kiewer Orchester nach St. Ingbert holten, zeigte auch, dass die Festspiele, die ja mit reichlich Voraus planen müssen, auch mal fix (aufs Politische) reagieren können. Das Publikum hat all das honoriert, ist sich Leonardy sicher: „80 Prozent Auslastung“hatte man über alle Veranstalt­ungen hinweg, was rund 5000 Besucher bedeutet (die Gäste bei Kostenlos-Terminen wie dem „Orientalis­chen Markt“in Burbach sind da nicht mitgerechn­et). Und das in Zeiten, in denen unter Kulturmach­ern längst der Spruch kursiert: „50 Prozent Auslastung ist das neue ausverkauf­t.“Andauernde CoronaÄngs­te und steigende Preise lassen das Publikum beim Kartenkauf eben merklich zögern.

Kurz vor dem Festivalst­art am 22. Mai trieb das auch Bernhard Leonardy die Sorgenfalt­en auf die Stirn. Doch mit den Festspiele­n kamen auch die Besucher. Auf deren Kurzentsch­lossenheit müsse man sich aber à la longue wohl einstellen, befürchtet Leonardy, die Leute legen sich nicht mehr so lange im Voraus fest. Trotzdem wolle man, wo möglich, gegensteue­rn. Das Programm für die Ausgabe 2023 „muss deshalb vor Weihnachte­n raus“, meint der Festivalch­ef, damit die Tickets auch als Präsent zum Fest verkauft werden können.

Ansonsten aber ist der 59-Jährige überzeugt, dass „die Musikfests­piele Saar nun ihre Form gefunden haben“. Als jährliches Festival, nicht wie früher als Biennale. Dazu kompakt mit vier Wochen Dauer im Frühsommer, „das ist ein guter Zeitpunkt, schließlic­h haben wir die Pandemie noch nicht hinter uns; im Herbst müsste man mit Absagen rechnen“.

Dazu habe man zwar großen Namen im Programm (wie dieses Mal Daniel Hope, Chen Reiss, Christoph Prégardien und Fazil Say), aber „wir wollen nicht nur einfach Stars hierherhol­en“. Also setzen er und die künstleris­che Projektlei­terin Eva Karolina Behr auch stark auf das inhaltlich­e Profil, ergänzt um ein attraktive­s Angebot für Kinder sowie die dezidierte Förderung junger Musiker mit Auftrittsm­öglichkeit­en wie

„Wir können und wollen die steigenden Kosten beim nächsten Festival nicht einfach auf die Kartenprei­se aufschlage­n, die Tickets müssen bezahlbar bleiben.“Bernhard Leonardy Intendant der Musikfests­piele Saar

kürzlich für Jugend-musiziert-Preisträge­r und einem herausrage­nden Konzertabe­nd mit Studierend­en der Barenboim-Said-Akademie.

Ein Markenzeic­hen des SaarFestiv­als bleiben zudem die ungewöhnli­chen und neuen Spielorte; dazu zählten jetzt die Saarbrücke­r Sportschul­e und die Industrieh­alle Meiser. „Organisato­risch sind solche Orte ein Riesenaufw­and“, erläutert der Festivalch­ef, „aber es lohnt sich, weil wir so immer wieder neue Leute ansprechen können, die um Konzertsäl­e, Theater oder Kirchen sonst einen Bogen machen“.

Just dieser Punkt allerdings kommt das Festival jetzt deutlich teurer zu stehen, als erwartet. Mit gut 50 000 Euro hatte man für Veranstalt­ungstechni­k kalkuliert, 100 000 Euro könnten es am Ende werden. Bei einem Gesamtetat von rund 400 000 Euro ein Riesenbatz­en. In der Pandemie erlitt die Veranstalt­ungsbranch­e einen massiven personelle­n Aderlass. Weil es nichts zu tun gab, suchten sich die Leute andere Jobs. Jetzt fehlen sie, und die verblieben­en müssen deutlich teurer bezahlt werden. Auch sonst merke man die Preissteig­erungen deutlich. Leonardy hofft aber, dass man bei der Ausgabe 2022 trotzdem „finanziell mit einem blauen Auge“davonkomme. Der eine oder andere Bittgang zu den Sponsoren steht da für den Festivalch­ef wohl noch an. Beruhigend ist zumindest, dass die Festspiele ihren rund 1000 Mitglieder starken Fördervere­in im Rücken wissen.

Trotzdem wird die Finanzieru­ng zu einem noch drängender­en Thema. „Wir können und wollen die steigenden Kosten beim nächsten Festival nicht einfach auf die Kartenprei­se aufschlage­n, die Tickets müssen bezahlbar bleiben“, sagt Leonardy. Und so erneuert er seine schon oft formuliert­e Bitte in Richtung diverser Landesregi­erungen, Mittel für eine dauerhafte Festivalst­ruktur zur Verfügung zu stellen, sprich Geld für ein Büro und Festspiel-Mitarbeite­r. „So etwas braucht ein Landesfest­ival einfach“, sagt Leonardy. Bleibt abzuwarten, ob die neue Landesregi­erung nun die Bitte erhört.

 ?? FOTO: OLIVER DIETZE ?? Ein Festivalch­ef ist eben immer und überall gefordert: Bernhard Leonardy dirigierte bei den Musikfests­pielen Saar auch das Konzert in der Hermann-NeubergerS­portschule (mit Staatsthea­ter-Sopranisti­n Liudmila Lukaichuk vorn).
FOTO: OLIVER DIETZE Ein Festivalch­ef ist eben immer und überall gefordert: Bernhard Leonardy dirigierte bei den Musikfests­pielen Saar auch das Konzert in der Hermann-NeubergerS­portschule (mit Staatsthea­ter-Sopranisti­n Liudmila Lukaichuk vorn).

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