Der Produzent, der es „wild und seriös“wollte
Einst war Conny Plank Sendetechniker beim Saarländischen Rundfunk. Nach seinem mysteriösen Abschied vom Saarland wurde er zum MusikProduzenten von Weltrang. Der SR widmet ihm nun eine Ausstellung.
SAARBRÜCKENMan darf ja mal spekulieren: Hätte der Sendetechniker Konrad Plank aus Kaiserslautern nicht den Saarländischen Rundfunk verlassen (unter mysteriösen Umständen) – dann klänge die Popmusik in der ganzen Welt heute anders. Dann hätte es zum Beispiel „Autobahn“von Kraftwerk in dieser Form nicht gegeben, ein Grundstein der elektronischen Popmusik. Oder die Eurythmics hätten nicht die 1980er Jahre mitbestimmt. Wäre Plank Sendetechniker auf dem Halberg geblieben, hätte er eben nicht bei Köln einen alten Bauernhof umgebaut und aus dessen ehemaligem Schweinestall „Conny‘s Studio“gezimmert. Hier entstanden bis zu Planks Tod, er starb 1987 mit 47 Jahren an Krebs, um die 160 nicht selten wegweisende Produktionen: mit innovativen Bands wie Neu! und La Düsseldorf, Kraftwerk, DAF, Can, Guru Guru, Ideal, Ultravox. Produktionen, die unvergessen sind und immer wieder aufgelegt werden, bis heute.
Wieso Plank damals den SR verließ? Das ist nicht völlig klar, auch wenn der „Arbeitskreis Geschichte“des SR sich seit einiger Zeit mit Plank beschäftigt. Gesichert ist jedenfalls, dass Plank 1966 bei einer nächtlichen Sendung eine ehemalige Kollegin, also eine „Betriebsfremde“, ans Pult im Regieraum ließ – sehr zum Missfallen des Senders. Ob Plank nun entlassen wurde oder nach viel Ärger selbst ging, ist nicht belegt. Auf dem Halberg soll seine Unkonventionalität wohl auch einigen altgedienten Kollegen nicht gefallen haben, auch seine damals revolutionäre Idee, zwei Musikstücke ohne Moderatoren-Kommentar ineinander übergehen zu lassen – es waren eben andere Zeiten.
Wie auch immer: „In jedem Fall war er flügge“, sagt heute sein Sohn Stephan. Der ist gerade in Saarbrücken, denn der SR widmet seinem Vater eine sehenswerte Ausstellung, in der sich Familienbilder, hippieske, ländliche Kreativ-Atmosphäre und veritable Pop-Geschichte wunderbar miteinander verbinden. Wer könnte einen nun besser durch die
Ausstellung im Sehgang des Rundfunkgebäudes führen als Sohn Stephan? Der 48-Jährige steht halb stolz, halb amüsiert vor einem Porträtfoto des Vaters: Plank mit Hemd, Krawatte, Rauschebart, Ponyfrisur und Haaren, die über die Schulter herunter und aus dem unteren Bildrand hängen – ein bisschen wie ein Wikinger im Maßanzug. „Das Foto hat meine Mutter aufgenommen“, sagt Plank Junior, der nie von „Vater“, sondern immer von „Conny“spricht. Das Bild war für Planks eigenes Plattenlabel mit dem Namen Ammok, damit es ganz weit vorne im Telefonbuch steht. „Er wollte es seriös und wild.“Vielleicht auch ein schönes Motto für Planks gesamte Karriere als Produzent.
Der Sohn zeigt auf ein Schwarzweißbild eines antik wirkenden Mischpults – 1974 war die erste Aufnahme damit „Autobahn“von Kraftwerk, Klassiker eines sauberen, fast klinischen Technik-Klangs. In der Nacht vor der ersten Aufnahme, erzählt Stephan Plank, bosselte und lötete die ganze Familie das gute Stück zusammen, damit es morgens funktioniert.
