Scholz: „Deutschland steht fest an Seite der Ukraine“
Am letzten Tag seiner Kanada-Reise nimmt Olaf Scholz an einer digitalen Krim-Konferenz teil. Der Krieg beeinflusst auch in Nordamerika das Handeln des Kanzlers.
BERLIN Es ist dieser eine kurze Moment. Kurz allein sein, durchatmen, die Nacht auf sich wirken lassen, kurz Kraft sammeln. Olaf Scholz nimmt sich diesen Moment am Montagabend auf der Terrasse seines Hotels, schaut in die nächtliche Skyline von Toronto mit ihren Wolkenkratzern und Lichtern.
Irgendwie friedlich wirkt das, der Kanzler mit sich im Reinen. Um ihn herum toben Debatten, wovon die, ob man im Regierungsflieger trotz PCR-Test auch Maske tragen muss, noch die friedlichste ist. Diskussionen um Entlastungen, Energie, Krise, Corona, sinkende Umfragen, Kommunikationspannen, Cum-ExGeschäfte.
Und doch wirkt Scholz Tausende Kilometer entfernt von Berlin bei sich, mehr als im Kanzleramt. Bald ist die Bundestagswahl ein Jahr her, so ganz neu ist er im Amt nun nicht mehr. Heute ist es auch ein halbes Jahr her, dass sich seine gesamten Vorhaben für die Amtszeit als Makulatur herausstellten: Der russische
Überfall auf die Ukraine im Februar. Der Krieg dauert nun schon ein halbes Jahr, und er hat Europa und die Welt verändert.
Der Krieg in der Ukraine und die Folgen reichen für Scholz bis nach Kanada. Am Dienstag nimmt der deutsche Regierungschef via Toronto am Online-Gipfel der Internationalen Krim-Plattform teil, zu dem die Ukraine geladen hat. Das kriegsgeplagte Land mobilisiert zum zweiten Mal internationale Unterstützung für die Rückholung der 2014 von Russland annektierten SchwarzmeerHalbinsel Krim. Mehr als 50 Teilnehmer aus Europa, Asien, Amerika und Afrika folgen der Einladung.
Scholz sagt in Toronto, Kanada und Deutschland seien vereint in der Verurteilung des russischen Angriffskriegs. „Die Ukraine zu verteidigen bedeutet auch, die regelbasierte internationale Ordnung zu verteidigen, auf die sich unsere beiden Länder verlassen“, betont der Kanzler. „Die internationale Gemeinschaft wird Russlands illegale, imperialistische Annexion ukrainischen Territoriums niemals akzeptieren“, sagt der SPDPolitiker weiter. Die Partner der Ukraine seien vereint wie nie. „Ich kann Ihnen versichern: Deutschland steht fest an der Seite der Ukraine, so lange die Ukraine unsere Unterstützung braucht.“
Er führt aus, Deutschland werde mit seinen Partnern die Sanktionen gegen Russland aufrechterhalten, finanziell helfen, Waffen liefern und sich auch am Wiederaufbau beteiligen. „Ich bin sicher, die Ukraine wird den dunklen Schatten des Krieges überwinden – weil sie stark, mutig und vereint ist in ihrem Kampf für
Unabhängigkeit und Souveränität“, sagt der Kanzler. „Und weil sie Freunde in Europa und überall auf der Welt hat.“
Man werde die Sanktionen aufrechterhalten, betont Scholz. Gerade mit Blick auf eine langsam aufkeimende Diskussion in Deutschland um die Rechtfertigung der Sanktionen und die Gas-Pipeline Nord Stream 2 ist Scholz hier sehr klar. „Unsere
Krankenhäuser werden weiter verwundetet Ukrainer unterstützen, unsere Grenzen, unser Arbeitsmarkt und unsere Schulen werden weiter für die offen bleiben, die vor Putins Terror fliehen müssen.“
Die Konferenz findet in einer sich zuspitzende Lage statt. In Kiew wächst die Nervosität vor möglichen russischen Raketenangriffen auf ukrainische Städte, weil wichtige Feiertage anstehen. Am Dienstag beging die Ukraine den Tag ihrer blau-gelben Staatsfahne. Am Mittwoch ist Unabhängigkeitstag. Der ukrainische Militärgeheimdienst mahnt die Bürger zu erhöhter Vorsicht: „Luftalarm ist ein ernsthaftes Signal, und alle sollten ihn beachten.“Aus US-Geheimdienstkreisen war zuvor verlautet, dass Russland verstärkt die zivile Infrastruktur in der Ukraine ins Visier nehmen wolle.
Scholz und die Bundesregierung sehen die Entwicklung mit Sorge. An ein schnelles Ende glaubt keiner mehr. In Kanada ging es Scholz auch darum, sich des G7-und Nato-Partners Kanada zu versichern. Auch deshalb, weil man nicht genau weiß, was beim großen Partner USA mit Blick auf die Kongresswahlen im Herbst so dräut.
Der Krieg jedenfalls ist schuld daran, dass die Ampel-Koalition sich nun für einen Herbst warmläuft, der sie an den Rand der Regierungsfähigkeit bringen könnte. Wenn es schlecht läuft, auch darüber hinaus. Russlands Präsident Wladimir Putin hat die Weltlage verändert – und Scholz mit seiner Koalition vor eine Bewährungsprobe mit unsicherem Ausgang gestellt.
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