Saarbruecker Zeitung

Sportlehre­r zu werden war sein Traum

Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörige­n und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorben­er vor. Heute: Günther Wirtz.

- VON WALTER FAAS

PÜTTLINGEN Ob es nur um einen Purzelbaum ging oder ums Sportabzei­chen in Gold, Günther Wirtz war ein Motivator par excellence. Das hat der Autor dieser Zeilen selbst schon erfahren, beim gemeinsame­n Training. Langsam laufen, sprinten, dehnen, beugen, auch mal Löwenzahn im Stadion stechen – alles, was der körperlich­en Ertüchtigu­ng dient, ergebe Sinn, so lautete die Devise des zu früh Verstorben­en.

Das Leben von Günther Wirtz begann am 5. September 1948 im Schwalbach­er Ortsteil Hülzweiler, er war das mittlere von drei Kindern der Eheleute Peter und Maria Wirtz. Der Papa war Bergmann, Mama führte ein Lebensmitt­elgeschäft. Schon früh interessie­rte sich Günther für Sport, für Bewegung überhaupt. Er brachte für die Mama Waren mit dem Fahrrad zu den Kunden und wurde Mitglied im Turnverein Hülzweiler mit dem Schwerpunk­t Leichtathl­etik. 110 Meter Hürden, Zehnkampf, 400 Meter Hürden, Langstreck­enläufe: „Das war sein Ding, meist mit der Stoppuhr in der Hand“, erzählt seine Witwe.

Günther Wirtz absolviert­e nach der Mittleren Reife eine Lehre als Bankkaufma­nn in Saarlouis. Dort lernte er die Frau seines Lebens kennen, Maria Müller, später dann Wirtz. Mit der ihm eigenen Energie schaffte er neben seinem Beruf das Abitur auf dem Abendgymna­sium.

„Mein Traum ist es, Sportlehre­r zu werden“, sagte er. Doch er musste erstmal seine Bundeswehr­zeit nachholen. Geheiratet wurde 1972, und das frisch getraute Ehepaar praktizier­te, in der damaligen Zeit selten, ein neues Rollenmode­ll: Die Frau arbeitete, der Mann studierte. „Das haben wir gemacht in unserem jugendlich­en Leichtsinn“, schmunzelt Maria Wirtz im Rückblick. Mit Erfolg, darf bilanziert werden.

Der Mann wurde Realschull­ehrer für die Fächer Sport und Mathematik. Die beiden kauften ein Eigenheim in Püttlingen. Zwei Söhne, Stefan und Frank, wurden geboren. Günther Wirtz spielte hobbymäßig Volley- und Basketball beim VC Püttlingen. Die ganze Familie wurde Mitglied im TV Püttlingen. Wirtz betrieb Wettkampfs­port bis ins Seniorenal­ter und brachte sich in die Vorstandsa­rbeit ein, verfasste Presseberi­chte. Sein liebstes und erfolgreic­hstes Projekt war die Sportabzei­chengruppe, die er gemeinsam mit Hubert Wingen von der DJK Köllerbach über Jahre pflegte. Herausstec­hend war die Aktion „Ostereierb­auch-Weglauflau­f“, mit der das Team „Wingen – Wirtz“die jährliche Sportabzei­chen-Saison eröffnete. Unvergesse­n auch die abschließe­nden Erfolgsfei­ern in der Weihnachts­zeit, meist mit Rekordzahl­en hinsichtli­ch der Zahl der Teilnehmer und der hohen Zahl verliehene­r Sportabzei­chenurkund­en, 217 etwa im Jahr 2019, mit ein Beleg für die hohe Motivation­skraft der beiden Trainer. Günther Wirtz hat das Sportabzei­chen selbst 29mal abgelegt.

Während seiner Zeit als Sportlehre­r brachte Wirtz mehrere Mannschaft­en aus Saarlouis, in den Sportarten Hand- und Basketball, zu Wettkämpfe­n von „Jugend trainiert für Olympia“nach Berlin. Mehrere Jahre war er Fachleiter für Sport im Studiensem­inar für Lehramtsan­wärter. Er trainierte Bewerber für ihre Berufslauf­bahnen in Diensten der Polizei, dem Zoll, der Bundeswehr et cetera mit der Begründung: „Die brauchen das Sportabzei­chen für den Beruf!“Dem Deutschen Olympische­n Sportbund und dem Landesspor­tverband waren diese ehrenamtli­chen Aktivitäte­n mehrere Auszeichnu­ngen wert.

Man traf Günther Wirtz bei Wind und Wetter im Wald, auf der autofreien Römerstraß­e, im Stadion Breitwies oder beim individuel­len Lauf- beziehungs­weise NordicWalk­ing-Training. Rank, schlank, körperlich fit, geistig agil, immer freundlich – dem Mann stand ein Alter in Würde bevor, so dachte man. 2021 aber, zunächst ohne ersichtlic­hen Grund, verlor der trainierte Sportler (und allzeit gesund Lebende) an Gewicht. Und an Kraft. Bei einer CT-Untersuchu­ng ergab sich die Diagnose „Pankreas-Karzinom“, Bauchspeic­heldrüsenk­rebs. Es folgte eine Chemothera­pie. Eine stationäre Behandlung wurde ausgeschlo­ssen. „Mein Mann hat sich vom Krankenwag­en mit letzter Kraft in die Wohnung und auf das Sofa geschleppt“, schildert seine Frau. Der Leidensweg ihres Mannes sei für alle Betroffene­n unnötig erschwert worden durch hohe bürokratis­che Hürden bei der Erstattung der Kosten für Pflegebett und weitere Hilfsmitte­l, sagt Maria Wirtz, nicht ohne Bitterkeit. Die Betreuung durch den ambulanten Palliativ- und Hospizdien­st indessen sei eine große Hilfe gewesen. Am 3. März, nur sechs Wochen nach der fatalen Diagnose, starb Günther Wirtz zu Hause im Kreis seiner Familie, mit 73 Jahren. „Damit kann man sich trösten, dass sein Leidensweg letztendli­ch nur kurz gewesen ist“, sagt seine Witwe. Ein Gedanke, der im Schlusssat­z der Todesanzei­ge vertieft wurde. Dort hieß es: „Unser Herz will dich halten. Unsere Liebe dich umfangen. Unser Verstand muss dich ziehen lassen. Denn deine Kraft war zu Ende und deine Erlösung eine Gnade.“

Trost findet die Witwe nach wie vor in der Sportabzei­chengruppe von Günther Wirtz, die, während der Krankheit und danach, per Whatsapp Kontakt gehalten hat und eine anrührende Beerdigung­sfeier im Sportlerhe­im Breitwies organisier­t hatte.

Auf der Seite „Momente“stellt die SZ im Wechsel Kirchen und Lebenswege Verstorben­er vor. Online unter saarbrueck­er- zeitung. de/lebenswege

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FOTO: TV PÜTTLINGEN Fröhlich-freundlich lächelnd und im Sportdress wie so oft: Bewegung war für Günther Wirtz das Leben. Das Foto zeigt ihn im Jahr 2018.

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