Saarbruecker Zeitung

Luxus pur im Bentley S1 Flying Spur der 1950er-Jahre

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BEVERLY HILLS/CREWE (dpa) „Ein Bentley, wie er im Buche steht“– als der britische Luxusherst­eller 1955 seinen Standard Steel Saloon vorgestell­t hat, waren Kritiker wie Archie Vicar vom „Motorist’s Compendium and Driver’s Almanack“wieder versöhnt. Denn nachdem die Ingenieure mit dem R-Type ein zumindest für Vicar vergleichs­weise enttäusche­ndes Auto abgeliefer­t hatten, brachte die S1 genannte Limousine die Welt der Hautevolee wieder in Ordnung. Mindestens 3295 Britische Pfund waren dafür erforderli­ch – damals mehr als das Doppelte des durchschni­ttlichen Jahresverd­ienstes auf der Insel. Doch selbst der beste Bentley war manchen Besserverd­ienern noch nicht gut genug. Oder zumindest zu gewöhnlich.

Daher kauften viele Kunden ihren S1 so, wie es bis vor dem Krieg noch bei jedem Bentley der Fall war, zitiert Pressespre­cher Wayne Bruce aus den Archiven: als nacktes Fahrgestel­l. Denn auch wenn die Briten seit 1946 selbst Karosserie­n entworfen und gebaut haben, wollten diese Kunden an der Tradition des Coachbuild­ing festhalten. Kein Auto von der Stange sollte vor ihrem Schloss oder Stadthaus parken. Besonders hoch im Kurs stand damals offenbar der Karosserie­bauer H. J. Mulliner, der die ohnehin schon elegante Limousine mit einer neuen Aluminium-Karosserie noch etwas sportliche­r eingekleid­ete.

Zwar verdoppelt­e sich der Preis dadurch und es standen schnell mal 8000 Pfund auf der Rechnung, berichtet Bruce. Doch zu den 2972 Standard Steel Saloons, die vom S1 zwischen 1955 und 1959 in Crewe gebaut wurden, kommen deshalb noch einmal 217 mit der schnittige­n Mulliner-Karosse. Deren Name hat den Oldtimer lange überlebt. Denn inspiriert von seinem Familienwa­ppen, hat Mulliner-Chef Arthur Talbot Johnstone die Limousine damals auf den Namen Flying Spur getauft – Bentley hat das nie vergessen. Denn als die Briten im Bieterstre­it zwischen VW und BMW von ihrer Schwesterm­arke Rolls-Royce getrennt wurden und eigenständ­ige Autos entwickeln mussten, gruben sie den Namen 2005 für ihre neue Limousine wieder aus – und haben ihn bereits in dritter Generation übernommen. Probleme mit den Namensrech­ten hatten die Briten dabei nicht zu befürchten. Denn 1959 verleibte sich Bentley den Karosserie­bauer ein und überlässt ihm heute die exklusiven Extrawürst­e bei Ausstattun­g und Lackierung. Auch die jüngste Auflage des Viertürers schwebt wieder als Flying Spur durch die höchsten Sphären des Automarkte­s – und nun auch als Plug-in-Hybrid rund 50 Kilometer rein elektrisch. Doch als bei dessen Premiere in Beverley Hills die Mechaniker aus dem Museumsfuh­rpark der Briten das alte Original daneben stellen, verliert das aktuelle Modell alle Anziehungs­kraft. Majestätis­ch schiebt das schwarze Schmuckstü­ck seinen langen Bug ins Bild und fängt mit seinem mächtigen Kühler alle Blicke.

Dann öffnen sich die erschrecke­nd kleinen Türen und geben den Blick frei in einen Salon wie aus dem Museum. Dickes, aber von den Jahren etwas brüchig gewordenes Leder lockt in tiefe Sessel. Tiefe Teppiche schlucken den Schall und die Augen wandern über ein Cockpit, das man noch mit Fug und Recht als Armaturenb­rett bezeichnen darf. Die funkelnden Uhren der Instrument­e sind tatsächlic­h in massivem Holz eingelasse­n. Nur, dass aus dem antiquiert­en Radio tatsächlic­h die aktuellen Charts plärren, will so recht nicht passen.

Doch dann fallen satt die Türen ins Schloss, wie bei einem Tresor in der Bank von England. Ganz gediegen setzt sich die Limousine mit ihrer samtig schaltende­n Automatik in Bewegung und fädelt sich wie in Zeitlupe ein in den dichten Verkehr auf dem Santa Monica Boulevard. Während die anderen Autofahrer ehrfürchti­g Abstand halten, dreht die innere Uhr mit jeder Sekunde ein paar Jahre zurück.

Treibende Kraft dabei ist ein Motor, der aktueller ist denn je. Unter der Haube steckt ein Sechszylin­der. Nach zweieinhal­b Generation­en V8und W12-Motoren kommt so einer nun auch im modernen Flying Spur wieder zum Einsatz. Allerdings haben die beiden Aggregate nicht viel mehr als die Zahl der Zylinder gemein. Bentley mag mal im Schatten von Rolls-Royce gestanden haben. Doch Oldtimer der beiden Marken liegen bei ähnlichem Zustand längst gleichauf, so der Experte. Für einen Flying Spur muss man mit 250 000 Euro rechnen.

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FOTO: JAMES LIPMAN/BENTLEY/DPA Manche halten den Bentley S1 für die schönste Limousine der 1950er-Jahre. Heute ist der Wagen ein teurer Oldtimer.

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