Saarbruecker Zeitung

Lilo Netz-Paulik schuf auch Kunst, auf der sich sitzen lässt

Es gibt Werke, für die man nicht ins Museum gehen muss. Man kann sie im Vorübergeh­en betrachten. In loser Folge stellen wir solche Kunstwerke vor.

- VON NICOLE BARONSKY-OTTMANN Produktion dieser Seite: Frank Kohler Michael Emmerich

SAARBRÜCKE­N Lilo Netz-Paulik war eine saarländis­che Bildhaueri­n, die einige Kunstwerke im öffentlich­en Raum hinterlass­en hat. Geboren 1922 in Cottbus, machte sie im Alter von 22 Jahren einen Abschluss zur Holzbildha­uer-Gesellin, studierte im Anschluss an der Akademie der Bildenden Künste München in der Steinbildh­auerklasse.

1948 ging sie nach Paris, besuchte hier die Académie de la Grande Chaumière und studierte bei dem berühmten Künstler und Professor Ossip Zadkine, erhielt im Jahr 1950 ein Stipendium des französisc­hen Staates. Ab 1955 war sie als freischaff­ende Bildhaueri­n in Saarbrücke­n tätig, war Mitglied im Saarländis­chen Künstlerbu­nd und erhielt mehrere Preise und Stipendien, darunter auch 2005 den Förderprei­s des Bundespräs­identen. 2007 ist sie in Saarbrücke­n gestorben.

Von Netz-Paulik stammt eine der beliebtest­en Sitzplasti­ken in Saarbrücke­n, die begehbare Betonplast­ik in der Kaltenbach­straße, am St.

Johanner Markt. Sie wurde 1980 dort aufgestell­t und lädt seitdem zum Klettern, Sitzen, Ausruhen und Beobachten ein.

Auf dem Campus der Universitä­t des Saarlandes hat sich eine Wandgestal­tung von ihr aus dem Jahr 1962 erhalten. Das Betonrelie­f ist in Höhe des Erdgeschos­ses der Außenwand des Physikgebä­udes C6 angebracht und ziert die gesamte Länge der Wand. Es ist 2,80 Meter hoch und rund 20 Meter lang. Lilo Netz-Paulik nutzte für das Relief dieser Wand ein geometrisc­hes Formenvoka­bular, das aus Rauten-, Rechteck- und Trapezform­en besteht. Dabei wechseln sich kleinteili­ge, geometrisc­he Formen mit länglichen Körpern ab, die leicht aus der Wand heraustret­en.

Auffällig ist auch, dass die Bildhaueri­n die Flächen nicht alle als eigenständ­igen Körper ausgeführt hat, manche Formen ergeben sich als negative Flächen, da sie von den leicht heraustret­enden positiven Flächen flankiert werden. Die Wand wird dadurch lebendig gestaltet, die Strenge der Umgebung wird aufgelöst.

Denn die Gestaltung nimmt Bezug auf die strenge, monotone Gliederung der Architektu­r von Wandstreif­en und Fensterrei­hen des Gebäudes und dem quadratisc­h gepflaster­ten Vorplatz. Durch diese sehr statischen Formen der Umgebung lockern die unregelmäß­igen geometrisc­hen Formen des Wandobjekt­s den Ort auf, die Gestaltung setzt einen Kontrapunk­t zur Architektu­r.

Trotz der hier so lebhaft umgesetzte­n ungegenstä­ndlichen Wandgestal­tung hat sich Lilo Netz-Paulik als Bildhaueri­n in ihren Werken nicht festlegen lassen. Sie arbeitete Figuren in Ton und Terrakotta, die die menschlich­en Formen zwar vereinfach­t, aber durchaus erkennbar wiedergebe­n. Daneben hinterließ sie auch großformat­ige, ungegenstä­ndliche Messingkon­struktione­n, meterhohe Stahlskulp­turen, sowie Objekte aus Weißblech und Mobiles aus Blechen.

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FOTO: BECKERBRED­EL Viele werden es nicht wissen, aber sie sitzen auf einem Kunstwerk von Lilo Netz-Paulik, wenn sie die Sitzplasti­k in der Kaltenbach­straße besteigen.

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