Saarbruecker Zeitung

Mit viel Geduld zum „Wimbledon-Moment“

Angelique Kerber und Oscar Otte sind die deutschen Hoffnungst­räger beim dritten Grand-Slam-Turnier.

-

LONDON (sid) Wenn Angelique Kerber die schweren Eisentore an der Church Road passiert und das Allerheili­gste des Tennisspor­ts betritt, erwachen die Erinnerung­en. Das ist dieser „Wimbledon-Moment“, sagt sie, in dem alles plötzlich wieder da ist. Die großen Siege gegen Serena oder Venus Williams, der Triumph 2018, die Erfüllung ihres Kindheitst­raums. Aber auch die bitteren Niederlage­n. Die Rückschläg­e in ihrer Karriere, sagt Kerber, haben all ihre Erfolge erst ermöglicht.

Mit Niederlage­n kennen sich alle Tennisspie­ler aus, besonders gut die Mitläufer in den Niederunge­n der Tour. Zu denen gehörte ein halbes Profileben lang der Kölner Oscar Otte – bis zu seinem steilen Aufstieg, der ihn in die Setzliste von Wimbledon geführt hat. Neben Kerber (34) ist Otte (28) in diesem Jahr die deutsche Hoffnung beim Rasenklass­iker im Londoner Südwesten, beide starten an diesem Montag ins Turnier.

„Ich habe jahrelang gewartet, in dieser Situation zu sein“, sagt Otte zu seinem neuen Status. Im All England Club ist er die deutsche Nummer eins – Olympiasie­ger Alexander Zverev fehlt verletzt. Auch durch den Ausschluss der Russen gehört Otte, vor zwölf Monaten noch Qualifikan­t, plötzlich zur Elite. Die Halbfinals in Stuttgart und Halle haben ihm Respekt verschafft. „Es kann schon sein, dass sich der eine oder andere vielleicht gefreut hat, dass ich jetzt gesetzt bin“, sagt er.

Die Auslosung durfte er „ein bisschen entspannte­r“verfolgen, auf die großen Favoriten Novak Djokovic oder Rafael Nadal kann Otte erst später treffen. Zum Auftakt wartet sein Kumpel Peter Gojowczyk, „auch nicht so einfach“, meint er und schätzt die Erstrunden­hürde damit ähnlich wie Kerber ein. Ihre Gegnerin Kristina Mladenovic aus

Frankreich, eine mit mehreren Grand-Slam-Titeln dekorierte Doppel-Expertin, wisse „genau, wie man auf den großen Plätzen spielt“, sagt Kerber. Dennoch ist die Kielerin in diesem Match die große Favoritin, auch wenn die Generalpro­be in Bad Homburg mit dem Aus im Viertelfin­ale nicht nach Wunsch verlief. „Die Grand Slams haben ihre eigenen Regeln“, sagt sie. Wimbledon ist ohnehin anders. Nicht nur in diesem Jahr ohne Russen, Belarussen sowie Weltrangli­stenpunkte, die dem ältesten Tennisturn­ier der Welt nach der vieldiskut­ierten Entscheidu­ng, Profis aus Russland und Belarus auszusperr­en, entzogen wurden.

Kerber und Otte: Auf den ersten Blick völlig unterschie­dliche Profis, die dennoch viel gemeinsam haben. Beide betonen vor dem Start die harte Arbeit, die hinter ihren Erfolgen steckt. „Ich habe Wimbledon nicht in zwei Wochen gewonnen, sondern über zwölf, 13 Jahre“, sagt Kerber. Otte erinnert sich noch gut „an andere Zeiten, an ein anderes Ranking“. Auch bis zu seinem Aufstieg in die Setzliste von Wimbledon vergingen Jahre – mit unzähligen Niederlage­n und Rückschläg­en.

Als erster Deutscher trifft an diesem Montag der Nürnberger Maximilian Marterer ab 12 Uhr auf den Slowenen Aljaz Bedene. Ab 14 Uhr fordert Jan-Lennard Struff ( Warstein) Spaniens Wunderkind Carlos Alcaraz heraus, der in Wimbledon an Nummer fünf gesetzt ist. Kerber spielt direkt im Anschluss an Struff auf Court 1, Otte und Gojowczyk werden nicht vor 16 Uhr beginnen.

Der mit Spannung erwartete erste Auftritt von US-Legende Serena Williams gegen die Französin Harmony Tan ist für den Dienstag angesetzt. Die 40 Jahre alte Williams feiert in Wimbledon ihr Einzel-Comeback nach einem Jahr Pause.

 ?? FOTO: INDERLIED/DPA ?? Oscar Otte hat sich in den vergangene­n Monaten in den Vordergrun­d gespielt und ist in Wimbledon überrasche­nd sogar gesetzt.
FOTO: INDERLIED/DPA Oscar Otte hat sich in den vergangene­n Monaten in den Vordergrun­d gespielt und ist in Wimbledon überrasche­nd sogar gesetzt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany