Bezahlbares Wohnen ist eine Herausforderung
Das „Bündnis für bezahlbares Bauen und Wohnen“im Regionalverband Saarbrücken will die politische Diskussion über nachhaltige Wohnraumversorgung nach vorne bringen – und hat eine Willenserklärung unterzeichnet. Vor welchen gigantischen Herausforderungen man dabei steht, wurde bei einer Tagung in Saarbrücken klar.
SAARBRÜCKEN Die Wohnungsnot im Regionalverband hat sich verschärft – das ist statistisch belegt. Es fehlen vor allem bezahlbare Wohnungen. Und energetisch sanierte. „Von den 420 neu entstandenen Wohnungen im Regionalverband sind nur 29 Sozialwohnungen“, stellte Regionalverbandspräsident Peter Gillo (SPD) diese Woche ernüchtert fest gleich zu Beginn der Tagung des „Bündnisses bezahlbares Bauen und Wohnen“im Saarbrücker VHS-Zentrum am Schloss.
Seit Gründung des Bündnisses im Herbst 2021 mit Akteuren aus der Politik, der Wohnungswirtschaft (kommunale Wohnungsbaugesellschaften, Mieterbund, Haus & Grund, Studentenwerk), der Verwaltung und aus Sozialverbänden hat sich die Lage weiter verschärft: Durch die sich zuspitzende Gas- und Energiekrise werden viele Menschen mit geringem Einkommen größte Schwierigkeiten haben, ihre Nebenkosten zu bezahlen – bei ohnehin steigenden Mietpreisen. „Ich habe nicht den Eindruck, dass der soziale Wohnungsbau in die Puschen kommt“, beklagte Gillo. Nur ein massiver Ausbau der Wohnungsbau-Förderung und die schnellere energetische Sanierung im Bestand könne mittelfristig die Not auf dem Wohnungsmarkt abwenden.
Das ist eine Herkulesaufgabe. Was ist bezahlbar? Was wirtschaftlich? Die Vertreter und Vertreterinnen des Bündnisses waren zwar zur Unterzeichnung eines „Letter of Consent“– einer Willenserklärung zur Förderung bezahlbaren Bauens – im Schloss zusammengekommen. Doch ob und wie die vereinbarten Ziele angesichts der aus dem Ruder laufenden Baukosten, des Materialund Handwerkermangels und der drohenden Rezession bei exorbitant steigenden Gaspreisen zu erreichen sind, darüber herrschte dann doch eine gewisse, teils frustrierte Ratlosigkeit.
Man wolle sich einsetzen „für ein Gleichgewicht zwischen Bezahlbarkeit, Wirtschaftlichkeit und Wohnqualität“, heißt es in der Erklärung. Und „an einem Strang ziehen“für „gemeinnützigen, sozialverträglichen, bedarfsgerechten Wohnungsbau“. Man fordert eine „aktive Bestandspolitik“und will „die Diskussion anregen“.
Und weil das Thema Energiekosten-Explosion über allem schwebt und allen klar ist, dass es ohne eine energetische Sanierungs-Offensive nicht geht, beschäftigte man sich auf dem Forum mit EU-geförderten Modellprojekten in der Großregion, die Ralph Schmidt vom Energieberatungsverein Arge Solar präsentierte. Außerdem stellte die Diakonie Saar den „Energiespar-Check“für sozial schwache Haushalte vor. Die Beratung hilft, den Stromverbrauch wesentlich zu senken und wird seit Jahren erfolgreich angeboten. Ein Vertreter von Energie SaarLorLux erläuterte das zunehmend nachgefragte „Mieterstrom-Modell“, bei dem der Energieversorger Photovoltaik-Anlagen auf Mietshäusern installiert und wartet und den Mietern dadurch einen gleichbleibend günstigen Stromtarif anbieten kann.
„Alles hängt ab von der Höhe der finanziellen Förderung“, betonte Schmidt, als er einige der insgesamt 17 energetisch innovativen Bauprojekte vorstellte. Vom kleinen, nachhaltigen Einfamilienhaus in Frankreich über eine zum Mehrgenerationenhaus umgebaute alte Kirche in Luxemburg bis zum fast auf Passivhaus-Standard sanierten Mietshaus in Saarlouis (Fasanenallee) – Beispiele in der Großregion für innovatives Bauen gibt es. Im Regionalverband Saarbrücken jedoch war keines dieser Projekte angesiedelt.
„Der Energieverbrauch ist das Maß aller Dinge“, brachte es Schmidt auf den Punkt. Und eben die finanzielle Förderung. „Ohne die Mittel aus dem EU-Interreg-Programm wäre keines dieser Projekte rentabel“, beschrieb er die Misere. „Energetische Sanierung im Bestand, gerade im sozialen Wohnungsbau, ist nur mit massiver staatlicher Förderung möglich.“Und so wartet die Bauund Wohnungswirtschaft auf neue Ideen und Gelder vom Bund.
Schmidt warb für mehr Mut und Innovation beim Bauen. So sei das
Bauen mit Holz, einem nachwachsenden, natürlichen Rohstoff, gerade in Deutschland immer noch sehr teuer und unüblich. So sei es auch bei der Dämmung. Ökologische Materialien wie Flachs kämen noch kaum zum Einsatz, bemängelte der Energieexperte. „Da sind andere Regionen schon weiter“, gab er zu Bedenken.
Bei der anschließenden Diskussion war man sich einig: Es braucht fürs Bauen Verlässlichkeit, denn die Preise laufen davon. Alexander Schwehm, Präsident der Architektenkammer, wünscht sich mehr Beratungsangebote nicht nur für Bauleute und Handwerker, sondern gerade auch für die Archi
Durch die sich zuspitzende Gas- und Energiekrise werden viele Menschen mit geringem Einkommen größte Schwierigkeiten haben, ihre Nebenkosten zu bezahlen – bei ohnehin steigenden Mieten.
tekten. Zum Beispiel von der Arge Solar. Denn Planer – so stellt die Baubranche fest – seien nicht nur mit der ausufernden Baugenehmigungsbürokratie überlastet, sondern auch oft mit innovativer Planung aus einer Hand überfordert.
Schließlich müsse man auch die Mieter, Vermieter und Eigentümerinnen mitnehmen beim Energiesparen. „Gas ist jetzt ein knappes Gut“, machte Energieminister Robert Habeck (Grüne) diese Woche klar. Dass es gerade beim Energiesparen noch große Einsparpotenziale zu heben gibt, darin waren sich alle einig. Dass das unbequem werden wird, auch.