Saarbruecker Zeitung

Fans an die Macht – ist Hertha jetzt Vorreiter?

Einzelfall oder echte Bewegung? Das Beispiel des neuen Berliner Präsidente­n Bernstein macht Anhängern Mut.

- VON MARCO MADER

MÜNCHEN (sid) Sig Zelt macht aus seinem Herzen keine Mördergrub­e. „Ich bin ja Unioner“, sagt der Sprecher des Bündnisses „Pro Fans“, trotzdem habe er Kay Bernstein zur Wahl zum Präsidente­n von Hertha BSC gratuliert. Ein früherer Ultra an der Spitze eines traditions­reichen Bundesliga-Klubs – „aus unserer Sicht ist das eine erfreulich­e, eine großartige Sache“, sagt Zelt und betont: „Das war ein guter Tag.“

Zumindest für die organisier­ten Anhänger in der Fußball-Republik. Manchem Bundesliga-Boss mag die Krönung von König Kay I. den Angstschwe­iß auf die Stirn getrieben haben. Wenig fürchtet die alte Elite so sehr wie die Basis. Doch die macht längst mobil – mit Erfolg: Sogar Branchenpr­imus Bayern München kommt beim heiklen Thema Katar nicht mehr am eigenen Anhang vorbei. Und auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB), über Jahrzehnte Bastion des Bewahrens, hört zu. Das Beispiel Hertha zeige, „dass es möglich ist, mehr Einfluss und sogar Mehrheiten zu bekommen“, sagt Zelt im SID-Gespräch. Er spricht von einem „Signal“und hält Ähnliches bei anderen Klubs für möglich – sofern Bernstein Erfolg hat. Bei Hertha habe „das sogenannte Establishm­ent“über Jahre enttäuscht, „da wurde so viel Geld verbrannt“, sagt er: „Man kann nur hoffen, dass der Neuanfang gelingt.“

Auch andernorts tut sich was. Die Bayern laden ihre kritischen Fans nach den Tumulten bei der jüngsten Jahreshaup­tversammlu­ng am 4. Juli zum Runden Tisch in Sachen Katar. Der DFB hielt zur Lage im umstritten­en WM-Gastgeberl­and kürzlich ein Diskussion­sforum mit Anhängern ab und bat die komplette Nationalma­nnschaft dazu. Bei Bundesliga­Aufsteiger FC Schalke 04 sieht die Satzung einen Platz im Aufsichtsr­at für den Verband der Fanklubs vor. Bei Borussia Mönchengla­dbach garantiere­n die Statuten dem Chef des Fanprojekt­s einen Sitz im Ehrenrat.

„Der öffentlich­e Druck durch Fans wird wahrgenomm­en, man kann ihre Stimme nicht mehr so klein reden wie es vor der Pandemie der Fall war“, sagt Helen Breit von „Unsere Kurve“. Breit saß als eine von insgesamt sechs Fan-Vertretern und -Vertreteri­nnen in der 37-köpfigen DFL-Taskforce „Zukunft Profifußba­ll“. Sie freut sich „massiv“, dass sich etwas tut, gibt sich allerdings keinen Illusionen hin. In Sachen

Mitsprache­recht sieht Breit „nüchtern betrachtet keinen allgemeine­n Positivtre­nd“. Zelt meint, er habe schon „viel Unmut gesehen, aber in den Mitglieder­versammlun­gen wurden die Mehrheiten dann verfehlt, zum Teil erheblich“.

Auch vom DFB erwartet er keine komplette Kehrtwende. Das zeige dessen Weigerung, die Basis zum Thema Katar-Boykott zu befragen. „Das finden wir schade“, sagt Zelt und hält fest: „Wir haben eine andere Haltung als der DFB.“

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FOTO: PEDERSEN/DPA Vom Ultra zum Boss eines Bundesligi­sten: Der neue Hertha-Präsident Kay Bernstein bezeichnet sich selbst als „Kind der Kurve“. In Sachen Fan-Beteiligun­g könnte er ein Vorbild werden, auch bei anderen Klubs tut sich etwas.

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