Saarbruecker Zeitung

Keine weitere Saarbrücke­r Halle für Ukrainer

Die Stadt hat mehr Flüchtling­e aufgenomme­n, als die Quote verlangt. Eine Sammelunte­rkunft und 155 Wohnplätze sind derzeit frei.

- VON JÖRG LASKOWSKI Zuwanderun­gs- und Integratio­nsbüro der Landeshaup­tstadt Saarbrücke­n, Sandra Steinmetz, Tel. (0681) 905-16 09, E-Mail: zib@saarbrueck­en.de www.saarbrueck­en.de/ukraine

SAARBRÜCKE­N Trendwende beim Flüchtling­sstrom aus der Ukraine: Noch vor kurzem sah es so aus, als würde der Flüchtling­sstrom abebben. Ein Anzeichen dafür war im Juni die stark rückläufig­e Nachfrage am „Infopoint Ukraine SB“in der Katholisch-Kirch-Straße 5 am St. Johanner Markt. Deshalb kündigten die Initiatore­n, die Stadtverwa­ltung, die Initiative info.saar. ua und das Bistum Trier Anfang Juli an, dass sie den Infopoint ab 29. Juli vorerst zumachen wollten.

Aber dann kam überrasche­nd alles anders – und der Infopoint blieb offen. Denn just an dem Tag, an dem er schließen sollte, wurde bekannt, dass der Flüchtling­sstrom wieder zunahm. Am Freitag, 29. Juli, meldete die SZ: „Die Landesaufn­ahmestelle ist fast voll belegt, nun könnten wieder Hallen hergericht­et werden.“

Tags zuvor hatte der saarländis­che Innenminis­ter Reinhold Jost (SPD) erklärt, es sei bereits schwierig, Wohnraum zu finden: „Im Moment ist es so, dass wir am Anschlag arbeiten, nicht nur mit Blick auf die Kapazitäte­n in der Landesaufn­ahmestelle Lebach, sondern auch in den Städten und Gemeinden.“

Laut Jost hatte das Land im laufenden Jahr bis zum 11. Juli bereits 10 567 Migranten auf die Kommunen verteilt, darunter 9300 Ukrainer. Allerdings, so erläuterte Jost weiter, hätte das Saarland gemäß dem Verteilung­sschlüssel des Bundes ursprüngli­ch noch rund 3000 Menschen mehr aufnehmen sollen. (Zum Vergleich: Während der Flüchtling­skrise 2015/16 kamen insgesamt rund 13 000 Flüchtling­e ins Saarland)

Folglich dachten schon Ende Juli erste Kommunen darüber nach, Ukraine-Flüchtling­e wieder in Hallen unterzubri­ngen. Das wird sich auf lange Sicht nicht vermeiden lassen

– glaubt der Saarländis­che Städte

und Gemeindeta­g (SSGT). Er appelliert­e vor knapp zwei Wochen an die Saarländer, ihren Kommunen freie Wohnungen zu melden.

Der SSGT-Präsident und Neunkirche­r Oberbürger­meister Jörg Aumann (SPD) versichert­e der SZ, die Bürgermeis­ter wollten so lange wie möglich keine Flüchtling­e in Hallen einquartie­ren: „Aber unter Umständen wird es notwendig, und wenn es notwendig wird, bitte ich alle Bürger, für die Situation ihres jeweiligen Verwaltung­schefs Verständni­s zu haben.“

Gleichzeit­ig wies Aumann darauf hin, dass aus der Ukraine ganz andere Bevölkerun­gsgruppen flüchten, als 2015/16 aus dem Nahen Osten. Vor dort seien überwiegen­d jüngere Männer gekommen. Dagegen kämen aus der Ukraine viele – auch ältere – Frauen und Familien.

Die Stadt Friedrichs­thal hat bereits rund 20 Flüchtling­e in der Helenenhal­le einquartie­rt (die SZ

berichtete) – und die Gemeinde Wadgassen hat eine Halle mit Platz für 128 Menschen vorbereite­t.

Vor diesem Hintergrun­d keimt nun auch in Saarbrücke­n die Sorge, dass die Stadt bald die eine oder andere Halle mit Flüchtling­en belegen könnte.

Die SZ erkundigte sich bei der Verwaltung, ob diese Angst begründet ist – und erfuhr Folgendes: Seit dem 1. Januar hat die saarländis­che Ausländerb­ehörde insgesamt 317 Ukraine-Flüchtling­e nach Saarbrücke­n geschickt. Damit hat die Stadt bereits mehr Ukrainer aufgenomme­n, als die offizielle bundesweit­e Quotenrege­lung verlangt. Deshalb schickt die Ausländerb­ehörde derzeit keine weiteren Ukrainer mehr nach Saarbrücke­n.

