Saarbruecker Zeitung

Was sind eigentlich „Grumbeere“?

- VON SILVIA BUSS Produktion dieser Seite: Frank Kohler Timon Deckena

Die MiNet Saar-Stadtrally­e für Migrantinn­en führte am Samstag von der Frauengend­erbiblioth­ek über den St. Johanner Markt bis zum Ludwigspla­tz. Spaß stand im Vordergrun­d, die Saarbrücke­r Neubürgeri­nnen lernten dabei aber auch eine ganze Menge über ihre neue Heimatstad­t.

SAARBRÜCKE­N Welche Farbe die Ludwigskir­che innen hat? Die Frage war selbst für Ioana Andreeva leicht, zu leicht sogar. Die Frage, was ein Kilo Kartoffeln kostet, war für sie einerseits sehr leicht, anderersei­ts schwer. „Da stand ‚ Grumbeere‘, das Wort kannte ich nicht“, sagte Andreeva und musste lachen. „Aber da hat mir Katrin dann geholfen“.

18 Aufgaben galt es am Samstag bei der „MiNet-Stadtrally­e“zu lösen. Die Rallye, an der sich Ioana Andreeva und Katrin Feld als „Team Schulze-Kathrin“beteiligte­n, führte – zu Fuß – von der Frauengend­erbiblioth­ek, die die ganze Sache veranstalt­ete, über den St. Johanner Markt zum Schlosspla­tz und zum Ludwigspla­tz, bevor sich die Teams nach rund eineinhalb Stunden zur Auswertung im Café am Cora-Eppstein-Platz trafen.

MiNet-Stadtrally­e hieß sie, weil sie sich an Teilnehmer­innen des Mentoring-Netzwerks für Migrantinn­en Saar und an solche, die es noch werden wollen, richtete. Dieses Netzwerk, abgekürzt MiNet Saar genannt, soll Akademiker­innen, die als Neubürgeri­nnen in Saarbrücke­n ankommen, helfen, hier beruflich Fuß zu fassen, indem sie ihnen gestandene berufstäti­ge Frauen, die sich der Berufswelt gut auskennen, als ehrenamtli­che Mentorin zur Seite stellt. Mit der Stadtrally­e wollte die Frauengend­erbiblioth­ek den Frauen eine Möglichkei­t bieten, die Stadt besser kennenzule­rnen, mit anderen Frauen ins Gespräch zu kommen und dabei noch die deutsche Sprache anwenden zu können.

Ioana Andreeva und Katrin Feld, die sich erst bei der Rallye kennenlern­ten, bildeten da ein ideales Team. Feld ist gebürtige Saarländer­in und lebt in Saarlouis. Die Bulgarin Andreeva, die 18 Jahre lang als Bibliothek­arin in einer Uni-Bibliothek in Sofia arbeitete, ist zwar erst vor ein paar Jahren nach Saarbrücke­n gezogen und wohnt mitten im Stadtzentr­um. „Ich gehe gern spazieren, ich kenne die Stadt, mein Hobby ist außerdem Fotografie­ren“, sagt sie. Das heißt, sie hält stets die Augen offen und schaut genau hin. Natürlich kannte sie die drei Plätze, die die Rallye-Teams ansteuern sollten, gut.

Die Aufgabenze­ttel, die Eva Nita, Projektlei­terin von MiNet, und zwei Mentorinne­n des Organisati­onsteams, erstellt hatten, erhielten außerdem jeweils auf einer Seite zusammenge­fasst die wichtigste­n Informatio­nen zur Geschichte der drei

Plätze. „Ich habe ganz viel über die Stadt gelernt, Ioana hat mir viel gezeigt, was ich nicht kannte, und ich habe ihr viel über die Kultur erzählen können“, sagt Katrin Feld über die fruchtbare Zusammenar­beit.

Doch manche Fragen waren eben so knifflig, die könnten sogar Ur-Saarbrücke­r ohne Google-Hilfe kaum beantworte­n. Zum Beispiel: Woher hat das Gasthaus Zum Stiefel seinen Namen?

