Von Leuchttürmen und dem Mut zum Risiko
Die Theatercompagnie Lion bekommt einen satten Zuschuss vom Wirtschaftsministerium. Ein Gespräch über Pläne und Neider.
SAARBRÜCKEN Es war eine Überraschung, ein Geldsegen, mit dem man gar nicht gerechnet hatte: Das saarländische Wirtschaftsministerium stellt 1,2 Millionen Euro zur Verfügung. Damit sollen sogenannte „Kulturelle Leuchttürme“gefördert werden. Vor knapp vier Wochen wurden die Auserwählten bekannt gegeben. Neben der Völklinger Hütte und den Musikfestspielen Saar bekommt auch das Festival „Encore!“der Saarbrücker Theatercompagnie Frank Lion einen üppigen Zuschuss. Wir wollten vom Chef des Theaterschiffs Maria-Helena und seiner Mitstreiterin Barbara Bruhn wissen, was das jetzt für sie bedeutet.
350 000 Euro Zuschuss. Das ist ein Geldsegen, den es im Saarland für die Kultur eher selten gibt. Wie haben Sie es geschafft, die Jury zu überzeugen, Ihr Encore-Festival auszuwählen? Es ist ja im Gegensatz zu etablierten Festivals wie Perspectives, Ophüls oder etwa auch der Saarbrücker Sommermusik noch ein Neuling.
Frank Lion: Was die Jury überzeugt hat, wissen wir nicht. Es gibt aber am 30. August einen Pressetermin mit Minister Jürgen Barke auf dem Theaterschiff. Er wird sich da sicher gerne äußern. Wir sehen das jedenfalls als Anerkennung unserer langjährigen erfolgreichen Arbeit.
Die beiden anderen Nutznießer des „Leuchtturm“-Projekts sind die Musikfestspiele und die Völkinger Hütte, zwei kulturelle Riesen könnte man sagen. Wie fühlen Sie sich als Dritte in diesem Bunde?
Frank Lion: Im Kreis mit den Musikfestspielen und der Völklinger Hütte fühlen wir uns sehr wohl. Wir stehen mit Ralf Beil und Bernhard Leonardy schon länger in gutem Kontakt und wollen, um beim Bild zu bleiben, ge
meinsam leuchten.
Soviel öffentliches Geld ist auch eine große Verantwortung. 350 000 Euro Zuschuss, von so einem Etat hätte das legendäre Straßentheaterfestival Sommerszene nur träumen können. Die hatten in ihrem letzten Jahr, 2015, gerade mal
160 000 Euro zur Verfügung. Auch Sie und Ihr Theaterschiff bekommen zwar regelmäßige Landeszuschüsse, wurden aber noch nie in diesem Umfang gefördert. Ist das jetzt ein besonders großer Druck? Frank Lion: Es ist eine Chance über solch einen Etat zu verfügen. Wir können dadurch Künstlerinnen und Künstler und Produktionen einladen, die sonst außerhalb unserer finanziellen Reichweite liegen. Unsere Projekte gut umzusetzen und verantwortungsvoll mit dem Geld umzugehen, sind wir ja gewohnt.
Sie müssen aber auch selbst einen Anteil beisteuern, das ist Voraussetzung, um die Förderung zu bekommen.
Barbara Bruhn: Wir müssen noch zu
sätzlich 20 Prozent selbst einbringen – knapp 80 000 Euro. Wir gehen damit auch ein persönliches finanzielles Risiko ein. Erwirtschaften wir das Geld nicht, arbeiten wir umsonst. Das Risiko gehört zum Leben!
Es ist kein Geheimnis, dass Sie in der hiesigen Kulturszene nicht nur Fans haben. Manch einer verübelt Ihnen, jetzt mal überspitzt ausgedrückt, dass Sie ein so gutes Händchen haben, wenn es ums Einwerben von öffentlichen Geldern geht. Ärgert Sie das? Barbara Bruhn: Frank und ich sind tatsächlich gut darin, Projekte zu konzipieren und dafür Gelder zu generieren. Aber Anträge schreiben und planen ist ja nur das eine, die Durchführung und die Nacharbeit müssen auch stimmen. Wenn es da hapert, gibt’s kein Geld mehr. Wir beweisen seit Jahren, dass wir auch das können. Die hiesige Kulturszene partizipiert im Übrigen davon, wir engagieren für unsere Projekte ja auch saarländische Künstler. Und außerdem steht es jedem frei, Gelder zu beantragen, auch den Neidern ...
Also ärgert es Sie nicht?
Barbara Bruhn: Nein, es ärgert uns nicht. Wir finden es eher bedauerlich, dass es in der saarländischen Kulturszene so viel um Konkurrenz geht, statt zu sehen, was man alles gemeinsam erreichen kann.
Sie, Herr Lion, machen seit Jahrzehnten Kultur im Saarland und haben vor allem mit dem Ankauf Ihres Theaterschiffs für einen attraktiven neuen Spielort gesorgt. Sie haben auch öfter schon größere Reihen, Tourneen etc organisiert. Aber ein solches Festival wie es Encore 2023 werden soll, mussten Sie noch nie stemmen. Als Zwei-MannFrau-Betrieb wie bisher, wird das wohl nicht gehen. Mit wievielen Leuten werden Sie an Bord sein? Frank Lion: Eine Frau-ein Mann ist schon für unsere tägliche Arbeit oft eine Herausforderung. Im letzten Jahr hatten wir für unser Festival wunderbare Mitarbeiter, mit diesen sind wir wieder im Gespräch. Da Encore 2023 deutlich aufwändiger wird und weitere Spielorte dazu gekommen sind, wird der Personalbedarf allerdings höher als 2021. Wir werden sicherlich ein Team von 20 Personen sein.
Die 350 000 Euro kommen nicht vom Kulturministerium, sondern vom Wirtschaftsministerium. Damit sollen die „Kulturellen Leuchttürme“überregionale Anziehungskraft entwickeln. Wie wollen Sie Menschen von jenseits des Saarlandes locken? Für eine große Marketing-Kampagne ist das Geld ja nicht gedacht – und würde dafür
„Wir gehen damit auch ein persönliches finanzielles Risiko ein.“Barbara Bruhn
auch gar nicht reichen.
Barbara Bruhn: Nein, große Kampagnen können wir damit nicht finanzieren. Überregionale Werbung wird mit der Tourismuszentrale des Saarlandes und weiteren touristischen Akteuren abgestimmt. Ansonsten werden natürlich auch unsere Kontakte und unser gutes Netzwerk einen Beitrag dazu leisten können.
Schon Ihr erstes Encore Festival 2021 war eine ziemlich bunte und üppige Sache. 2023 soll es nun noch größer werden und auch außerhalb Saarbrückens gastieren. Können Sie schon einen Vorgeschmack geben, was das Publikum im nächsten Sommer erwartet? Barbara Bruhn: Wir möchten da noch nicht vorgreifen, aber es wird selbstverständlich wieder bunt und üppig. Wir haben uns schon tolle Produktionen angesehen, werden in der nächsten Zeit auch viel unterwegs sein, viel anschauen, viel planen, viele kreative Ideen spinnen. Vielleicht verraten wir bei dem Pressetermin mit Minister Jürgen Barke schon etwas mehr. Frank Lion: Jedenfalls wird es wieder ein Festival für alle sein, überwiegend kostenfrei und im öffentlichen Raum, ohne Sprach- und Generationsbarrieren, mit einem lebendigen und internationalen Flair.