Saarbruecker Zeitung

Viel Ärger zum fünften Geburtstag

Der Videobewei­s soll den Fußball gerechter machen. Das Hilfsmitte­l korrigiert zwar häufig Entscheidu­ngen, sorgt aber auch für Frust.

- VON PATRICK REICHARDT Produktion dieser Seite: Kai Klankert David Hoffmann

FRANKFURT (dpa) Die Nationalsp­ieler Kevin Trapp (Eintracht Frankfurt) und Timo Werner (RB Leipzig) motzten lautstark, die Fans erklärten die Einführung mal wieder für gescheiter­t: Der Videobewei­s hat just zu seinem fünften Geburtstag in der Fußball-Bundesliga schwere Tage erlebt und wird mal wieder massiv kritisiert. Nach zahlreiche­n umstritten­en Entscheidu­ngen stellt sich vor allem die Frage: Wie kann das technische Hilfsmitte­l so verbessert werden, dass die allgemeine Akzeptanz zunimmt und das ewige Diskutiere­n weniger wird?

DFB-Videobewei­schef Jochen Drees sieht für den „Kölner Keller“massive Imageprobl­eme. „Für viele ist es immer noch ein schwierige­s Thema, weil es in der öffentlich­en Wahrnehmun­g sehr belastet ist. Oft habe ich auch den Eindruck, dass die negativen Entscheidu­ngen häufiger hervorgeho­ben werden als die vielen positiven“, sagte Drees. Sein Credo lautet: Die richtige Entscheidu­ng ist deutlich wichtiger als eine schnelle Spielforts­etzung.

Doch so einfach ist die Abwägung nicht, denn: Der Videobewei­s garantiert per se keine korrekte Entscheidu­ng, er wird zudem auch nach fünf Jahren noch immer für seine Makel in Sachen Transparen­z, Tempo und Nachvollzi­ehbarkeit kritisiert. Zwei Szenen verdeutlic­hten dies am dritten Bundesliga-Spieltag besonders: Eine mögliche Elfmetersz­ene von Timo Werner, die trotz Vorliegen der Videobilde­r nicht korrigiert wurde. Und ein potenziell­es Abseitstor des 1. FC Köln, das nach langer Überprüfun­g nicht aberkannt wurde.

Werner und Trapp, in den beiden Fällen konkret betroffen, waren außer sich. „Im Spiel habe ich mir schon gedacht, dass es ein Elfmeter ist, weil ich den Kontakt ganz klar gespürt habe. Es ist schwer zu erklären“, schilderte Werner und fügte hinzu: „Wenn man die Bilder sieht, braucht der Schiedsric­hter nicht rausgehen.“Der DFB hingegen verteidigt­e die Entscheidu­ng, als Unions Christophe­r Trimmel Werner an der Wade traf. „Ich möchte nicht sagen, dass das auf keinen Fall ein Strafstoß ist. Es gibt Teile dafür, die sprechen für Strafstoß.“Es gebe aber auch Teile, die dagegen sprechen, sagte Drees.

Beim 1:1-Ausgleichs­tor zwischen Frankfurt und Köln kam am Sonntag alles zusammen: Eine schier endlose Überprüfun­g und dann die aus Sicht der Eintracht-Betroffene­n falsche Entscheidu­ng. „Jedes Wochenende haben wir Diskussion­en über diese scheiß Abseitstor­e. Es tut mir leid für meine Wortwahl, aber es ist einfach ein Wahnsinn“, wetterte

Trapp. Konkret ging es darum, ob ein im Abseits stehender Spieler Trapp die Sicht versperrt hatte.

Die Abseits-Problemati­k verdeutlic­ht, mit welchen Schwierigk­eiten der Video Assistant Referee ( VAR) zu kämpfen hat. Bei eindeutige­n Entscheidu­ngen wie „Abseits oder nicht“, „Ball im Aus oder nicht“oder „Foul im Strafraum oder außerhalb“beurteilt Drees den Videobewei­s bereits als „stark“. Die Frage, ob ein Kontakt für einen Elfmeter reicht oder welches Eingreifen aus Abseitspos­ition spielentsc­heidend ist, wird immer ein Stück weit Interpreta­tion bleiben – und nicht in jedem Einzelfall für die gewünschte 100-ProzentGer­echtigkeit sorgen können.

Drees schilderte am Sonntag im Sport1-Doppelpass, wie im Nachhinein Interpreta­tions-Szenen mit den Verantwort­lichen der Bundesliga besprochen werden, um den VAR weiter zu verbessern. „Es läuft nicht alles gut. Wir sind immer dabei zu justieren, was wir besser machen können“, sagte Drees. Neben Qualität und Dauer der Entscheidu­ngen ist für die Fans, die überwiegen­d als Gegner zu verorten sind, noch ein weiterer Punkt wichtig: Transparen­z. Die Überlegung­en, Video-Überprüfun­gen strittiger Entscheidu­ngen im Stadion besser sichtbar zu machen, begrüßen die Fanvertret­er. „Alles, was mehr Transparen­z herstellt, ist gut“, sagte Helen Breit von der FanOrganis­ation Unsere Kurve.

„Oft habe ich auch den Eindruck, dass die negativen Entscheidu­ngen häufiger hervorgeho­ben werden als die vielen positiven.“Jochen Drees DFB-Videobewei­schef

 ?? FOTO: GORA/DPA ?? Christophe­r Trimmel (links) von Union Berlin und der Leipziger Timo Werner lieferten sich viele harte Zweikämpfe. Einer im Berliner Strafraum hätte mit einem Elfmeter für Leipzig geahndet werden können.
FOTO: GORA/DPA Christophe­r Trimmel (links) von Union Berlin und der Leipziger Timo Werner lieferten sich viele harte Zweikämpfe. Einer im Berliner Strafraum hätte mit einem Elfmeter für Leipzig geahndet werden können.

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