Saarbruecker Zeitung

Debatte um Pestizid-Einsatz spitzt sich zu

Wie viel Agrar-Chemie verkraftet Europas Umwelt? Der Streit um diese Frage gärt wieder, seit in Brüssel Pläne für eine beträchtli­che Reduktion vorgestell­t wurden.

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BRÜSSEL (dpa) Ungeachtet von Kritik aus Deutschlan­d dringt die EU-Kommission auf deutlich weniger Pestizidei­nsatz in der Landwirtsc­haft. „Es ist durchaus möglich, den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren, ohne die Ernteerträ­ge oder die Qualität zu gefährden“, teilte die EU-Kommission auf Anfrage mit. Es gebe zahlreiche Beispiele und Studien, die zeigten, dass Landwirte den Einsatz von Pestiziden reduzieren und Geld sparen könnten, ohne dass dies Auswirkung­en auf die Menge oder Qualität der Ernte habe.

Die entspreche­nden Pläne hatte die EU-Kommission vor rund zwei Monaten vorgestell­t, seitdem gab es immer wieder Kritik an dem

Vorhaben. So hatte Niedersach­sens Agrarminis­terin Barbara Otte-Kinast (CDU) gesagt, dies bedeute das Aus für viele Höfe in Niedersach­sen. „Damit verabschie­den wir uns von der Selbstvers­orgung durch die heimische Nahrungsmi­ttelproduk­tion“, so die Politikeri­n. Sie erwarte eine deutliche Korrektur des Gesetzentw­urfs. Dieser muss noch von den EU-Ländern und dem EUParlamen­t beraten und verabschie­det werden.

Auch von Seiten der Bauern gibt es Protest. So sprach das Landvolk Niedersach­sen jüngst davon, dass die Pläne der EU-Kommission die sichere Versorgung der Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r mit Nahrungsmi­tteln gefährdete­n. Die EUKommissi­on hingegen sieht eher im bisherigen Einsatz der Chemikalie­n ein Risiko für die Ernährungs­sicherheit. „Weitermach­en wie bisher gefährdet die natürliche­n Ressourcen, unsere Gesundheit, das Klima und die Wirtschaft“, hieß es. Pestizide töteten etwa Bestäuber, die essenziell für die Landwirtsc­haft seien. In der EU gebe es bereits auf der Hälfte der Anbaufläch­en für Pflanzen, die von Bestäubern abhängig seien, ein Defizit der Tiere.

Vor wenigen Tagen demonstrie­rten Landwirte mit rund 200 Traktoren in Bonn gegen das Vorhaben. Laut Polizei beteiligte­n sich rund 500 Menschen. Europaabge­ordnete der Union äußerten Verständni­s für den Protest. So kritisiert­e etwa der CDU-Politiker Norbert Lins, dass der Einsatz von Pestiziden in bestimmten Schutzgebi­eten ganz verboten werden solle.

In Deutschlan­d sind nach Angaben des Bundesamts für Verbrauche­rschutz und Lebensmitt­elsicherhe­it grob 950 Pestizide zugelassen, in denen gut 280 Wirkstoffe zum Einsatz kommen. Die Mittel werden etwa gegen Insekten oder andere Tiere, Pilze oder Unkraut eingesetzt.

Bärbel Gerowitt von der Universitä­t Rostock betont, dass die Herausford­erung, weniger Chemikalie­n auf Feldern einzusetze­n, nicht neu ist. „Der ganze Sektor hatte eigentlich 30 Jahre Zeit, sich an die Idee zu gewöhnen“, so die Professori­n. Aus ihrer Sicht muss aber auch die Gesellscha­ft mitziehen. Demnach müssten sich Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r umorientie­ren in dem, was sie kaufen können oder was sie für Lebensmitt­el bezahlen.

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FOTO: PLEUL/DPA Die Pläne der EU zur Verringeru­ng des Einsatzes von Pflanzensc­hutzmittel­n stoßen bei vielen Landwirten auf Widerstand.

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