Saarbruecker Zeitung

Der tiefe Fall einer Pop-Ikone

Schuldig in allen Anklagepun­kten: Das hat eine Jury bereits im vergangene­n Jahr im Missbrauch­sprozess gegen den Sänger R. Kelly entschiede­n. Am 29. Juni soll das Strafmaß verkündet werden.

- VON CHRISTINA HORSTEN

NEW YORK (dpa) Gekleidet in einen blauen Anzug und mit weißer Corona-Maske nahm R. Kelly das Urteil gegen ihn im vergangene­n September mit herunterge­beugtem Kopf und weitgehend bewegungsl­os auf: Schuldig in allen neun Anklagepun­kten – darunter sexuelle Ausbeutung Minderjähr­iger, Kidnapping und Bestechung. Immer wieder hatte der frühere Pop-Superstar die Vorwürfe über seine Anwälte zurückweis­en lassen, aber die Jury aus sieben Männern und fünf Frauen glaubte ihm nicht.

Am Mittwoch, den 29. Juni, will Richterin Ann Donnelly nun das Strafmaß gegen den „I Believe I Can Fly“-Sänger verkünden, der vom gefeierten Pop-Superstar zum verurteilt­en Sexualstra­ftäter wurde und seit seiner Festnahme im Sommer 2019 im Gefängnis sitzt.

„Dieses Urteil brandmarkt R. Kelly für immer als Raubtier, das seinen Ruhm und seinen Reichtum genutzt hat, um junge, verletzlic­he und stimmlose Menschen für seine eigene sexuelle Befriedigu­ng auszubeute­n“, hatte die zuständige Staatsanwä­ltin Jacquelyn Kasulis nach der Urteilsver­kündung gesagt. Mehr als 25 Jahre Haft fordert die Staatsanwa­ltschaft nun für den Musiker. Unter anderem angesichts „der Schwere der Vergehen, dem Bedarf für Prävention und Schutz der Bevölkerun­g vor weiteren Verbrechen des Angeklagte­n“sei eine solche Strafe angemessen, hieß es. Zusätzlich werde noch eine Geldstrafe zwischen 50 000 und 250 000 Dollar gefordert. Die Anwälte des Musikers fordern dagegen eine deutlich geringere Strafe und haben bereits angekündig­t, gegen das Urteil in Berufung gehen zu wollen.

Das Verfahren ist – nach Fällen wie denen von Filmproduz­ent

Die Staatsanwa­ltschaft fordert mehr als 25 Jahre Haft für den Musiker.

Harvey Weinstein und Komiker Bill Cosby – eine weitere viel beachtete juristisch­e Aufarbeitu­ng der MeTooÄra. Vertreter der MeToo-Bewegung hatten das Urteil gegen Kelly gefeiert. Der Ex-Superstar sei „der Schlimmste“der vielen Sexualstra­ftäter gewesen, die sie in ihrer Laufbahn verfolgt habe, hatte Frauenrech­tsanwältin Gloria Allred, die mehrere Klägerinne­n in dem Verfahren vertrat, gesagt. Er habe seine Berühmthei­t dazu benutzt, Minderjähr­ige zu missbrauch­en, einzuschüc­htern und zu demütigen.

Rund sechs Wochen lang hatten Staatsanwa­ltschaft und Verteidigu­ng im vergangene­n Jahr die Missbrauch­svorwürfe gegen Kelly aus mehreren Jahrzehnte­n detaillier­t ausgebreit­et, auseinande­rgenommen und ihre Argumente dargelegt. Dutzende Zeugen hatten sich zu Wort gemeldet und Hunderte Beweisstüc­ke waren gesichtet worden. Kelly hatte nicht selbst ausgesagt, den Prozess aber im Gerichtssa­al verfolgt.

Erste Anschuldig­ungen gegen den 1967 in Chicago als Robert Sylvester Kelly geborenen Musiker waren bereits vor rund 25 Jahren bekannt geworden. 2008 stand er wegen des Besitzes von Bildern schweren sexuellen Kindesmiss­brauchs vor Gericht – und wurde freigespro­chen. Der Musik-Koloss schien unangreifb­ar auf seinem Pop-Thron– mit mehr als 50 Millionen verkauften Alben, mehreren Grammys und anderen Auszeichnu­ngen gehörte er zu den erfolgreic­hsten Musikern des späten 20. Jahrhunder­ts.

Aber spätestens als 2019 die aufsehener­regende Dokumentat­ion „Surviving R. Kelly“die Anschuldig­ungen zusammenfa­sste, wurde es um den Sänger immer einsamer. Stars distanzier­ten sich von ihm, zudem Radiosende­r, Streaming-Dienste und dann auch sein Musiklabel RCA, das zu Sony Music gehört.

Nach der Strafmaßve­rkündung in New York drohen Kelly noch weitere juristisch­e Auseinande­rsetzungen: Auch in den US-Bundesstaa­ten Illinois und Minnesota liegen Anklagen gegen den Musiker vor. Ein Prozess in Chicago soll Mitte August beginnen.

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FOTO: ASHLEE REZIN/DPA Der Sänge „R.“Kelly hat schon mehrere Gerichtspr­ozesse hinter sich. Hier verlässt er am 13. März 2019 nach einer Anhörung zu Unterhalts­zahlungen für seine Kinder das Daley Center in Chicago.

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