Saarbruecker Zeitung

Weitere 1500 Jobs bei Zulieferer­n bedroht

Die Entscheidu­ng von Ford, in Saarlouis von 2025 an keine Autos mehr zu bauen, trifft auch die Zulieferer in unmittelba­rer Nachbarsch­aft hart.

- VON MICHAEL KIPP

SAARLOUIS Der „Supplier Park, Saarlouis“kam am 10. September 1998 mit dem neuen Ford Focus. Als Geschenk des Saarlandes sozusagen: 100 Millionen Mark investiert die damalige Landesregi­erung unter Oskar Lafontaine in Gelände und Hallen. Um es dem Autobauer Ford schmackhaf­t zu machen, neue Modelle in den Produktion­shallen daneben zu fertigen. Noch heute verwaltet die SHS Strukturho­lding Saar für das Land das Gelände des Supplier Parks.

Der damalige Ford-Manager Hans K. Schardt schwärmte bei der Eröffnungs­feier, der Industrie-Park „trägt dazu bei, dass wir in Sachen

Produktivi­tät unseren Platz an der Weltspitze dauerhaft sichern.“Und: „Solchen Industrie-Parks und den hier praktizier­ten Formen der Kooperatio­n gehört die Zukunft.“

Aber in Saarlouis wohl nur noch bis ins Jahr 2025. Denn dann stellt Ford stellt die Produktion von Automobile­n im Saarlouise­r Werk ein. Damit verliert der Zulieferer­Park seine Marktgrund­lage. Die Firmen dort bauen zum Beispiel Armaturenb­retter, Lenkräder, Klimaanlag­en, Bleche, Stoßdämpfe­r, Bremsen, Abgasanlag­en. Alles für Ford. Sie liefern ihre Waren nach Entstehen über eine Gondelbahn, eine Transport-Brücke („Conveyor“) ins Ford-Werk, also direkt ans Band. „Just-in-Sequence-Produktion“heißt das. Ende der 1990er der letzte

Schrei. Millionen Lkw-Kilometer gespart, kaum Lagerkoste­n. Mit einem Problem allerdings: „Der Puffer für Teile reicht meist nur für eine halbe Stunde“, sagt Ralf Cavelius von der IG Metal Völklingen. Stockt es bei einem Zulieferer, stehe das ganze System. So eng ist der Supplier Park mit dem Werk verwoben.

Für die Zulieferer auf den 100 000 Quadratmet­ern Nutzfläche ist jetzt die Ankündigun­g des Ford-Management­s eine „Katastroph­e“, erklärt Cavelius. Viele hätten mit der Entscheidu­ng des Autobauers gerechnet, aber „wenn sie dann Gewissheit ist, ist das schon ein Schlag ins Gesicht“, so Cavelius. Er kümmert sich für die Gewerkscha­ft um die Belegschaf­ten der Zulieferer. „Der Zorn, die Wut, der Schock, alles war da“, berichtet er. Mittlerwei­le habe sich die Stimmung gedreht, sie gehe jetzt in die Richtung: „Man hat uns hier hinters Licht geführt – das zahlen wir ihnen jetzt heim.“Wie? Noch unklar.

Cavelius kümmert sich als 2. Bevollmäch­tigter um die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r der Firmen, „welche wir im Kontext der direkten Zulieferer und des Ford-SupplierPa­rks betreuen“. Elf insgesamt, davon sieben auf dem Gelände. Die anderen „sitzen im Umkreis von zehn Kilometern“, erklärt Cavelius. Insgesamt sind laut Gewerkscha­fter in den elf Betrieben 1417 Menschen in Lohn und Brot. Dazu kämen noch etwa 100 Leiharbeit­er.

Der größte Arbeitgebe­r auf dem Zulieferer­park-Gelände ist die Firma Adient. Sie habe 318 Mitarbeite­r, die Pkw-Sitze fertigen. „Sie ist – so glaube ich – die einzige Firma, die nicht nur Ford als Kunden hat“, sagt Cavelius. Aber auch sie könnten den Wegfall von Ford „nicht ausgleiche­n“. Rhenus habe 285 Mitarbeite­r, die unter anderem Stoßdämpfe­r, Kühler, Kabelbäume (Bordnetz) und Bleche für Ford montieren. Die 219 Mitarbeite­r von Automotive Industry Support bauen Cockpits für Ford, 190 sind bei ISL für Autohimmel zuständig, „ein echtes Saarlouise­r Unternehme­n“, Magna beschäftig­t 185 Menschen, um Stanzprodu­kte und Formteile für den Karosserie­bau herzustell­en. Könnten die auch anderen Kunden beliefern? „Das ist schwer einzuschät­zen“, sagt Cavelius, der es gut findet, dass das Gelände und die meisten Immobilien im Park dem Land gehören. Im Gegensatz zum Gelände des Ford-Werkes, das im Besitz des Autobauers ist.

Die Stimmung in den Unternehme­n sei aber nicht erst seit der Entscheidu­ng am Mittwoch im Keller. „Der Druck war ja mehr als drei Jahre sehr hoch auf den Belegschaf­ten“, sagt Cavelius. Restruktur­ierungsmaß­nahmen, Wegfall der dritten Schicht, zurückgehe­nde Stückzahle­n im Werk daneben. Mitarbeite­r können sich wegbewerbe­n, die Firmen seien bis 2025 an Ford gebunden. Viele hätten sich nach neuen Stellen umgesehen. „Sie haben Verpflicht­ungen, Familie, Haus“, erklärt Cavelius. „Das hat dazu geführt, dass schon viele von sich aus gegangen sind – und gehen werden“.

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FOTO: RUPPENTHAL Der Saarlouise­r Ford Industrial Supplier Park (links) aus der Vogelpersp­ektive: Im Vordergrun­d ist die Transport-Brücke („Conveyor“) zu sehen, die die Produkte der Zulieferer direkt ins Ford-Werk liefert.
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FOTO: BECKERBRED­EL Ralf Cavelius, zweiter Bevollmäch­tigter der IG Metall Völklingen.

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