Was sind eigentlich „Grumbeere“?
Die MiNet Saar-Stadtrallye für Migrantinnen führte am Samstag von der Frauengenderbibliothek über den St. Johanner Markt bis zum Ludwigsplatz. Spaß stand im Vordergrund, die Saarbrücker Neubürgerinnen lernten dabei aber auch eine ganze Menge über ihre neue Heimatstadt.
SAARBRÜCKEN Welche Farbe die Ludwigskirche innen hat? Die Frage war selbst für Ioana Andreeva leicht, zu leicht sogar. Die Frage, was ein Kilo Kartoffeln kostet, war für sie einerseits sehr leicht, andererseits schwer. „Da stand ‚ Grumbeere‘, das Wort kannte ich nicht“, sagte Andreeva und musste lachen. „Aber da hat mir Katrin dann geholfen“.
18 Aufgaben galt es am Samstag bei der „MiNet-Stadtrallye“zu lösen. Die Rallye, an der sich Ioana Andreeva und Katrin Feld als „Team Schulze-Kathrin“beteiligten, führte – zu Fuß – von der Frauengenderbibliothek, die die ganze Sache veranstaltete, über den St. Johanner Markt zum Schlossplatz und zum Ludwigsplatz, bevor sich die Teams nach rund eineinhalb Stunden zur Auswertung im Café am Cora-Eppstein-Platz trafen.
MiNet-Stadtrallye hieß sie, weil sie sich an Teilnehmerinnen des Mentoring-Netzwerks für Migrantinnen Saar und an solche, die es noch werden wollen, richtete. Dieses Netzwerk, abgekürzt MiNet Saar genannt, soll Akademikerinnen, die als Neubürgerinnen in Saarbrücken ankommen, helfen, hier beruflich Fuß zu fassen, indem sie ihnen gestandene berufstätige Frauen, die sich der Berufswelt gut auskennen, als ehrenamtliche Mentorin zur Seite stellt. Mit der Stadtrallye wollte die Frauengenderbibliothek den Frauen eine Möglichkeit bieten, die Stadt besser kennenzulernen, mit anderen Frauen ins Gespräch zu kommen und dabei noch die deutsche Sprache anwenden zu können.
Ioana Andreeva und Katrin Feld, die sich erst bei der Rallye kennenlernten, bildeten da ein ideales Team. Feld ist gebürtige Saarländerin und lebt in Saarlouis. Die Bulgarin Andreeva, die 18 Jahre lang als Bibliothekarin in einer Uni-Bibliothek in Sofia arbeitete, ist zwar erst vor ein paar Jahren nach Saarbrücken gezogen und wohnt mitten im Stadtzentrum. „Ich gehe gern spazieren, ich kenne die Stadt, mein Hobby ist außerdem Fotografieren“, sagt sie. Das heißt, sie hält stets die Augen offen und schaut genau hin. Natürlich kannte sie die drei Plätze, die die Rallye-Teams ansteuern sollten, gut.
Die Aufgabenzettel, die Eva Nita, Projektleiterin von MiNet, und zwei Mentorinnen des Organisationsteams, erstellt hatten, erhielten außerdem jeweils auf einer Seite zusammengefasst die wichtigsten Informationen zur Geschichte der drei
Plätze. „Ich habe ganz viel über die Stadt gelernt, Ioana hat mir viel gezeigt, was ich nicht kannte, und ich habe ihr viel über die Kultur erzählen können“, sagt Katrin Feld über die fruchtbare Zusammenarbeit.
Doch manche Fragen waren eben so knifflig, die könnten sogar Ur-Saarbrücker ohne Google-Hilfe kaum beantworten. Zum Beispiel: Woher hat das Gasthaus Zum Stiefel seinen Namen?
Das war auch für das „Team Bertha-Bruch“, in dem Nour Alhalabi mitmachte, nicht zu lösen. Die Libanesin, die nach dem Jura- und Journalistik-Studium in Beirut als Redakteurin bei einer Tageszeitung und in einem Verlag gearbeitet hat, lebt seit sechs Jahren in Saarbrücken. „Ich lese immer sehr viel über die Kultur und Geschichte der Orte, an denen ich bin“, sagt sie. Aber die Stiefel-Frage und die nach der Bedeutung und Herkunft des Steins mit der Aufschrift vor der Brasserie in der Fröschengasse waren einfach zu speziell. Selbst Passanten vor der Kneipe, die sie gefragt hatten, wussten es nicht, sagt Alhalabis TeamKollegin Isabel Thät, nachdem Raphaela Adam die Lösung nennt: Der Stein sei ein Wegweiser aus der Franzosenzeit.
Während die Studentin Isabel Thät, die aus der Nähe von Aachen stammt, noch keine Mentorin ist, es sich aber gut vorstellen könnte, es nach ihrem Abschluss einmal zu werden, sind Lisa Schmitt und Raphaela Adam, die sich die Fragen ausgedacht haben, schon seit vielen Jahren als Mentorinnen bei MiNet Saar aktiv.
„Man denkt ja immer, wir als Mentorin sind dafür da, den Mentees etwas beizubringen, aber ganz oft ist einfach das Gegenteil der Fall“, sagt Raphaela Adam, hauptberuflich Wirtschaftsförderin, über ihre ehrenamtliche Erfahrung bei MiNet. „Ich habe in jedem Mentoring etwas dazu gelernt, etwa über die Kultur in einem anderen Land. Manchmal sind es auch Dinge wie Durchhaltevermögen. Wir Deutschen neigen ja sehr zum Jammern auf hohem Niveau. Wenn man sich dann anguckt, wie schwer es ist, sich als Migrantin hier durchzubeißen, um beruflich noch einmal dahin zu kommen, wo man im Heimatland schon mal war. Da ziehe ich den Hut davor.“
Auch Ioana Andreeva und Nour
Alhalabi sind in ihrer neuen Heimat noch lange nicht wieder dort angekommen, wo sie beruflich einmal standen. „Ich denke aber, die Mitarbeit als Mentee in dem Projekt MiNet verbessert mein Deutsch sehr“, sagt Andreeva zuversichtlich.
Und Alhalabi steuert zur Auswertung der Rallye, bei der ja der Spaß im Vordergrund stehen soll, zum Schluss noch eine recht überraschende Erkenntnis bei. Als sie in der Kappengasse den Preis für ein Pfund „Saarvoir“in der Kaffeerösterei Comame herausfinden sollten, habe sie sich über den Namen der Rösterei doch sehr gewundert, erzählt die Libanesin. Der Grund: „Auf Arabisch bedeutet Comame eigentlich Müll“. Ob das schon mal jemand den Inhabern verraten hat?