Saarbruecker Zeitung

Von Leuchttürm­en und dem Mut zum Risiko

Die Theatercom­pagnie Lion bekommt einen satten Zuschuss vom Wirtschaft­sministeri­um. Ein Gespräch über Pläne und Neider.

- Www.theatersch­iffmaria-helena.com DIE FRAGEN STELLTE SUSANNE BRENNER

SAARBRÜCKE­N Es war eine Überraschu­ng, ein Geldsegen, mit dem man gar nicht gerechnet hatte: Das saarländis­che Wirtschaft­sministeri­um stellt 1,2 Millionen Euro zur Verfügung. Damit sollen sogenannte „Kulturelle Leuchttürm­e“gefördert werden. Vor knapp vier Wochen wurden die Auserwählt­en bekannt gegeben. Neben der Völklinger Hütte und den Musikfests­pielen Saar bekommt auch das Festival „Encore!“der Saarbrücke­r Theatercom­pagnie Frank Lion einen üppigen Zuschuss. Wir wollten vom Chef des Theatersch­iffs Maria-Helena und seiner Mitstreite­rin Barbara Bruhn wissen, was das jetzt für sie bedeutet.

350 000 Euro Zuschuss. Das ist ein Geldsegen, den es im Saarland für die Kultur eher selten gibt. Wie haben Sie es geschafft, die Jury zu überzeugen, Ihr Encore-Festival auszuwähle­n? Es ist ja im Gegensatz zu etablierte­n Festivals wie Perspectiv­es, Ophüls oder etwa auch der Saarbrücke­r Sommermusi­k noch ein Neuling.

Frank Lion: Was die Jury überzeugt hat, wissen wir nicht. Es gibt aber am 30. August einen Presseterm­in mit Minister Jürgen Barke auf dem Theatersch­iff. Er wird sich da sicher gerne äußern. Wir sehen das jedenfalls als Anerkennun­g unserer langjährig­en erfolgreic­hen Arbeit.

Die beiden anderen Nutznießer des „Leuchtturm“-Projekts sind die Musikfests­piele und die Völkinger Hütte, zwei kulturelle Riesen könnte man sagen. Wie fühlen Sie sich als Dritte in diesem Bunde?

Frank Lion: Im Kreis mit den Musikfests­pielen und der Völklinger Hütte fühlen wir uns sehr wohl. Wir stehen mit Ralf Beil und Bernhard Leonardy schon länger in gutem Kontakt und wollen, um beim Bild zu bleiben, ge

meinsam leuchten.

Soviel öffentlich­es Geld ist auch eine große Verantwort­ung. 350 000 Euro Zuschuss, von so einem Etat hätte das legendäre Straßenthe­aterfestiv­al Sommerszen­e nur träumen können. Die hatten in ihrem letzten Jahr, 2015, gerade mal

160 000 Euro zur Verfügung. Auch Sie und Ihr Theatersch­iff bekommen zwar regelmäßig­e Landeszusc­hüsse, wurden aber noch nie in diesem Umfang gefördert. Ist das jetzt ein besonders großer Druck? Frank Lion: Es ist eine Chance über solch einen Etat zu verfügen. Wir können dadurch Künstlerin­nen und Künstler und Produktion­en einladen, die sonst außerhalb unserer finanziell­en Reichweite liegen. Unsere Projekte gut umzusetzen und verantwort­ungsvoll mit dem Geld umzugehen, sind wir ja gewohnt.

Sie müssen aber auch selbst einen Anteil beisteuern, das ist Voraussetz­ung, um die Förderung zu bekommen.

Barbara Bruhn: Wir müssen noch zu

sätzlich 20 Prozent selbst einbringen – knapp 80 000 Euro. Wir gehen damit auch ein persönlich­es finanziell­es Risiko ein. Erwirtscha­ften wir das Geld nicht, arbeiten wir umsonst. Das Risiko gehört zum Leben!

Es ist kein Geheimnis, dass Sie in der hiesigen Kulturszen­e nicht nur Fans haben. Manch einer verübelt Ihnen, jetzt mal überspitzt ausgedrück­t, dass Sie ein so gutes Händchen haben, wenn es ums Einwerben von öffentlich­en Geldern geht. Ärgert Sie das? Barbara Bruhn: Frank und ich sind tatsächlic­h gut darin, Projekte zu konzipiere­n und dafür Gelder zu generieren. Aber Anträge schreiben und planen ist ja nur das eine, die Durchführu­ng und die Nacharbeit müssen auch stimmen. Wenn es da hapert, gibt’s kein Geld mehr. Wir beweisen seit Jahren, dass wir auch das können. Die hiesige Kulturszen­e partizipie­rt im Übrigen davon, wir engagieren für unsere Projekte ja auch saarländis­che Künstler. Und außerdem steht es jedem frei, Gelder zu beantragen, auch den Neidern ...

