Weitere 1500 Jobs bei Zulieferern bedroht
Die Entscheidung von Ford, in Saarlouis von 2025 an keine Autos mehr zu bauen, trifft auch die Zulieferer in unmittelbarer Nachbarschaft hart.
SAARLOUIS Der „Supplier Park, Saarlouis“kam am 10. September 1998 mit dem neuen Ford Focus. Als Geschenk des Saarlandes sozusagen: 100 Millionen Mark investiert die damalige Landesregierung unter Oskar Lafontaine in Gelände und Hallen. Um es dem Autobauer Ford schmackhaft zu machen, neue Modelle in den Produktionshallen daneben zu fertigen. Noch heute verwaltet die SHS Strukturholding Saar für das Land das Gelände des Supplier Parks.
Der damalige Ford-Manager Hans K. Schardt schwärmte bei der Eröffnungsfeier, der Industrie-Park „trägt dazu bei, dass wir in Sachen
Produktivität unseren Platz an der Weltspitze dauerhaft sichern.“Und: „Solchen Industrie-Parks und den hier praktizierten Formen der Kooperation gehört die Zukunft.“
Aber in Saarlouis wohl nur noch bis ins Jahr 2025. Denn dann stellt Ford stellt die Produktion von Automobilen im Saarlouiser Werk ein. Damit verliert der ZuliefererPark seine Marktgrundlage. Die Firmen dort bauen zum Beispiel Armaturenbretter, Lenkräder, Klimaanlagen, Bleche, Stoßdämpfer, Bremsen, Abgasanlagen. Alles für Ford. Sie liefern ihre Waren nach Entstehen über eine Gondelbahn, eine Transport-Brücke („Conveyor“) ins Ford-Werk, also direkt ans Band. „Just-in-Sequence-Produktion“heißt das. Ende der 1990er der letzte
Schrei. Millionen Lkw-Kilometer gespart, kaum Lagerkosten. Mit einem Problem allerdings: „Der Puffer für Teile reicht meist nur für eine halbe Stunde“, sagt Ralf Cavelius von der IG Metal Völklingen. Stockt es bei einem Zulieferer, stehe das ganze System. So eng ist der Supplier Park mit dem Werk verwoben.
Für die Zulieferer auf den 100 000 Quadratmetern Nutzfläche ist jetzt die Ankündigung des Ford-Managements eine „Katastrophe“, erklärt Cavelius. Viele hätten mit der Entscheidung des Autobauers gerechnet, aber „wenn sie dann Gewissheit ist, ist das schon ein Schlag ins Gesicht“, so Cavelius. Er kümmert sich für die Gewerkschaft um die Belegschaften der Zulieferer. „Der Zorn, die Wut, der Schock, alles war da“, berichtet er. Mittlerweile habe sich die Stimmung gedreht, sie gehe jetzt in die Richtung: „Man hat uns hier hinters Licht geführt – das zahlen wir ihnen jetzt heim.“Wie? Noch unklar.
Cavelius kümmert sich als 2. Bevollmächtigter um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Firmen, „welche wir im Kontext der direkten Zulieferer und des Ford-SupplierParks betreuen“. Elf insgesamt, davon sieben auf dem Gelände. Die anderen „sitzen im Umkreis von zehn Kilometern“, erklärt Cavelius. Insgesamt sind laut Gewerkschafter in den elf Betrieben 1417 Menschen in Lohn und Brot. Dazu kämen noch etwa 100 Leiharbeiter.
Der größte Arbeitgeber auf dem Zuliefererpark-Gelände ist die Firma Adient. Sie habe 318 Mitarbeiter, die Pkw-Sitze fertigen. „Sie ist – so glaube ich – die einzige Firma, die nicht nur Ford als Kunden hat“, sagt Cavelius. Aber auch sie könnten den Wegfall von Ford „nicht ausgleichen“. Rhenus habe 285 Mitarbeiter, die unter anderem Stoßdämpfer, Kühler, Kabelbäume (Bordnetz) und Bleche für Ford montieren. Die 219 Mitarbeiter von Automotive Industry Support bauen Cockpits für Ford, 190 sind bei ISL für Autohimmel zuständig, „ein echtes Saarlouiser Unternehmen“, Magna beschäftigt 185 Menschen, um Stanzprodukte und Formteile für den Karosseriebau herzustellen. Könnten die auch anderen Kunden beliefern? „Das ist schwer einzuschätzen“, sagt Cavelius, der es gut findet, dass das Gelände und die meisten Immobilien im Park dem Land gehören. Im Gegensatz zum Gelände des Ford-Werkes, das im Besitz des Autobauers ist.
Die Stimmung in den Unternehmen sei aber nicht erst seit der Entscheidung am Mittwoch im Keller. „Der Druck war ja mehr als drei Jahre sehr hoch auf den Belegschaften“, sagt Cavelius. Restrukturierungsmaßnahmen, Wegfall der dritten Schicht, zurückgehende Stückzahlen im Werk daneben. Mitarbeiter können sich wegbewerben, die Firmen seien bis 2025 an Ford gebunden. Viele hätten sich nach neuen Stellen umgesehen. „Sie haben Verpflichtungen, Familie, Haus“, erklärt Cavelius. „Das hat dazu geführt, dass schon viele von sich aus gegangen sind – und gehen werden“.