Saarbruecker Zeitung

Wimbledon vermisst die deutsche Legende

Boris Becker ist ohne Wimbledon undenkbar. Dieses Jahr fehlt die gefallene Tennis-Ikone nach seiner Haftstrafe. Die Ex-Kollegen unterstütz­en ihn öffentlich vor dem Start des Rasen-Klassikers. Einer von ihnen plant etwas Besonderes.

- VON FLORIAN LÜTTICKE

LONDON (dpa) Natürlich geht es in Wimbledon nicht ganz ohne Boris Becker. Zum 100-jährigen Jubiläum des Umzugs an die legendäre Church Road verlosen die Veranstalt­er des Rasen-Klassikers digitale Kunstwerke mit ikonischen Aufnahmen aus der Turnierges­chichte. Dabei ist auch die „german brilliance“, die deutsche Brillanz, wie das Foto Beckers von seinem sensatione­llen Titelgewin­n aus dem Jahr 1985 im Alter von 17 überschrie­ben ist.

Auf die reale Version müssen die Tennisfans im All England Lawn Tennis Club dieses Jahr verzichten. Huntercomb­e-Gefängnis statt sportliche­s Wohnzimmer: 70 Kilometer westlich des Londoner Stadtteils sitzt Becker in Nuffield seine Haftstrafe wegen Insolvenzv­ergehen ab und wird von Wegbegleit­ern am Ort seiner größten Triumphe schmerzlic­h vermisst. „Boris fehlt natürlich, wenn Wimbledon stattfinde­t, und er nicht dabei ist“, sagt sein früherer Davis-CupTeamkol­lege Patrik Kühnen, der das am Montag beginnende Turnier als Sky-Experte begleitet.

Wenige Begriffe sind seit 37 Jahren so miteinande­r verwoben wie Becker und Wimbledon: Dreimal als Spieler triumphier­t, Novak Djokovic als Trainer zum Titel geführt, langjährig­er Tennis-Erklärer bei der BBC. In seiner Wahl-Heimat wird Becker bereits seit 2002 während der Wimbledon-Wochen als TV-Experte fachlich hochgeschä­tzt. Ob der 54-Jährige nach seiner Freilassun­g aber wirklich auf den Bildschirm zurückkehr­en wird, lässt der TV-Sender offen. „Boris wird kein Teil der diesjährig­en Übertragun­g sein, und es ist noch keine Entscheidu­ng über die Zukunft getroffen worden“, teilt eine BBC-Sprecherin mit.

„Ich will ihn sehen, falls ich das kann, falls er Menschen sehen will oder kann.“Tennis-Legende John McEnroe über einen möglichen Besuch bei Boris Becker im Gefängnis in London

Die Lust, den Fall einer Legende zu beobachten, ist auch in England ausgeprägt. Als sich Kommentato­r Andrew Castle vergangene Woche bei einer Übertragun­g mit den Worten „Boris, wir freuen uns, dich bei deiner Rückkehr wieder willkommen zu heißen“direkt an Becker wandte, präsentier­ten britische Boulevard-Zeitungen genüsslich wütende Kommentare von Internetnu­tzern. Ende April war Becker zu zweieinhal­b Jahren Haft verurteilt worden, von der die zweite Hälfte wohl auf Bewährung ausgesetzt werden soll. Er hatte seinen Insolvenzv­erwaltern Vermögensw­erte in Millionenh­öhe verschwieg­en.

Der öffentlich­en Unterstütz­ung seiner Ex-Kollegen darf sich Becker aber weiter sicher sein. „Boris ist ein Freund von mir, das ist einfach entsetzlic­h“, sagt der dreimalige Wimbledon-Sieger John McEnroe. „Er hat mir immer gesagt, dass es okay sein wird, dass es unter Kontrolle ist. Das ist Boris, er war ein sehr selbstbewu­sster Spieler auf dem Platz. Aber manchmal bist du nicht notwendige­rweise ein großartige­r Investor.“

Wie Becker ist der Amerikaner McEnroe in Wimbledon seit Langem für die BBC im Einsatz und kündigte einen möglichen Besuch bei seinem früheren Widersache­r an. „Ich will ihn sehen, falls ich das kann, falls er Menschen sehen will oder kann.“

Dass Becker aus dem Gefängnis zumindest seinen Sport im Fernsehen oder Internet weiter verfolgt, darf als sicher gelten. Zuletzt berichtete Alexander Zverevs Bruder Mischa über Genesungsw­ünsche für den bei den French Open schwer verletzten deutschen Tennisstar. Bis Becker selbst wieder im Rampenlich­t steht, wird es aber noch dauern. Auch eine vorzeitige Aussetzung der Haft auf Bewährung nach 15 Monaten käme für einen Besuch von Wimbledon 2023 zu spät.

 ?? FOTO: RAIN/EPA/DPA ?? Kaum ein Name ist so eng mit dem Tennisturn­ier von Wimbledon so verbunden wie der von Boris Becker. Dreimal gewann er selbst, einmal führte er Novak Djokovic als Trainer zum Triumph. In diesem Jahr fehlt er – er sitzt 70 Kilometer nordwestli­ch entfernt von London im Gefängnis.
FOTO: RAIN/EPA/DPA Kaum ein Name ist so eng mit dem Tennisturn­ier von Wimbledon so verbunden wie der von Boris Becker. Dreimal gewann er selbst, einmal führte er Novak Djokovic als Trainer zum Triumph. In diesem Jahr fehlt er – er sitzt 70 Kilometer nordwestli­ch entfernt von London im Gefängnis.

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