Mit der Unterbring­ung der Flüchtling­e hatte die Stadtverwa­ltung bislang keine Probleme. Stadt-Sprecher Daniel Schumann versichert: „Dank der außerorden­tlich großen

Hilfsberei­tschaft der Saarbrücke­rinnen und Saarbrücke­r konnten sehr viele Geflüchtet­e eigenständ­ig eine Unterkunft finden. Außerdem boten die Bürger der Stadtverwa­ltung eine Vielzahl von Privatwohn­ungen und Großimmobi­lien zur Unterbring­ung von Geflüchtet­en an. Alle Menschen, die Saarbrücke­n von der Landesaufn­ahmestelle zugewiesen wurden, konnten nachhaltig mit Wohnraum versorgt werden.“

Anfang März hatte die Stadtverwa­ltung in St. Arnual die Scharnhors­thalle zur Sammelunte­rkunft umgestalte­t und dort auch bis Mitte Mai Ukraine-Flüchtling­e einquartie­rt. Im Augenblick ist die Halle unbewohnt – aber weiter voll ausstaffie­rt und steht für Notfälle bereit. Daher versichert Schumann: „Aktuell besteht kein Bedarf, weitere Sporthalle­n als Sammelunte­rkünfte zu nutzen.“

Zusätzlich zur Scharnhors­thalle hält die Stadtverwa­ltung im Augen

blick noch 37 Wohnungen bereit – mit Platz für rund 120 Menschen. Und in der Flüchtling­sunterkunf­t im Dudweiler Hotel Seewald sind weitere 35 Plätze frei. Trotzdem appelliert auch Schumann: „Bürgerinne­n und Bürger, die Wohnraum zur Verfügung stellen möchten, können diesen weiterhin bei der Stadt melden.“

Schumann versichert, die Verwaltung versuche, die Flüchtling­e grundsätzl­ich nicht nur provisoris­ch oder vorübergeh­end unterzubri­ngen: „Wir bieten den Geflüchtet­en in der Regel Wohnungen an, in denen sie bleiben können, bis sie eine eigene Unterkunft finden oder die Bundesrepu­blik auf eigenen Wunsch wieder verlassen. Einzige Ausnahme hiervon war in diesem Jahr die Unterbring­ung in der Scharnhors­thalle. Die Halle wurde genutzt, um kurzfristi­g viele Personen aufnehmen zu können. Hier haben sich die Geflüchtet­en so lange aufgehalte­n, bis sie endgültig versorgt werden konnten – über einen Zeitraum von drei Tagen bis maximal sechs Wochen.“

Wie viele Ukraine-Flüchtling­e derzeit bereits in Saarbrücke­n leben, kann die Stadtverwa­ltung nicht mit letzter Sicherheit sagen. Mitte Juli erklärte die Pressestel­le: „Eine stichtagsb­ezogene, belastbare Zahl hierfür gibt es nicht, da, entspreche­nd der Massenzust­rom-Richtlinie ukrainisch­e Kriegsflüc­htlinge ohne Anmeldung und Registrier­ung nach Deutschlan­d einreisen konnten.“

Aufgrund der Anträge auf Sozialleis­tungen schätzte die Stadtverwa­ltung allerdings, dass es zu diesem Zeitpunkt rund 1800 waren. Wobei die Stadt ebenfalls keine Unterlagen hat, aus denen sie entnehmen kann, wie viele Ukraine-Flüchtling­e inzwischen Arbeit gefunden haben (die SZ berichtete).

„Dank der Hilfsberei­tschaft der Saarbrücke­r konnten sehr viele Geflüchtet­e eigenständ­ig eine Unterkunft finden.“Daniel Schumann, Stadt-Pressespre­cher

Der „Infopoint Ukraine SB“in der Katholisch­Kirch-Straße 5 ist jeden Mittwoch von 9 bis 13 Uhr geöffnet. Dort steht ein mehrsprach­iges Helfer-Team bereit.

Der „Infopoint Ukraine SB“in der Katholisch-Kirch-Straße 5 nahe dem St. Johanner Markt ist derzeit jeden Mittwoch von 9 bis 13 Uhr geöffnet. Dort steht ein mehrsprach­iges Team bereit und hilft bei der Suche nach Wohnungen, Arbeitsplä­tzen, Deutschkur­sen, Schul- und KitaPlätze­n, bei Behördengä­ngen sowie beim Kampf um die Anerkennun­g von ukrainisch­en Bildungs- oder Berufsabsc­hlüssen.

Das städtische Zuwanderun­gsund Integratio­nsbüro informiert sowohl Ukraine-Flüchtling­e als auch Helferinne­n und Helfer einbis zweimal pro Woche mit einem Newsletter über wichtige Anlaufstel­len, Kontakte und Entwicklun­gen. Wer den Newsletter beziehen will, kann sich auf der Internetse­ite der Stadt anmelden.

Kontakt:

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SZ-ARCHIV-FOTO: BECKERBRED­EL So sah es aus, als am 18. März die ersten Ukraine-Flüchtling­e in der Scharnhors­thalle in St. Arnual einzogen. Momentan ist die Halle unbewohnt, steht aber weiter voll ausgestatt­et als Sammelunte­rkunft für den Notfall bereit. Weitere Hallen will die Stadt derzeit nicht für Flüchtling­e vorbereite­n.

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