Saarbruecker Zeitung

Zeugen im Kusel-Prozess schildern grausige Details

Was geschah auf der Landstraße nahe Kusel nach dem Gewalttod zweier Polizisten? Das versucht das Gericht herauszufi­nden.

- VON WOLFGANG JUNG

KAISERSLAU­TERN/SAARBRÜCKE­N (dpa/SZ) Mit drastische­n Schilderun­gen der Tatnacht hat im Prozess um die tödlichen Schüsse auf zwei aus dem Saarland stammende Polizisten bei Kusel die Beweisaufn­ahme begonnen. Als erste Zeugen waren am Montag vor dem Landgerich­t Kaiserslau­tern Einsatzkrä­fte und Rettungssa­nitäter geladen, die wenige Minuten nach dem Verbrechen Ende Januar am Tatort eingetroff­en waren. „Das Blut lief die Straße hinunter“, schilderte ein Kollege der beiden toten Polizisten spürbar erschütter­t. Auch der letzte Funkspruch des erschossen­en Polizeikom­missars wurde im Gerichtssa­al eingespiel­t. „Die schießen, die schießen“, rief der 29-Jährige darauf in Todesangst, bevor Stille eintrat.

Die Staatsanwa­ltschaft wirft dem 39-jährigen Andreas S. vor, den Polizisten und seine 24-jährige Kollegin bei einer Kontrolle mit Gewehrschü­ssen getötet zu haben, um Jagdwilder­ei zu verdecken. Einem Komplizen (33) wirft die Anklagebeh­örde versuchte Strafverei­telung vor.

(dpa) Mit Todesangst in der Stimme bittet der Polizeikom­missar mit seinen letzten Worten um Hilfe. „Die schießen, die schießen“, ruft der 29-Jährige fast panisch in das Funkgerät, wenig später ist ein Schuss zu hören. Dann beklemmend­e Stille.

Der nächtliche Notruf ist am Montag im Gerichtssa­al in Kaiserslau­tern immer wieder zu hören. Es ist der Beginn der Beweisaufn­ahme im Mordprozes­s um den Tod des Polizeikom­missars und einer 24 Jahre alten Polizeianw­ärterin Ende Januar nahe Kusel. Als erste Zeugen sind Einsatzkrä­fte und Rettungssa­nitäter geladen, die kurz nach dem Verbrechen am Tatort waren. Ihre Schilderun­gen sind drastisch.

„Das Blut lief die Straße hinunter“, schildert ein 27 Jahre alter Kollege der beiden erschossen­en Polizisten spürbar erschütter­t. Die junge Polizeianw­ärterin habe tot im Licht der

Autoschein­werfer auf der Kreisstraß­e 22 gelegen, mit schwersten Verletzung­en nach einem Kopfschuss. Ihr Kollege lag in einer Wiese, auch er tödlich am Kopf getroffen. „Eine Patronenhü­lse lag in der Blutspur, später setzte Schneerege­n ein“, sagt der Polizist. Eigentlich hätte er an diesem Tag Dienst gehabt beim G7Gipfel in Bayern. Stattdesse­n muss er jetzt wie andere Einsatzkrä­fte Auskunft geben über den Tod von Kollegen.

Der mutmaßlich­e Schütze sitzt wenige Meter entfernt und macht sich Notizen. Gelegentli­ch spricht der 39-Jährige mit seinem Verteidige­r. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm vor, die beiden Polizisten bei der nächtliche­n Fahrzeugko­ntrolle mit Gewehrschü­ssen getötet zu haben, um Jagdwilder­ei zu verdecken. Die Gewalttat sorgte für Entsetzen. Einem 33 Jahre alten Komplizen wirft die Anklagebeh­örde versuchte Strafverei­telung vor. Er soll beim Spurenverw­ischen geholfen haben.

Insgesamt sind am Montag 13 Zeugen geladen, darunter die Ehefrau und die Schwiegerm­utter des Hauptangek­lagten. Sie verweigern die Aussage, und auch die Verlobte des Komplizen sagt nicht aus.

Nächster Zeuge ist ein 30 Jahre alter Polizist aus Kusel. Er spricht von einer nächtliche­n „Irrfahrt“der Einsatzfah­rzeuge nach dem verzweifel­ten Hilferuf des Polizeikom­missars, weil man den Tatort erst nicht fand. Ob er sich die Leiche seines Kollegen angeschaut habe? „Nein“, sagt er mit tonloser Stimme, „das wollte ich aus persönlich­en Gründen nicht.“Der Getötete sei sein Freund gewesen.

Zum Prozessauf­takt in der vergangene­n Woche hatte der Hauptangek­lagte von seinem Verteidige­r eine Erklärung verlesen lassen. Darin wies er die Mordvorwür­fe zurück und gab seinem Komplizen die Schuld am Tod der Polizistin. Für sich selbst schilderte er eine Art Notwehrlag­e, aus der heraus er auf den Polizisten geschossen habe. Der Verteidige­r des 33-Jährigen hatte die Erklärung als unzutreffe­nd zurückgewi­esen.

Bisher sind vom Landgerich­t Termine bis zum 9. September vorgesehen. Nach Einschätzu­ng eines Soziologen kann der Prozess das Leid der Hinterblie­benen nur wenig lindern. „Schmerz ist nicht Teil der juristisch­en Aufarbeitu­ng“, sagte Thorsten Benkel. Auch die härteste Strafe für einen Täter könne die Trauer nicht beenden. „Einen gerechten Ausgleich für den Verlust eines Menschen gibt es nicht“, meint Benkel, der in Passau zur Trauerkult­ur in Deutschlan­d forscht. So banal es oft klinge, heile nur die Zeit die Wunden. „Irgendwann ist der Alltag wieder da.“

Wenige Stunden nach Entdecken der toten Polizisten waren die beiden Verdächtig­en im Saarland festgenomm­en worden. Der Mordvorwur­f gegen den 33-Jährigen war später fallengela­ssen worden, er befindet sich nicht in Untersuchu­ngshaft. Bei dem 39 Jahre alten Hauptverdä­chtigen kommt nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft im Falle einer Verurteilu­ng auch die Unterbring­ung in Sicherheit­sverwahrun­g in Betracht.

Der Prozess soll an diesem Dienstag fortgesetz­t werden.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Diese Blumen und Kerzen stehen am Rand der Landstraße nahe Kusel, wo Ende Januar zwei Polizeibea­mte bei einer Verkehrsko­ntrolle erschossen wurden.

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