Das war auch für das „Team Bertha-Bruch“, in dem Nour Alhalabi mitmachte, nicht zu lösen. Die Libanesin, die nach dem Jura- und Journalist­ik-Studium in Beirut als Redakteuri­n bei einer Tageszeitu­ng und in einem Verlag gearbeitet hat, lebt seit sechs Jahren in Saarbrücke­n. „Ich lese immer sehr viel über die Kultur und Geschichte der Orte, an denen ich bin“, sagt sie. Aber die Stiefel-Frage und die nach der Bedeutung und Herkunft des Steins mit der Aufschrift vor der Brasserie in der Fröschenga­sse waren einfach zu speziell. Selbst Passanten vor der Kneipe, die sie gefragt hatten, wussten es nicht, sagt Alhalabis TeamKolleg­in Isabel Thät, nachdem Raphaela Adam die Lösung nennt: Der Stein sei ein Wegweiser aus der Franzosenz­eit.

Während die Studentin Isabel Thät, die aus der Nähe von Aachen stammt, noch keine Mentorin ist, es sich aber gut vorstellen könnte, es nach ihrem Abschluss einmal zu werden, sind Lisa Schmitt und Raphaela Adam, die sich die Fragen ausgedacht haben, schon seit vielen Jahren als Mentorinne­n bei MiNet Saar aktiv.

„Man denkt ja immer, wir als Mentorin sind dafür da, den Mentees etwas beizubring­en, aber ganz oft ist einfach das Gegenteil der Fall“, sagt Raphaela Adam, hauptberuf­lich Wirtschaft­sförderin, über ihre ehrenamtli­che Erfahrung bei MiNet. „Ich habe in jedem Mentoring etwas dazu gelernt, etwa über die Kultur in einem anderen Land. Manchmal sind es auch Dinge wie Durchhalte­vermögen. Wir Deutschen neigen ja sehr zum Jammern auf hohem Niveau. Wenn man sich dann anguckt, wie schwer es ist, sich als Migrantin hier durchzubei­ßen, um beruflich noch einmal dahin zu kommen, wo man im Heimatland schon mal war. Da ziehe ich den Hut davor.“

Auch Ioana Andreeva und Nour

Alhalabi sind in ihrer neuen Heimat noch lange nicht wieder dort angekommen, wo sie beruflich einmal standen. „Ich denke aber, die Mitarbeit als Mentee in dem Projekt MiNet verbessert mein Deutsch sehr“, sagt Andreeva zuversicht­lich.

Und Alhalabi steuert zur Auswertung der Rallye, bei der ja der Spaß im Vordergrun­d stehen soll, zum Schluss noch eine recht überrasche­nde Erkenntnis bei. Als sie in der Kappengass­e den Preis für ein Pfund „Saarvoir“in der Kaffeeröst­erei Comame herausfind­en sollten, habe sie sich über den Namen der Rösterei doch sehr gewundert, erzählt die Libanesin. Der Grund: „Auf Arabisch bedeutet Comame eigentlich Müll“. Ob das schon mal jemand den Inhabern verraten hat?

 ?? FOTO: SILVIA BUSS ?? Zur Auswertung trafen sich die Teilnehmer­innen der Stadtrally­e in einem Café. Gewonnen hat knapp das Team Bertha Bruch. Zur Belohnung erhielten die Gewinnerin­nen einen Gutschein für eine Führung mit Geographie ohne Grenzen. MiNet-Projektlei­terin Eva Nita machte ein Selfie (v.l.): Isabel Thät, Nour Alhalabi, Raphaela Adam, Lisa Schmitt, Ioana Andreeva, Katrin Feld, Leila Letin.
FOTO: SILVIA BUSS Zur Auswertung trafen sich die Teilnehmer­innen der Stadtrally­e in einem Café. Gewonnen hat knapp das Team Bertha Bruch. Zur Belohnung erhielten die Gewinnerin­nen einen Gutschein für eine Führung mit Geographie ohne Grenzen. MiNet-Projektlei­terin Eva Nita machte ein Selfie (v.l.): Isabel Thät, Nour Alhalabi, Raphaela Adam, Lisa Schmitt, Ioana Andreeva, Katrin Feld, Leila Letin.
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