„Ein großes Versprechen“erzählt vom Altern einer Beziehung
Nach der Pensionierung eines Mannes gerät seine Ehe in eine Krise , weil sich die Krankheit der Frau verschlimmert. Stoff für starken Film, der auch in Saarbrücken läuft.
SAARBRÜCKEN (kna) Juditha und Erik sind mehr als 30 Jahre verheiratet und lieben sich noch immer. Sie haben Tochter Sarah großgezogen und ein abwechslungsreiches Leben geführt. Als der Architekturprofessor Erik in Rente geht, hofft Juditha, dass die beiden nun endlich mehr gemeinsame Zeit verbringen können. Bisher war Judithas Multiple Sklerose jahrelang beherrschbar, sie bewegt sich geschickt mit einem Gehstock und benutzt einen Greifarm, um Geschirr aus dem Schrank zu nehmen. Doch nun schreitet die Krankheit gnadenlos voran; Juditha stürzt im Haus immer öfter und bleibt hilflos liegen.
Erik tut sich schwer mit dem neuen Dasein als Rentner und dem ständigen Zuhause-Sein. Häufig muss er einfach hinaus. Jedes Mal, wenn Juditha dann einen Notizzettel von ihm findet, ist das für sie wie ein Stich ins Herz. Sie fühlt sich oft einsam und hadert mit den Folgen ihrer Krankheit. Ein kleiner Lichtblick ist der Besuch der Tochter Sarah, die sich ein Leben in Malmö aufgebaut hat und mit Mitte 30 schwanger wird.
Als Juditha mehr und mehr an ihre körperlichen Grenzen stößt und sich zurückzieht, wächst bei Erik das Unverständnis darüber, dass sie jegliche Hilfen wie eine häusliche Pflegekraft oder einen rollbaren Toilettenstuhl ablehnt. Juditha will ihre Selbstständigkeit nicht aufgeben und nicht auf andere Menschen angewiesen sein. Überfordert von der Situation, bekommt Erik Atemnot und Panikattacken und sucht Zuspruch in einer Seniorengruppe, was bei seiner Frau auf Unverständnis stößt. Schließlich hält er es nicht mehr aus und reist nach Malmö.
Regisseurin Wendla Nölle legt mit „Ein großes Versprechen“ihren ersten langen Spielfilm vor. Das Debüt ist unübersehbar geprägt von autobiografischen Erfahrungen: Die Geschichte des Filmehepaars, die ihre Kommilitonin Greta Lorez im Drehbuch erzählt, ist angelehnt an die Geschichte von Nölles Eltern.
Wie schon in ihren Dokumentarfilmen „Make Me A Match“und „The Chosen Ones“über jüdische Identitätssuchen in New York City und Jerusalem setzt sich Nölle auch in ihrem kammerspielartig angelegten Spielfilm mit existenziellen Fragestellungen auseinander. Wie kann man im Alter ein Leben in Würde führen? Wie können Senioren ihre Liebe erhalten, wenn Ängste und Frustrationen wegen des fortschreitenden Verfalls überhandnehmen? Darf man schwerkranke Ehepartner verlassen, um selbst wieder ein selbstbestimmtes Leben führen zu können?
Nölle und Lorez nähern sich diesen Fragen mit großem Fingerspitzengefühl. Vor allem ergreifen sie nicht einseitig Partei. Vielmehr schildern sie einfühlsam die Sehnsüchte, Enttäuschungen und seelischen Nöte beider Partner, die zunehmend auseinanderdriften. Kurios wirkt es jedoch, dass die ärztliche Warnung vor einem Herzinfarkt Erik keineswegs von den Fluchten aus dem Haus und der
Das Spielfilm-Debüt der Regisseurin ist unübersehbar geprägt von autobiografischen Erfahrungen: Die Handlung ist angelehnt an die Geschichte von Nölles Eltern.
Reise nach Malmö abhält.
Bedauerlich ist, dass der Film die dramaturgischen Potenziale relevanter Nebenfiguren wie der Tochter oder eines Arbeitskollegen von Erik nicht ausschöpft. Gerade weil es sich offenbar um eine intakte und intensive Eltern-Kind-Beziehung handelt, erschließt sich nicht recht, warum Mutter und Vater angesichts des steigenden Leidensdrucks Sarah nicht stärker in die Problemlösungssuche einbinden.
Umso stärker ruht die geradlinige Inszenierung auf den Schultern der Hauptdarsteller. Dagmar Manzel und der schwedische Star Rolf Lassgard laufen in dieser konfliktreichen Konstellation zu großer Form auf. Lassgard gibt lakonisch den lebensfrohen Pensionär, der seine Frau liebt, aber immer mehr damit hadert, dass sie sich nicht helfen lassen will. Manzel versteht es, die stetig wachsende körperliche Behinderung ebenso ergreifend darzustellen wie die Scham und die Furcht vor Ohnmacht und Einsamkeit.
Die Kamera von Nikolai von Graevenitz bleibt meist nah an den Figuren, ohne ihnen zu nah auf die Pelle zu rücken. Dass der Bildgestalter fast immer aus der Hand filmt und damit den Bildkader stets in einer leichten Unruhe hält, spiegelt auf der visuellen Ebene die wachsende Verunsicherung der Protagonisten wider. Leider kann die Bildsprache des Films ansonsten mit der inhaltlichen Fallhöhe nicht mithalten.
„Ein großes Versprechen“ist im Filmhaus Saarbrücken in der Mainzer Straße 8 zu sehen. Die Termine stehen auf der Internetseite dieses Kinos. https://www.filmhaus-sb.de/ programm