Saarbruecker Zeitung

Die Stimmung ist gut, die Weltlage nicht

Vor der Kulisse der bayerische­n Alpen wollen die G7 bei ihrem Treffen ein starkes Signal gegen Putins Krieg in der Ukraine setzen. Der reagiert auf seine Art.

- VON JAN DREBES UND KERSTIN MÜNSTERMAN­N

ELMAU Olaf Scholz steht allein im Schlossgan­g. Der Kanzler wartet auf den prominente­sten Gast beim G7Gipfel auf Schloss Elmau: US-Präsident Joe Biden. Dieser war schon am Vorabend eingetroff­en, doch erst am Sonntagmor­gen steht ein bilaterale­s Treffen zwischen den beiden auf dem Programm. Scholz geht etwas nervös auf und ab. Dann kommt der Präsident. Und startet das Treffen gleich mit einem Kompliment: „Sie haben einen unglaublic­hen Job gemacht“, sagt Biden. „Ich möchte Ihnen dafür danken.“Der US-Präsident betont: „Wir müssen zusammenbl­eiben.“Der russische Präsident Wladimir Putin habe damit gerechnet, dass die G7 und die Nato gespalten würden. Das sei nicht geschehen und werde auch nicht geschehen. Biden legt Scholz den Arm mal auf den Rücken, mal auf den Arm. „Danke, danke, danke“, sagt der US-Präsident. Scholz strahlt.

Kurze Zeit später verlassen er und seine Frau Britta Ernst das Hotel. Sie empfangen die anderen Gäste einzeln vor der Bergkuliss­e am roten Teppich für einen Fototermin. EUKommissi­onspräside­ntin Ursula von der Leyen kommt zu ihnen, allerdings ohne ihren Mann, der mit einer Corona-Infektion zu Hause bleiben musste. Der britische Premier Boris Johnson stürmt mit seiner Frau nach draußen, zieht sie beinahe die wenigen Stufen hinab. Ganz anders: Justin Trudeau, der kanadische Premier. Er lächelt, läuft lässig, grüßt unterwegs die Fotografen, auch US-Präsident Joe Biden kommt mit makellosem Lächeln den Teppich entlang.

Als Letztes kommt Emmanuel Macron mit seiner Frau Brigitte aus dem Hotel. Sie scherzen zusammen mit Scholz und Ernst auf dem Weg zur ersten kurzen G7-Gesprächsr­unde. Unmittelba­r daneben: Die berühmte Bank, auf der 2005 der damalige US-Präsident Barack Obama mit ausgebreit­eten Armen saß und einer angeregt gestikulie­renden Kanzlerin Angela Merkel lauschte, die vor ihm stand. Jetzt bleibt sie leer.

Es geht harmonisch zu bei diesem Gipfelauft­akt. Und trotz der schweren Krisen, über die es zu sprechen gilt, fehlen kleine Witzeleien am Rande auch nicht. Es ist heiß am Berg. „Jacken an? Jacken aus?“, fragt der britische Premiermin­ister Johnson. Trudeau schlägt vor, bis zum wichtigste­n Bildtermin, dem traditione­llen „Familienfo­to“der Runde zu warten. Doch Johnson insistiert­e: „Wir müssen zeigen, dass wir stärker als Putin sind.“Trudeau hakt da ein und witzelt, die Runde solle sich wie Putin 2009 beim „Reiten mit nacktem Oberkörper“ablichten lassen. Ohne offenbar auf die Bekleidung­sfrage einzugehen, sagt darauf EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen, die eine leidenscha­ftliche Reiterin ist: „Reiten ist das Beste.“Johnson lässt aber nicht locker und fordert: „Wir müssen ihnen unsere Bauchmuske­ln zeigen.“Alle strahlen, die Stimmung ist nach den ersten Arbeitssit­zungen gut.

Die Weltlage ist es nicht, die Nach

„Wir müssen zeigen, dass wir stärker als Putin sind.“Boris Johnson Britischer Premiermin­ister

richten am Morgen aus der Ukraine sind erschütter­nd. Erstmals seit drei Wochen war die ukrainisch­e Hauptstadt Kiew von der russischen Armee wieder mit Raketen beschossen worden (siehe Artikel unten).

Scholz geht am Mittag bei einem Statement auf die neuen Angriffe ein: „Dass es ein brutaler Krieg ist, den Putin führt, haben wir jetzt wieder mitbekomme­n, mit Raketenang­riffen auf Häuser in Kiew“, sagt Scholz. „Das zeigt, dass es richtig ist, dass wir zusammenst­ehen und die Ukrainerin­nen und Ukrainer dabei unterstütz­en, ihr Land, ihre Demokratie und auch ihre Freiheit auf Selbstbest­immung zu verteidige­n“, so der Kanzler. Man könne sicher sagen, dass Putin nicht damit gerechnet habe und ihm die große internatio­nale Unterstütz­ung für die Ukraine, aber natürlich auch der Mut und die Tapferkeit der Ukrainerin­nen und Ukrainer bei der Verteidigu­ng ihres Landes, unveränder­t Kopfschmer­zen bereite, sagt Scholz.

Am frühen Abend dann gibt es ein starkes Signal: Scholz kündigt eine weltweite Initiative für Infrastruk­tur-Investitio­nen der G7 an. Biden habe dies angestoßen. „Dies zeigt die Einheit der G7“, sagt Scholz bei der gemeinsame­n Präsentati­on. Damit sollen Investitio­nen etwa für Klimaschut­z, im Energiesek­tor und im Gesundheit­sbereich ermöglicht werden. Insgesamt soll die Initiative 600 Milliarden Dollar umfassen. Allein die USA werden 200 Milliarden Dollar an öffentlich­en und privaten Mitteln bereitstel­len, das „Team Europe“will 300 Milliarden Euro geben. Diese Summe aus staatliche­m und privatem Geld sei bis 2027 vorgesehen, sagt von der Leyen. „Wir müssen als Demokratie­n unsere gemeinsame­n Kräfte bündeln“, unterstrei­cht sie noch. Mit den zusätzlich­en Investitio­nen wollen die G7-Demokratie­n dem wachsenden Einfluss von China und Russland und anderen autokratis­chen Staaten in den Entwicklun­gsländern entgegentr­eten.

Proteste am Rande des Gipfels bleiben weitgehend friedlich – und kleiner als erwartet. Rund 800 Demonstran­ten kommen am Sonntag in Garmisch-Partenkirc­hen zusammen. Ausschreit­ungen bleiben aus.

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FOTO: KAPPELER/DPA Kleine Scherze am Rande trotz ernster Themen: Kanadas Premier Justin Trudeau (l-r), Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron, Kanzler Olaf Scholz, US-Präsident Joe Biden, Großbritan­niens Premier Boris Johnson, sein japanische­r Amtskolleg­e Fumio Kishida und EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen.

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