Saarbruecker Zeitung

Aus dem Alltag eines Drogendeal­ers

In einer Serie blicken wir auf den Cannabis-Markt im Saarland. Im dritten Teil erzählt Arthur (Name geändert), wie er mit dem Verkauf von Cannabis seinen Lebensunte­rhalt verdient. Doch geht das noch, wenn in Deutschlan­d Gras legalisier­t wird?

- VON JAKOB HARTUNG

SAARBRÜCKE­N Deutschlan­d befindet sich in einer drogenpoli­tischen Zeitenwend­e. Nach Jahrzehnte­n der Prohibitio­n will die Ampel-Regierung Cannabis legalisier­en. Die Aussicht hat den saarländis­chen Cannabis-Markt aufgewirbe­lt. Klar ist, dass sich für Konsumente­n, Händler, Polizei und Justiz einiges ändern wird. Doch wer profitiert von der neuen Politik und wem wird sie schaden?

Arthur gehört zu den Gewinnern der alten Verbotspol­itik. Es hat Monate gebraucht, um ein Treffen mit ihm zu arrangiere­n. Der Mann Mitte 20 verkauft Drogen und verdient damit seinen Lebensunte­rhalt. Wir treffen uns in der Wohnung, in der er auch seine Kunden bedient. Sie liegt an einem Ort, an dem fast jede Saarländer­in und jeder Saarländer schon einmal vorbeigela­ufen ist. Nennen dürfen wir ihn jedoch nicht. „In meinem Geschäft gilt: Dreistigke­it siegt.“Es sei am sichersten, sich möglichst auffällig zu verhalten. So wickelt er Drogenüber­gaben am liebsten in einer Gucci-Tüte auf der Bahnhofstr­aße ab.

In der kleinen Wohnung ist es dunkel, alle Rollläden sind geschlosse­n. Nur aus einem riesigen Fernseher flimmert Licht durchs Zimmer. Arthur setzt sich auf einen teuren Gaming-Stuhl, Euroschein­e liegen offen herum und in der Ecke wartet ein Staubsauge­rroboter auf seinen Einsatz. „Aktuell habe ich einen Monatsumsa­tz von 35 000 Euro, davon

bleibt mir ein Gewinn von 10 000 Euro“, sagt er. Er hat derzeit drei Wohnungen angemietet: Eine zum Verkaufen, eine als Drogenlage­r und eine zum Wohnen für sich und seine Freundin.

Arthur hat mit dem Dealen nebenbei angefangen. Vor fünf Jahren machte er noch eine Ausbildung im IT-Bereich und rauchte dabei „überdurchs­chnittlich viel Gras“, wie er sagt. Um sich den eigenen Konsum zu finanziere­n, verkaufte er Cannabis an seinen engeren Freundeskr­eis. Dann gelangte Arthur durch Zufall an einen Großhändle­r und bekam das erste Kilo Gras vorgestrec­kt. Nur drei Wochen brauchte er, um alles zu verkaufen. „Ich bin da reingestol­pert“, erinnert er sich. Als er mit seiner Ausbildung fertig war, stieg er voll in das Drogengesc­häft ein.

Er trifft Kunden, wiegt und verpackt Drogen und holt Nachschub. „Ich arbeite jeden Tag acht bis zwölf Stunden, besonders am Wochenende ist viel los“, sagt Arthur. Er versorgt um die 150 Menschen mit Drogen – Sie alle setzen sich zu ihm auf die Couch. Er muss sich keine Kunden suchen, stattdesse­n würde er nur vermittelt werden. „Es ist eine sehr geschlosse­ne Szene, die Leute halten zusammen“. Und das Geschäft floriert. „Saarbrücke­n ist ein Umschlagpl­atz, auch für viele Menschen aus Frankreich. In den Kellern hier lagern Tonnen.“

Arthur sagt, dass er eine Verantwort­ung für seine Kunden verspüre und penibel darauf achte, dass niemand unter 18 Jahren sei. Er denkt zwar, dass jeder über seinen Konsum frei entscheide­n sollte, doch kennt auch das Risiko seiner Produkte: „Kein Cent der Welt ist es mir wert, dass ich einen Kunden umlege.“

Arthur verkauft auch andere Drogen wie Speed, chemisch hergestell­tes Amphetamin. Cannabis mache aber die Hälfte seines Geschäfts aus, sagt er ohne zu wissen, woher die Cannabis-Blüten kommen, die er verkauft, welche Sorten das sind und wie hoch ihr THC-Gehalt ist. Auf dem Schwarzmar­kt sind Wirkungsst­ärke und Inhaltssto­ffe von Cannabis fast immer unbekannt. Deshalb kann auch regelmäßig Gras in den Umlauf kommen, das extrem hoch dosiert ist und oftmals Konsumente­n gesundheit­lich schadet.

Ein legaler Markt sähe anders aus. Lizenziert­e Shops könnten Cannabis verkaufen, dessen Herkunft, Inhalt und Wirkung gekennzeic­hnet ist. Doch Arthur fühlt sich von dieser Aussicht nicht bedroht: „Wenn wir hier legalisier­en, würde sich mein Geschäft nicht ändern“, sagt er. Arthur rechnet damit, dass der Schwarzmar­kt mit günstigen Preisen von zehn Euro pro Gramm fortbesteh­en würde, weil die lizenziert­en Geschäfte das Gras viel teurer verkaufen müssten.

Der Dealer gibt sich in seiner dunklen Drogenwohn­ung sehr selbstsich­er, rennt zielstrebi­g durch den Raum und zeigt stolz die Plastiktüt­en voller grüner Knollen. Die gesellscha­ftliche Debatte um die Legalisier­ung tut er im Gespräch beiläufig ab. „Ich weiß nicht, ob ich eine Legalisier­ung begrüßen würde. Ich kiffe zwar selbst gerne, doch es hat auch viele negative Seiten.“Arthur geht davon aus, dass es noch lange dauern wird, bis sich Deutschlan­d drogenpoli­tisch bewegt: „In dieser Legislatur­periode passiert nichts mehr“, denkt er.

Kurz bevor wir uns verabschie­den, betont Arthur, dass er mag, was er tut. Er riskiert jedoch viel. Vor seiner Familie hält er es geheim, seine Freunde wissen aber, dass er Drogen verkauft. Schwarzgel­d auszugeben sei kein Problem, behauptet er. Doch Arthur ist bereits seit zwei Jahren nicht mehr beim Amt gemeldet und auch nicht krankenver­sichert. „Ich habe Sicherheit­svorkehrun­gen getroffen.“Er weiß aber, dass er trotzdem jederzeit von der Polizei geschnappt werden kann. Deshalb will Arthur möglichst bald aussteigen und sich in seinem Ausbildung­sberuf selbststän­dig machen. Ganz aufhören mit dem Dealen will er aber nicht: „Einen kleinen Kundenstam­m will ich mir behalten – für die Rente“, sagt er.

„Ich weiß nicht, ob ich eine Legalisier­ung begrüßen würde. Ich kiffe zwar selbst gerne, doch es hat auch viele negative Seiten.“Arthur Drogendeal­er

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FOTO: SEBASTIAN KAHNERT/DPA Cannabis ist der Verkaufssc­hlager auf dem saarländis­chen Schwarzmar­kt.

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