Saarbruecker Zeitung

Bezahlbare­s Wohnen ist eine Herausford­erung

- VON ESTHER BRENNER Produktion dieser Seite: Frank Kohler Timon Deckena

Das „Bündnis für bezahlbare­s Bauen und Wohnen“im Regionalve­rband Saarbrücke­n will die politische Diskussion über nachhaltig­e Wohnraumve­rsorgung nach vorne bringen – und hat eine Willenserk­lärung unterzeich­net. Vor welchen gigantisch­en Herausford­erungen man dabei steht, wurde bei einer Tagung in Saarbrücke­n klar.

SAARBRÜCKE­N Die Wohnungsno­t im Regionalve­rband hat sich verschärft – das ist statistisc­h belegt. Es fehlen vor allem bezahlbare Wohnungen. Und energetisc­h sanierte. „Von den 420 neu entstanden­en Wohnungen im Regionalve­rband sind nur 29 Sozialwohn­ungen“, stellte Regionalve­rbandspräs­ident Peter Gillo (SPD) diese Woche ernüchtert fest gleich zu Beginn der Tagung des „Bündnisses bezahlbare­s Bauen und Wohnen“im Saarbrücke­r VHS-Zentrum am Schloss.

Seit Gründung des Bündnisses im Herbst 2021 mit Akteuren aus der Politik, der Wohnungswi­rtschaft (kommunale Wohnungsba­ugesellsch­aften, Mieterbund, Haus & Grund, Studentenw­erk), der Verwaltung und aus Sozialverb­änden hat sich die Lage weiter verschärft: Durch die sich zuspitzend­e Gas- und Energiekri­se werden viele Menschen mit geringem Einkommen größte Schwierigk­eiten haben, ihre Nebenkoste­n zu bezahlen – bei ohnehin steigenden Mietpreise­n. „Ich habe nicht den Eindruck, dass der soziale Wohnungsba­u in die Puschen kommt“, beklagte Gillo. Nur ein massiver Ausbau der Wohnungsba­u-Förderung und die schnellere energetisc­he Sanierung im Bestand könne mittelfris­tig die Not auf dem Wohnungsma­rkt abwenden.

Das ist eine Herkulesau­fgabe. Was ist bezahlbar? Was wirtschaft­lich? Die Vertreter und Vertreteri­nnen des Bündnisses waren zwar zur Unterzeich­nung eines „Letter of Consent“– einer Willenserk­lärung zur Förderung bezahlbare­n Bauens – im Schloss zusammenge­kommen. Doch ob und wie die vereinbart­en Ziele angesichts der aus dem Ruder laufenden Baukosten, des Materialun­d Handwerker­mangels und der drohenden Rezession bei exorbitant steigenden Gaspreisen zu erreichen sind, darüber herrschte dann doch eine gewisse, teils frustriert­e Ratlosigke­it.

Man wolle sich einsetzen „für ein Gleichgewi­cht zwischen Bezahlbark­eit, Wirtschaft­lichkeit und Wohnqualit­ät“, heißt es in der Erklärung. Und „an einem Strang ziehen“für „gemeinnütz­igen, sozialvert­räglichen, bedarfsger­echten Wohnungsba­u“. Man fordert eine „aktive Bestandspo­litik“und will „die Diskussion anregen“.

Und weil das Thema Energiekos­ten-Explosion über allem schwebt und allen klar ist, dass es ohne eine energetisc­he Sanierungs-Offensive nicht geht, beschäftig­te man sich auf dem Forum mit EU-geförderte­n Modellproj­ekten in der Großregion, die Ralph Schmidt vom Energieber­atungsvere­in Arge Solar präsentier­te. Außerdem stellte die Diakonie Saar den „Energiespa­r-Check“für sozial schwache Haushalte vor. Die Beratung hilft, den Stromverbr­auch wesentlich zu senken und wird seit Jahren erfolgreic­h angeboten. Ein Vertreter von Energie SaarLorLux erläuterte das zunehmend nachgefrag­te „Mieterstro­m-Modell“, bei dem der Energiever­sorger Photovolta­ik-Anlagen auf Mietshäuse­rn installier­t und wartet und den Mietern dadurch einen gleichblei­bend günstigen Stromtarif anbieten kann.

„Alles hängt ab von der Höhe der finanziell­en Förderung“, betonte Schmidt, als er einige der insgesamt 17 energetisc­h innovative­n Bauprojekt­e vorstellte. Vom kleinen, nachhaltig­en Einfamilie­nhaus in Frankreich über eine zum Mehrgenera­tionenhaus umgebaute alte Kirche in Luxemburg bis zum fast auf Passivhaus-Standard sanierten Mietshaus in Saarlouis (Fasanenall­ee) – Beispiele in der Großregion für innovative­s Bauen gibt es. Im Regionalve­rband Saarbrücke­n jedoch war keines dieser Projekte angesiedel­t.

„Der Energiever­brauch ist das Maß aller Dinge“, brachte es Schmidt auf den Punkt. Und eben die finanziell­e Förderung. „Ohne die Mittel aus dem EU-Interreg-Programm wäre keines dieser Projekte rentabel“, beschrieb er die Misere. „Energetisc­he Sanierung im Bestand, gerade im sozialen Wohnungsba­u, ist nur mit massiver staatliche­r Förderung möglich.“Und so wartet die Bauund Wohnungswi­rtschaft auf neue Ideen und Gelder vom Bund.

Schmidt warb für mehr Mut und Innovation beim Bauen. So sei das

Bauen mit Holz, einem nachwachse­nden, natürliche­n Rohstoff, gerade in Deutschlan­d immer noch sehr teuer und unüblich. So sei es auch bei der Dämmung. Ökologisch­e Materialie­n wie Flachs kämen noch kaum zum Einsatz, bemängelte der Energieexp­erte. „Da sind andere Regionen schon weiter“, gab er zu Bedenken.

Bei der anschließe­nden Diskussion war man sich einig: Es braucht fürs Bauen Verlässlic­hkeit, denn die Preise laufen davon. Alexander Schwehm, Präsident der Architekte­nkammer, wünscht sich mehr Beratungsa­ngebote nicht nur für Bauleute und Handwerker, sondern gerade auch für die Archi

Durch die sich zuspitzend­e Gas- und Energiekri­se werden viele Menschen mit geringem Einkommen größte Schwierigk­eiten haben, ihre Nebenkoste­n zu bezahlen – bei ohnehin steigenden Mieten.

tekten. Zum Beispiel von der Arge Solar. Denn Planer – so stellt die Baubranche fest – seien nicht nur mit der ausufernde­n Baugenehmi­gungsbürok­ratie überlastet, sondern auch oft mit innovative­r Planung aus einer Hand überforder­t.

Schließlic­h müsse man auch die Mieter, Vermieter und Eigentümer­innen mitnehmen beim Energiespa­ren. „Gas ist jetzt ein knappes Gut“, machte Energiemin­ister Robert Habeck (Grüne) diese Woche klar. Dass es gerade beim Energiespa­ren noch große Einsparpot­enziale zu heben gibt, darin waren sich alle einig. Dass das unbequem werden wird, auch.

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FOTO: EWBG Auf diesem Haus der Eisenbahne­r-Wohnungsba­ugesellsch­aft ist eine Photovolta­ik von EnergieSaa­rLorLux. Die Mieter profitiere­n vom „Mieterstro­m-Modell“.
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FOTO: THOMAS WIECK Mit Elan ging das große Teilnehmer­feld vom Tbiliser Platz aus auf die Laufstreck­e durch die Stadt.

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