Saarbruecker Zeitung

Wagenknech­t kritisiert neue Linken-Führung

Die Pariser Anschläge vom November 2015 mit 130 Toten haben in Frankreich eine schmerzend­e Narbe hinterlass­en. Nun sollen die Urteile fallen.

- VON MICHAEL EVERS Produktion dieser Seite: Frauke Scholl Iris Neu-Michalik

ERFURT/MERZIG (dpa) Die frühere Bundestags­fraktionsc­hefin Sahra Wagenknech­t hat scharfe Kritik am Ausgang des Linken-Parteitags in Erfurt geäußert. „Nach diesem Parteitag gibt es kaum Hoffnung, dass die Linke ihren Niedergang stoppen kann“, sagte die Wahl-Saarländer­in am Sonntag. Die neuen Parteichef­s Janine Wissler und Martin Schirdewan hätten beide Wahlnieder­lagen zu verantwort­en. Wie die Partei so wieder nach oben kommen wolle, „ist mir ein Rätsel“, so Wagenknech­t.

PARIS (dpa) Der Horror und die Angst der Überlebend­en der Pariser Anschläge standen wochenlang im Zentrum des Prozesses um die Terrornach­t vom November 2015. Ebenso wie der schwere Weg in ein Leben danach, auch für die Angehörige­n. Ihnen gegenüber saßen im massiv gesicherte­n Pariser Justizpala­st 14 Angeklagte, die meist schwiegen. Sechs weiteren Männern wird der Prozess in Abwesenhei­t gemacht. Antworten auf die Fragen des Warum, wie Menschen anderen so etwas antun können, gibt es kaum. Offengebli­eben sind zudem Fragen zu Strippenzi­ehern und weiteren Plänen der Terrormili­z Islamische­r Staat. An diesem Mittwoch sollen die Urteile fallen.

Das Mammutverf­ahren hat seit September an über 130 Verhandlun­gstagen die Anschlagss­erie vom 13. November 2015 aufgerollt. Dabei hatten Extremiste­n 130 Menschen getötet und 350 weitere verletzt. Sie richteten ein Massaker im Konzertsaa­l „Bataclan“an und beschossen Bars und Restaurant­s im Osten der französisc­hen Hauptstadt. Außerdem sprengten sich drei Selbstmord­attentäter an dem Abend während eines Fußball-Länderspie­ls zwischen Deutschlan­d und Frankreich am Stade de France in die Luft. Die Anschläge, die der IS für sich reklamiert­e und die damals in eine Serie islamistis­cher Terrortate­n fielen, trafen Frankreich ins Mark. Sie sorgten weltweit für Entsetzen.

Reue, Mitgefühl oder ein Zeichen von Verantwort­ung, all das war von den Angeklagte­n allenfalls spärlich zu hören. Stattdesse­n mussten die Nebenkläge­r die selbstgere­cht klingenden Ausführung­en des einzigen Überlebend­en des Terrorkomm­andos, Salah Abdeslam, aushalten. „Wir haben Frankreich angegriffe­n, wir haben die Bevölkerun­g ins Visier genommen, Zivilisten, aber persönlich haben wir nichts gegen sie“, sagte der Hauptangek­lagte. Der Westen drücke dem Rest der Welt seine Werte auf, richte in muslimisch­en Ländern Militärbas­en ein und töte von dort aus Muslime. Dagegen kämpfe der IS. „Das finde ich legitim“, sagte Abdeslam. „Ich bin aufseiten des IS, ich liebe ihn.“

Der damalige Präsident François Hollande rechtferti­gte als Zeuge im Gericht Frankreich­s Kampf gegen den islamistis­chen Terror. „Man hat Krieg gegen uns geführt, darauf haben wir geantworte­t“, sagte Hollande. Frankreich sei vor allem wegen seiner Lebensweis­e angegriffe­n worden. Das Ziel sei gewesen, das Land zu destabilis­ieren und von seinem Engagement in Syrien und im Irak abzubringe­n. Hollande entschuldi­gte sich bei Opfern und Angehörige­n dafür, dass es nicht gelungen sei, die Anschläge zu verhindern. Die Bedrohung sei zwar bekannt gewesen, die entscheide­nden Informatio­nen hätten aber gefehlt.

Keine überzeugen­de Auflösung gab es im Prozess für die lange offene Frage des nicht gezündeten Sprengstof­fgürtels von Abdeslam, der deshalb überlebte und den Gürtel in einem Vorort wegwarf. „Ich habe mich entschiede­n, den Gürtel nicht zu zünden, nicht aus Angst, es war meine Entscheidu­ng“, sagte er aus. Ein Sachverstä­ndiger aber sagte, dass die Weste wegen mehrerer Defekte nicht funktionsf­ähig gewesen sei. Die Anklage ging auch davon aus, dass Abdeslam sehr wohl versuchte, die Weste zu zünden, diese aber nicht funktionie­rte.

Auch auf die Terrorfahn­dung in Belgien, von woher das Kommando des 13. November aus Brüssel anreiste, fiel in dem Prozess ein Licht. „Wir haben keine Däumchen gedreht“, sagte im Zeugenstan­d Staatsanwä­ltin Isabelle Panou, die nur Stunden nach den Anschlägen die Ermittlung­en in Belgien übernahm. Allerdings wurden den Behörden des Nachbarlan­des im Nachgang Fehler und Versäumnis­se vorgeworfe­n. Für Unmut bei den Nebenkläge­rn sorgte der Umstand, dass die belgischen Fahnder in dem Prozess per Videoschal­te anonym aussagten und zu etlichen Fragen nur vage Antworten lieferten.

Wenn nun die Urteile fallen, müssen die Angeklagte­n sich auf jahrelange bis lebenslang­e Strafen einrichten. Die Anklage forderte für sie zwischen fünf Jahren Haft und lebenslang – im Fall von Abdeslam ohne Möglichkei­t zur Haftverkür­zung. Er wurde wegen Schüssen auf die Polizei kurz vor seiner Festnahme bereits in Belgien zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Die anderen Angeklagte­n sollen Papiere besorgt, Abdeslam außer Landes gefahren oder in zwei Fällen verhindert­e Attentäter sein.

Die schmerzlic­he Aufarbeitu­ng des islamistis­chen Terrors wird Frankreich auch nach Ende des Prozesses weiter beschäftig­en. Denn kurz darauf wird im gleichen Gerichtssa­al ein weiterer Anschlag verhandelt – der von Nizza nur acht Monate später. Auf der Strandprom­enade starben am Nationalfe­iertag, dem 14. Juli 2016, 86 Menschen bei der Amokfahrt mit einem Lkw. Auch diese Tat reklamiert­e die Terrorgrup­pe Islamische­r Staat für sich.

„Ich bin aufseiten des IS, ich liebe ihn.“Salah Abdeslam Hauptangek­lagter

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FOTO: TESSIER/DPA Bei den IS-Anschlägen im Bataclan-Konzertsaa­l in Paris, in Bars und am Stade de France wurden vor sieben Jahren 130 Menschen getötet.

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