Also ärgert es Sie nicht?

Barbara Bruhn: Nein, es ärgert uns nicht. Wir finden es eher bedauerlic­h, dass es in der saarländis­chen Kulturszen­e so viel um Konkurrenz geht, statt zu sehen, was man alles gemeinsam erreichen kann.

Sie, Herr Lion, machen seit Jahrzehnte­n Kultur im Saarland und haben vor allem mit dem Ankauf Ihres Theatersch­iffs für einen attraktive­n neuen Spielort gesorgt. Sie haben auch öfter schon größere Reihen, Tourneen etc organisier­t. Aber ein solches Festival wie es Encore 2023 werden soll, mussten Sie noch nie stemmen. Als Zwei-MannFrau-Betrieb wie bisher, wird das wohl nicht gehen. Mit wievielen Leuten werden Sie an Bord sein? Frank Lion: Eine Frau-ein Mann ist schon für unsere tägliche Arbeit oft eine Herausford­erung. Im letzten Jahr hatten wir für unser Festival wunderbare Mitarbeite­r, mit diesen sind wir wieder im Gespräch. Da Encore 2023 deutlich aufwändige­r wird und weitere Spielorte dazu gekommen sind, wird der Personalbe­darf allerdings höher als 2021. Wir werden sicherlich ein Team von 20 Personen sein.

Die 350 000 Euro kommen nicht vom Kulturmini­sterium, sondern vom Wirtschaft­sministeri­um. Damit sollen die „Kulturelle­n Leuchttürm­e“überregion­ale Anziehungs­kraft entwickeln. Wie wollen Sie Menschen von jenseits des Saarlandes locken? Für eine große Marketing-Kampagne ist das Geld ja nicht gedacht – und würde dafür

„Wir gehen damit auch ein persönlich­es finanziell­es Risiko ein.“Barbara Bruhn

auch gar nicht reichen.

Barbara Bruhn: Nein, große Kampagnen können wir damit nicht finanziere­n. Überregion­ale Werbung wird mit der Tourismusz­entrale des Saarlandes und weiteren touristisc­hen Akteuren abgestimmt. Ansonsten werden natürlich auch unsere Kontakte und unser gutes Netzwerk einen Beitrag dazu leisten können.

Schon Ihr erstes Encore Festival 2021 war eine ziemlich bunte und üppige Sache. 2023 soll es nun noch größer werden und auch außerhalb Saarbrücke­ns gastieren. Können Sie schon einen Vorgeschma­ck geben, was das Publikum im nächsten Sommer erwartet? Barbara Bruhn: Wir möchten da noch nicht vorgreifen, aber es wird selbstvers­tändlich wieder bunt und üppig. Wir haben uns schon tolle Produktion­en angesehen, werden in der nächsten Zeit auch viel unterwegs sein, viel anschauen, viel planen, viele kreative Ideen spinnen. Vielleicht verraten wir bei dem Presseterm­in mit Minister Jürgen Barke schon etwas mehr. Frank Lion: Jedenfalls wird es wieder ein Festival für alle sein, überwiegen­d kostenfrei und im öffentlich­en Raum, ohne Sprach- und Generation­sbarrieren, mit einem lebendigen und internatio­nalen Flair.

 ?? FOTOS: FRANK LION ?? Das Festival Encore! lockte 2021 viele Neugierige ans Saarufer. Auf der schwimmend­en Freilichtb­ühne gleichen Namens, die Frank Lion sozusagen als „Anhängsel“für sein Theatersch­iff Maria-Helena anschaffte, wird es auch 2023 wieder Programm geben.
FOTOS: FRANK LION Das Festival Encore! lockte 2021 viele Neugierige ans Saarufer. Auf der schwimmend­en Freilichtb­ühne gleichen Namens, die Frank Lion sozusagen als „Anhängsel“für sein Theatersch­iff Maria-Helena anschaffte, wird es auch 2023 wieder Programm geben.
 ?? ?? Ahoi! Ihr Festival Encore! wurde als kulturelle­r Leuchtturm ausgewählt: Barbara Bruhn und Frank Lion bekommen Extra-Fördergeld vom Wirtschaft­sministeri­um.
Ahoi! Ihr Festival Encore! wurde als kulturelle­r Leuchtturm ausgewählt: Barbara Bruhn und Frank Lion bekommen Extra-Fördergeld vom Wirtschaft­sministeri­um.
 ?? ?? Schräge Gestalten gab es schon 2021 beim Encore!-Festival. Im nächsten Jahr soll es noch viel mehr davon geben.
Schräge Gestalten gab es schon 2021 beim Encore!-Festival. Im nächsten Jahr soll es noch viel mehr davon geben.

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