Eine Luftaufnahme zeigt das gesamte Gehöft von Conny Plank und seiner Frau Christa Fast, in Wolperath bei Köln – eine Fachwerk-Idylle mit lichtdurchflutetem Anbau, großem Gemüsebeet, dem Haupthaus mit Büro, Küche und Zimmern für die Musikerinnen und Musiker, die bei den Aufnahmen zeitweise bei den Planks lebten. Da war Stephan noch ein Junge – er war 13, als sein Vater starb. Während Bands aufnahmen, saß er oft auf seiner Schaukel draußen, hörte zu, manches blieb ihm unvergesslich. „Wenn ich heute ‚Vienna‘ von Ultravox im Radio höre, bin ich wieder der kleine Junge, der auf der Schaukel sitzt.“
Ins Studio, das heute abgerissen ist, durfte er manchmal auch, ein Foto zeigt ihn am Schlagzeug neben Jürgen Zeltinger von der Kölschen Zeltinger Band, ein anderes draußen im Hof, wo ihm Holger Czukay, Experimental-Tausendsassa bei der Krautrock-Band Can, das Streichen an einem Bass zeigt. Die Ausstellung ist für Stephan Plank auch eine Wiederbegegnung mit den Eltern, die beide nicht mehr leben. Für ihn keine emotionale Hürde, „denn ich habe mich dem allen in ‚The Potential of Noise‘ gestellt“, Planks Doku über seinen Vater, „das war im Film noch sehr tief und nah. Jetzt freue ich mich einfach, die Bilder zu zeigen und Conny den Menschen näher zu bringen.“
Familiär muss es zugegangen sein in „Conny‘s Studio“, was wohl auch einiges an kreativer Energie freisetzte. Da schneidet auf einem Foto Annette Humpe (von der Band Ideal) Plank die Haare, der auf einem anderen Foto im Studio mit Säugling Stephan auf dem Schoß sitzt.„Er hat einen Rückzugsort für die Künstler und sich geschaffen, er wollte kein Studio in der Großstadt, wo schon die Medienleute mit herumsitzen.“
Was hier im Hinterland alles entstand, kann man auch anhand der vielen Cover begutachten, die aufgehängt sind. Eines davon hat dem jungen Stephan ein Honorar eingebracht: Holger Czukay mochte eine Zeichnung Planks so gerne, dass er sie als Cover für sein Album „On the Way to the Peak of Normal“verwendete. Dafür zahlte die Plattenfirma dem Siebenjährigen 100 Mark. „Viel Geld für Eis und Micky-Maus-Hefte“.
Ein anderes Kindheitsstück liegt in einem Schaukasten – ein kleines gelbes Gebilde mit Lautsprecher, drei roten und sechs grünen Knöpfen: ein Mini-Synthesizer, den Vater Plank für den Sohn bastelte. Der nannte sie „Krachbox“– sie funktioniert heute noch.
Auch silberne, goldene und Platin-Schallplatten sind aufgehängt, von Ideal („Der Ernst des Lebens“), einiges von den britischen ElectroRockern Ultravox, viel von Gianna Nannini. Denn so wie Plank mit Bands wie Kraan, Devo und Eloy kommerziell eher in der Nische experimentierte, so traf er auch, je nach Künstler, den Nerv des großen Publikums. Gianna Nannini sei zu Plank gekommen und habe Englisch singen wollen, erzählt Stephan Plank. Das hat der Vater ihr ausgeredet – und zusammen schufen sie im Ex-Schweinestall einen der größten Hits der Italienerin: „Bello e Impossibile“. In Wolperath hingen die goldenen Schallplatten einst auf der Toilette, wie Stephan Plank erzählt: „Um zu zeigen, was Conny von Kommerz und von Plattenfirmen hielt. Zugleich aber auch, weil man da Zeit hat, die sich mal in Ruhe anzuschauen.“
Plank war wählerisch, Produktionsanfragen von David Bowie und U2 lehnte er dankend ab, auch wenn das viele Produzenten-Tantiemen gebracht hätte. Bei ihm musste „vor allem die Chemie stimmen“, sagt Stephan Plank – und entdeckt auf einem alten Familienfoto ein Detail, das ihm vorher nie aufgefallen ist: „Da klebt ja ein Backstage-Pass auf meinem Strampelanzug.“
Bis 25. November. Täglich 8 bis 18 Uhr im Sehgang im Funkhaus Halberg. Der SR bittet um Anmeldung an der Pforte. Der Besuch ist kostenlos – man kann sich kostenlose Kataloge mit allen Fotos der Ausstellung mitnehmen.