Die beste Idee der Ampel nimmt das schlechteste Ende
Berücksichtigt man die deutsche Behäbigkeit bei der Umsetzung von Entscheidungen und packt noch mal die gefühlte Endlosigkeit der Debatte oben drauf, dann kann man sicher davon ausgehen: Dem Neun-Euro-Ticket, das in eineinhalb Wochen ausläuft, wird erst einmal nichts folgen.
Alles andere wäre ein politisches Wunder, das auch ein vom Angebot begeisterter Kanzler nicht herbeiführen kann. Oder will.
Die Koalition hat die Chance verpasst, nach dem ersten Monat, als klar war, dass das Neun-EuroTicket ein voller Erfolg ist, sich gleich mit den Ländern an die Arbeit für eine sinnvolle Nachfolgeregelung zu machen. Dass dies nicht geschehen ist – Behäbigkeit eben. Aber wahrscheinlich war man selbst überrascht davon, wie gut das Angebot angenommen worden ist. Und wohl auch von den massiven Defiziten auf der Schiene, die durch die millionenfache Nutzung des Fahrscheins noch einmal überdeutlich geworden sind. Bahnfahren ist vielfach eine Herausforderung, übrigens auch ohne Neun-Euro-Ticket.
Die Probleme und die Zweifel werden jetzt stärker gewichtet als das Positive. Mal wieder ein Sieg der Bedenkenträger. Olaf Scholz müsste ein Machtwort sprechen, vor allem gegenüber der FDP und dem Finanzminister. Scholz müsste von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen, um „eine der besten Ideen, die wir je hatten“, so der Kanzler ungewohnt euphorisch, wie auch immer am Leben zu erhalten. Das wird er aber nicht tun. Auch Scholz weiß ja um die zusätzlichen Milliarden, die mit einer Verlängerung verbunden wären in Zeiten, wo ein Entlastungspaket dem anderen folgt. Also spricht der wenig kraftvoll wirkende Kanzler zwar starke Worte, geht aber den leichten Weg, weil er sich nicht mit seinem Vizevizekanzler Lindner und dessen Gratismentalitätsgedanken anlegen will. Nicht wegen eines Tickets. Die Ampel ist sowieso schon fragil genug.
Insofern ist das Wort von der „besten Idee“eher irreführend gewählt. Gute Ideen mottet man nicht wieder ein, sondern verfolgt sie konsequent weiter. Außerdem legt Scholz eine falsche Fährte. Schon lange weisen Experten darauf hin, dass der Nahverkehr in Deutschland zu teuer ist und die kundenunfreundlichen Strukturen den Umstieg auf Busse und Bahnen verhindern. Auch gibt es längst Ideen für mehr Attraktivität, er
wähnt sei nur das 365-Euro-Ticket, das schon mal im Gespräch war. Klar, die Ampel hat’s mit neun Euro
gemacht – legt danach aber eine Unentschlossenheit an den Tag, die fast schon schmerzt.
Dafür steht der Plan des Verkehrsministers, erst im Herbst mit den Ländern über die Ergebnisse einer Evaluierung und das weitere Vorgehen sprechen zu wollen - um
zugleich klarzumachen, bei der Finanzierung sei der Bund nicht
gefordert. Kompromissvorschläge für eine Nachfolgeregelung liegen freilich bereits auf dem Tisch, angefangen bei 29 Euro im Monat für ein regionales und 49 Euro für ein bundesweites Ticket oder aber mit dem 69-Euro-Fahrschein. Doch jeder Tag, der nach dem Ticket ohne Nachfolge ins Land geht, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die „beste Idee“der Ampel das schlechteste Ende nimmt. Und das muss sich dann auch Scholz ankreiden lassen.