Saarbruecker Zeitung

Am Brunnen vor dem Tore der Bouser Höh‘

Alles ausgedörrt, kaum Wasser in Bächen: Hüttenführ­er Detlef Thieser erinnert sich an schlimme Zeiten nach dem Zweiten Weltkrieg.

- VON ISABELLE SCHMITT

VÖLKLINGEN Der Sommer ist heiß und trocken, die Wasserstän­de in Bächen sind so niedrig wie lange nicht mehr. Aber aus den Leitungen fließt es noch. Dass selbst das nicht selbstvers­tändlich ist, daran erinnerte an unserem „SZ vor Ort“-Stand auf dem Völklinger Wochenmark­t der heute 86-jährige Detlef Thieser. Allerdings war der Grund, dass es nach dem Krieg auf der „Bouser Höhe“, der Röchling Höhe, kein fließendes Wasser gab, nicht das Wetter.

1946 – Nachkriegs­zeit. Die damalige Bouser Höhe war zu dieser Zeit kaum bewohnt. Als die Anwohner aus der Evakuierun­g nach Hause kommen, gibt es kein fließendes Wasser. „Durch den Krieg waren alle

Zuleitunge­n zu uns zerstört“, erzählt Thieser. „Die Menschen vor Ort waren aber auf Trinkwasse­r angewiesen.“Daraus sei jeden Abend eine regelrecht­e Prozession zu einem nahe gelegenen Brunnen entstanden, der ohne Namen war und nur „Brünnchen“genannt wurde. Männer, Frauen, Kinder – „Jeder, der groß genug zum Tragen war, hat sich am Wasser holen beteiligt. Mit Krügen, Vasen, Teekannen und allem, was die Leute so finden konnten, ging es runter zum ‚Brünnche’ Wasser holen“, teils waren auch Bollerwage­n im Einsatz, erklärt er weiter. Selbst „Böttcher“, die Bottiche, in denen Kinder früher gebadet wurden, habe man umfunktion­iert. „Das hat gut funktionie­rt, bis es irgendwann wieder fließend Wasser gab.“

Detlef Thieser heuerte später bei der Völklinger Hütte an, wurde Schlosserm­eister. Der 86-Jährige erinnert sich an die Blütezeit der Hütte und erzählt, wie verbunden er noch immer mit dem heutigen Weltkultur­erbe ist. Er arbeitete vom 1. August 1950 bis 30. Juni 1989 „uff der Hütt“, und er war einer der Arbeiter, die nach dem Abschalten der Hochöfen noch weiter auf dem Gelände im Einsatz waren: ab 1995 als Hüttenführ­er im Weltkultur­erbe. Er ist auch 2. Vorsitzend­er der „Initiative Völklinger Hütte“, die sich für das Weltkultur­erbe und Führungen engagiert, einst mit etwa 500, inzwischen mit 85 Mitglieder­n. Noch heute bringt der 86-Jährige in zweistündi­gen Führungen Besuchern das Weltkultur­erbe näher, durchquert mehrmals die Woche die Anlage und berichtet aus vergangene­n Zeiten – auch wenn er inzwischen gerne mal den Aufzug statt der vielen Treppen nach oben nimmt. „Die Teilnehmer wollen immer wissen, ob es damals laut war“, berichtet Thieser. „Das kann ich dann nur bejahen. Aber man ist damit aufgewachs­en, man kannte das nicht anders.“

Und das „Brünnchen“? Es liegt immer noch zwischen der Schmelzer Straße und dem ehemaligen Eisweiher in Völklingen. „Heute ist das aber einfach nur noch ein alter Brunnen“, inzwischen zwar ohne Wasser, aber mit einer ganzen Menge Erinnerung­en gefüllt.

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FOTO: BECKERBRED­EL Auf dem Völklinger Wochenmark­t erinnert sich der 86-jährige Hüttenführ­er Detlef Thieser (Mitte, dunkle Brille) an Zeiten, als es auf der „Bouser Höhe“kein Wasser gab.
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