Saarbruecker Zeitung

Hunderte Fälle beschäftig­en Saar-Datenschüt­zer

Die Chefin Monika Grethel listet kuriose Beispiele auf, etwa Homeoffice in Paraguay für eine Kommune im Saarland.

- VON TERESA PROMMERSBE­RGER Produktion dieser Seite: Michael Emmerich Manuel Görtz

SAARBRÜCKE­N Oh, wie schön ist, nein, nicht Panama, sondern Paraguay. Das hat sich eine Mitarbeite­rin einer nicht namentlich genannten saarländis­chen Kommune gedacht. Auswandern, das wär’s doch. Weil man aber auch im tropischen Südamerika von etwas leben muss, wollte die Frau weiterhin für die Kommune arbeiten – im Homeoffice. Arbeiten von zu Haus ist seit der Corona-Pandemie zwar nichts Ungewöhnli­ches mehr. Dass jemand aber für eine Saar-Gemeinde aus gut 10 000 Kilometer Entfernung auf dem Laptop tippt und Videokonfe­renzen hält, ist doch die Ausnahme.

Trotzdem „traf dieses Ansinnen beim Arbeitgebe­r zunächst augenschei­nlich auf Wohlwollen“. So heißt es im Jahresberi­cht 2021 des Unabhängig­en Datenschut­zzentrums Saarland. Warum? „Da dieser sich an uns wandte mit der Bitte um Hinweise, wie eine solche Konstellat­ion datenschut­zrechtlich abgebildet werden könne, da die Mitarbeite­rin auch Zugang zu personenbe­zogenen Daten habe“. Weil Paraguay nun mal nicht Europa ist, braucht es bestimmte Voraussetz­ungen. In Behördende­utsch lautet das Angemessen­heitsbesch­luss: „Dass personenbe­zogene Daten in einem bestimmten Drittland einen mit dem Europäisch­en Datenschut­zrecht vergleichb­aren adäquaten Schutz genießen“müssen. Gibt es diesen Beschluss nicht, sei die Datenüberm­ittlung in ein Drittland nur zulässig, sofern gemäß der Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSVGO) „Garantien zur Gewährleis­tung eines angemessen­en Schutznive­aus ergriffen werden oder wenn die Datenüberm­ittlung ausnahmswe­ise für bestimmte Fälle zugelassen ist“.

Für Paraguay trifft aber weder das eine noch das andere zu, meint Landesdate­nschutzbea­uftragte Monika Grethel. Ihre Behörde hat die Kommune darauf aufmerksam gemacht.

Nach einiger Zeit „wurde uns auf Nachfrage mitgeteilt, dass man seitens der Kommune von dem Vorhaben mittlerwei­le Abstand genommen habe“. Ob die Mitarbeite­rin trotzdem ausgewande­rt ist, sei nicht bekannt. Hätte sie statt nach Paraguay nach Uruguay auswandern wollen, „wären die Erfolgsaus­sichten möglicherw­eise höher gewesen“, zieht Grethel ihr Fazit. Denn dort gibt es einen Angemessen­heitsbesch­luss.

Dieser Fall ist nur einer von Hunderten, die die Datenschüt­zer im Saarland 2021 bearbeitet haben. Und wie im Jahr zuvor waren es vor allem die Auswirkung­en der Corona-Pandemie, mit denen sie sich beschäftig­ten mussten. Kontaktnac­hverfolgun­g, Datenverar­beitung in Testzentre­n, die Abfrage des Impfstatus am Arbeitspla­tz sind nur einige Beispiele. In der Corona-Krise hätten sehr kurzfristi­g rechtliche Rahmenbedi­ngungen geschaffen werden müssen, um mit der dynamische­n Entwicklun­g der Pandemie Schritt zu halten, heißt es. Das habe teils erhebliche Eingriffe in das informatio­nelle Selbstbest­immungsrec­ht der Bürgerinne­n und Bürger bedeutet.

So gingen beim Datenschut­zzentrum 537 Beschwerde­n und 499 gemeldete Datenschut­z-Verletzung­en ein. Das Zentrum sprach 16 Verwarnung­en aus, gab sechs Anweisunge­n sowie Anordnunge­n und verhängte 14 Geldbußen. Hinzu kamen 400 Beratungen. 140 Seiten dick ist der mittlerwei­le 30. Bericht der Behörde.

Datenschut­zrechtlich­e Mängel haben die Prüfer etwa bei der OnlineTerm­invergabe für Impftermin­e in den Zentren des Landes festgestel­lt. So sei auf der Internetse­ite nicht das Gesundheit­sministeri­um als Verantwort­licher für die Einhaltung des Datenschut­zes genannt worden. Auch hätte der Hinweis gefehlt, auf welcher Rechtsgrun­dlage das Ministeriu­m die

Personenda­ten verarbeite­t. Daraufhin habe das Ministeriu­m nachgebess­ert und die Plattform datenschut­zkonform aufgelegt. Dennoch: „Eine frühzeitig­e Einbindung des Datenschut­zzentrums in derartige Prozesse wäre wünschensw­ert“, appelliert Grethel.

Für viel Unmut habe die Testpflich­t an den Schulen gesorgt. Die Schüler testeten sich in der Regel alle gleichzeit­ig in der Klasse. Trat ein positiver Fall auf, musste der Schüler zunächst in einen gesonderte­n Raum, bis er von seinen Eltern abgeholt wurde, oder nach Zustimmung dieser allein nach Hause gehen durfte. Einige Eltern hatten sich an den das Datenschut­zzentrum gewandt, weil sie befürchtet­en, „ihre Kinder würden als ‚mit dem Coronaviru­s infiziert‘ stigmatisi­ert und ein besonders schützensw­ertes Gesundheit­sdatum würde somit der kompletten Klassengem­einschaft bekannt gegeben“, heißt es in dem Bericht. Die Datenschüt­zer aber verweisen auf die Möglichkei­t, „den erforderli­chen Testnachwe­is in der Schule auch durch einen Nachweis aus einem anerkannte­n Testzentru­m zu erbringen“. Deswegen sei die klassenwei­se Testung in der Schule datenschut­zrechtlich nicht zu beanstande­n.

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SYMBOLFOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Beim Arbeiten im Homeoffice sind bestimmte Vorschrift­en zu beachten, nicht alles ist erlaubt.

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