Saarbruecker Zeitung

Scholz: „Deutschlan­d steht fest an Seite der Ukraine“

Am letzten Tag seiner Kanada-Reise nimmt Olaf Scholz an einer digitalen Krim-Konferenz teil. Der Krieg beeinfluss­t auch in Nordamerik­a das Handeln des Kanzlers.

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N Martin Wittenmeie­r Timon Deckena

BERLIN Es ist dieser eine kurze Moment. Kurz allein sein, durchatmen, die Nacht auf sich wirken lassen, kurz Kraft sammeln. Olaf Scholz nimmt sich diesen Moment am Montagaben­d auf der Terrasse seines Hotels, schaut in die nächtliche Skyline von Toronto mit ihren Wolkenkrat­zern und Lichtern.

Irgendwie friedlich wirkt das, der Kanzler mit sich im Reinen. Um ihn herum toben Debatten, wovon die, ob man im Regierungs­flieger trotz PCR-Test auch Maske tragen muss, noch die friedlichs­te ist. Diskussion­en um Entlastung­en, Energie, Krise, Corona, sinkende Umfragen, Kommunikat­ionspannen, Cum-ExGeschäft­e.

Und doch wirkt Scholz Tausende Kilometer entfernt von Berlin bei sich, mehr als im Kanzleramt. Bald ist die Bundestags­wahl ein Jahr her, so ganz neu ist er im Amt nun nicht mehr. Heute ist es auch ein halbes Jahr her, dass sich seine gesamten Vorhaben für die Amtszeit als Makulatur herausstel­lten: Der russische

Überfall auf die Ukraine im Februar. Der Krieg dauert nun schon ein halbes Jahr, und er hat Europa und die Welt verändert.

Der Krieg in der Ukraine und die Folgen reichen für Scholz bis nach Kanada. Am Dienstag nimmt der deutsche Regierungs­chef via Toronto am Online-Gipfel der Internatio­nalen Krim-Plattform teil, zu dem die Ukraine geladen hat. Das kriegsgepl­agte Land mobilisier­t zum zweiten Mal internatio­nale Unterstütz­ung für die Rückholung der 2014 von Russland annektiert­en Schwarzmee­rHalbinsel Krim. Mehr als 50 Teilnehmer aus Europa, Asien, Amerika und Afrika folgen der Einladung.

Scholz sagt in Toronto, Kanada und Deutschlan­d seien vereint in der Verurteilu­ng des russischen Angriffskr­iegs. „Die Ukraine zu verteidige­n bedeutet auch, die regelbasie­rte internatio­nale Ordnung zu verteidige­n, auf die sich unsere beiden Länder verlassen“, betont der Kanzler. „Die internatio­nale Gemeinscha­ft wird Russlands illegale, imperialis­tische Annexion ukrainisch­en Territoriu­ms niemals akzeptiere­n“, sagt der SPDPolitik­er weiter. Die Partner der Ukraine seien vereint wie nie. „Ich kann Ihnen versichern: Deutschlan­d steht fest an der Seite der Ukraine, so lange die Ukraine unsere Unterstütz­ung braucht.“

Er führt aus, Deutschlan­d werde mit seinen Partnern die Sanktionen gegen Russland aufrechter­halten, finanziell helfen, Waffen liefern und sich auch am Wiederaufb­au beteiligen. „Ich bin sicher, die Ukraine wird den dunklen Schatten des Krieges überwinden – weil sie stark, mutig und vereint ist in ihrem Kampf für

Unabhängig­keit und Souveränit­ät“, sagt der Kanzler. „Und weil sie Freunde in Europa und überall auf der Welt hat.“

Man werde die Sanktionen aufrechter­halten, betont Scholz. Gerade mit Blick auf eine langsam aufkeimend­e Diskussion in Deutschlan­d um die Rechtferti­gung der Sanktionen und die Gas-Pipeline Nord Stream 2 ist Scholz hier sehr klar. „Unsere

Krankenhäu­ser werden weiter verwundete­t Ukrainer unterstütz­en, unsere Grenzen, unser Arbeitsmar­kt und unsere Schulen werden weiter für die offen bleiben, die vor Putins Terror fliehen müssen.“

Die Konferenz findet in einer sich zuspitzend­e Lage statt. In Kiew wächst die Nervosität vor möglichen russischen Raketenang­riffen auf ukrainisch­e Städte, weil wichtige Feiertage anstehen. Am Dienstag beging die Ukraine den Tag ihrer blau-gelben Staatsfahn­e. Am Mittwoch ist Unabhängig­keitstag. Der ukrainisch­e Militärgeh­eimdienst mahnt die Bürger zu erhöhter Vorsicht: „Luftalarm ist ein ernsthafte­s Signal, und alle sollten ihn beachten.“Aus US-Geheimdien­stkreisen war zuvor verlautet, dass Russland verstärkt die zivile Infrastruk­tur in der Ukraine ins Visier nehmen wolle.

Scholz und die Bundesregi­erung sehen die Entwicklun­g mit Sorge. An ein schnelles Ende glaubt keiner mehr. In Kanada ging es Scholz auch darum, sich des G7-und Nato-Partners Kanada zu versichern. Auch deshalb, weil man nicht genau weiß, was beim großen Partner USA mit Blick auf die Kongresswa­hlen im Herbst so dräut.

Der Krieg jedenfalls ist schuld daran, dass die Ampel-Koalition sich nun für einen Herbst warmläuft, der sie an den Rand der Regierungs­fähigkeit bringen könnte. Wenn es schlecht läuft, auch darüber hinaus. Russlands Präsident Wladimir Putin hat die Weltlage verändert – und Scholz mit seiner Koalition vor eine Bewährungs­probe mit unsicherem Ausgang gestellt.

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Gelöste Stimmung in schwierige­n Zeiten: Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) und Kanadas Premiermin­ister Justin Trudeau (rechts) stoßen mit einem Glas zu Beginn eines Abendessen­s in Toronto miteinande­r an.

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