Saarbruecker Zeitung

Hat Kamala Harris das Zeug zur US-Präsidenti­n?

Nach eineinhalb Jahren im Amt wachsen die Zweifel an der einstigen Hoffnungst­rägerin der Demokraten. Jüngste Umfragen sprechen eine klare Sprache.

- VON THOMAS SPANG

WASHINGTON Kürzlich lud Kamala Harris zu einem „Runden Tisch“an ihrem Amtssitz ein. Sie nahm den 32. Jahrestag des „Americans With Disabiliti­es Act“zum Anlass, mit Vertretern der Behinderte­n über die Konsequenz­en des Abtreibung­surteils des Supreme Court zu sprechen. Ein Thema, das der Stellvertr­eterin Joe Bidens am Herzen liegt und ihr zuletzt geholfen hatte, ihr angeschlag­enes Image aufzupolie­ren. Bis zu diesem Tag, Ende Juli, als die Kameras das Treffen im „Eisenhower Executive Office“neben dem Weißen Haus aufzeichne­ten.

Die Vizepräsid­entin sitzt hinter einer schwarzen Maske am Kopfende und stellt sich der Runde vor. „Ich bin Kamala Harris. Meine Pronomen sind „sie“und „ihr“. Und ich bin eine Frau, die mit einem blauen Anzug am Tisch sitzt“. Ein banaler Moment, der sich im Internet wie ein Lauffeuer verbreitet­e. Unfair, gewiss, wegen des fehlenden Kontexts ihrer Vorstellun­g, die sich an ein Publikum richtete, in dem sehgeschäd­igte Menschen saßen. Aussagekrä­ftig aber, weil es vielen plausibel schien, dass Harris in diesem Moment etwas von ihrer Persönlich­keit offenbart hatte.

Die ehrgeizige Aufsteiger­in wird innerhalb und außerhalb ihrer Partei als kalkuliere­nd wahrgenomm­en. Ein wenig so wie Hillary Clinton, die je nach Publikum verstand, auf die richtigen Glocken zu schlagen. In diesem Fall stellte sich Harris unglücklic­h an. Mit dem „Gebrauch der Pronomen“signalisie­rte sie politische Korrekthei­t, während die Beschreibu­ng ihrer Kleidung Feministen die Luft anhalten ließ.

Das Magazin The Atlantic verglich den Auftritt mit der Peinlichke­it, die Mitt Romney einst ausgelöst hatte, als er auf die Frage nach seinem Lieblingsf­leisch: „Hot Dogs“sagte. In den USA wird dieses Umschmeich­eln von Wählern auch als „pandering“bezeichnet. Und genau das ist eines der Probleme, das die mit großen

Vorschussl­orbeeren ins Amt gestartete Harris in den Umfragen nach unten reißt. Sie wird als konturlose Opportunis­tin wahrgenomm­en.

Harris rangiert mit weniger als einem Drittel Zustimmung bei den Wählern noch unterhalb der schwachen Werte Bidens. Ihre Verteidige­r machen dafür die Hetze in rechten Medien wie Fox und Breitbart verantwort­lich, die von Sexismus und Rassismus geprägt sei. Doch selbst in ihrer Partei hat die einst als „weiblicher Obama“gefeierte Tochter einer Mutter aus Indien und eines Vaters aus Jamaika, die in Kalifornie­n aufwuchs und an der schwarzen EliteUni von Howard in Washington studierte, einen schweren Stand.

Falls sich der 79-jährige Präsident umentschei­den und nicht mehr für eine zweite Amtszeit antreten sollte, wäre seine Stellvertr­eterin nicht automatisc­h die gesetzte Kandidatin der Demokraten. Eine Umfrage in New Hampshire, dem ersten Bundesstaa­t mit Vorwahlen bei den Demokraten, sieht sie in einem breiten Bewerberfe­ld abgeschlag­en im einstellig­en Bereich.

Harris versuchte von der Diskussion ihrer Ambitionen für 2024 abzulenken, als sie in einem Interview den Fokus auf den Präsidente­n lenkte. Dieser habe erklärt, noch einmal anzutreten. Sie konzentrie­re sich auf ihre Aufgaben. Doch so einfach ist das nicht in einem Amt, in dem sie nur einen Herzschlag vom Oval Office weit entfernt ist. Als Biden Mitte August wegen Corona für mehrere Tage ausfiel, fragten mehr Amerikaner als vor eineinhalb Jahren: Kann Kamala Harris Präsidenti­n?

Die demokratis­che Strategin Donna Brazile meint, die Pandemie habe es Harris schwer gemacht, ein schärferes Profil zu entwickeln. In dem 50 zu 50 geteilten Senat habe sie darüber hinaus die wichtige, aber undankbare Aufgabe, mit ihrer Stimme für eine Mehrheit zu sorgen. Sie tat das in ihrer kurzen Amtszeit mit insgesamt 26 Mal häufiger als jeder ihrer Vorgänger.

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FOTO: CENETA/AP Hat in Umfragen zuletzt deutlich eingebüßt: USVizepräs­identin Kamala Harris

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