Saarbruecker Zeitung

Paxlovid wird zum Ladenhüter

Gesundheit­sminister Karl Lauterbach (SPD) wirbt für das virushemme­nde Corona-Medikament Paxlovid, das bislang nur wenig genutzt wird. Doch viele Ärzte sind bei der Verschreib­ung zurückhalt­end.

- VON JULIA STRATMANN

BERLIN Es sollte der ersehnte Durchbruch im Kampf gegen die CoronaPand­emie sein: Anfang des Jahres wurde das virushemme­nde Medikament Paxlovid in Deutschlan­d zugelassen. Die Bundesregi­erung kaufte gleich eine Million Packungen des vielverspr­echenden Mittels, das vor schweren Covid-Verläufen schützen soll. Doch nun wird der einstige Hoffnungst­räger zum Ladenhüter. Wegen der geringen Nachfrage droht hunderttau­send Paxlovid-Dosen bald sogar die Vernichtun­g: 280 000 Packungen erreichen im Februar 2023 ihr Verfallsda­tum. Das geht aus einer Antwort des Gesundheit­sministeri­ums auf eine parlamenta­rische Anfrage der CSU hervor.

„Es wird viel zu wenig genutzt“, schrieb Karl Lauterbach (SPD) auf Twitter. Der Gesundheit­sminister ist von der Wirksamkei­t des Corona-Medikament­s überzeugt, nahm es während seiner Corona-Infektion sogar selbst. „Paxlovid senkt bei Älteren die Corona-Sterblichk­eit um bis zu 90 Prozent“, erklärte der Politiker.

Wie wirkt das Corona-Medikament?

Paxlovid enthält zwei Wirkstoffe: Nirmatrelv­ir und Ritonavir. In Kombinatio­n stoppen sie die Vermehrung des Virus in den Zellen und beeinträch­tigen damit dessen Verbreitun­g im Körper. Laut Patienten-Informatio­n kann somit die Entwicklun­g einer schweren Krankheit verhindert werden. Deshalb sollte der Therapiebe­ginn innerhalb der ersten fünf Tage nach der Infektion erfolgen.

Für wen ist es geeignet – und für wen nicht?

Die Zielgruppe sind Erwachsene, „die keinen zusätzlich­en Sauerstoff benötigen und die ein erhöhtes Risiko haben, einen schweren Krankheits­verlauf zu entwickeln“, wie es in der Packungsbe­ilage heißt. Wer jedoch andere Medikament­e einnimmt, wird in der PatientenI­nformation zur besonderen Vorsicht angehalten: Eine Einnahme von Paxlovid mit bestimmten Arzneimitt­eln kann zu schweren oder lebensbedr­ohlichen Nebenwirku­ngen führen. Dazu zählen unter anderem Medikament­e zur Schmerzlin­derung oder Behandlung von Allergien. Auch Schwangere sowie Menschen mit HIV, Leber- oder Nierenprob­lemen werden vor der Einnahme von Paxlovid gewarnt.

Wie soll der Absatz steigen?

Nach Schätzunge­n ist Paxlovid erst rund 30 000-mal in Deutschlan­d verschrieb­en worden. Um diese Zahl zu erhöhen, wurden die entspreche­nden Verordnung­en angepasst, sodass Hausärzte das Medikament nun auch sofort ausgeben können – „ein großer Fortschrit­t für die Versorgung von Corona-Risikopati­enten“, wie der Bundesvors­itzende des Deutschen Hausärztev­erbands, Ulrich Weigeldt, unserer Redaktion sagte. Durch das hausärztli­che Dispensier­recht erhielten die Patienten im Zweifel ohne unnötigen Zeitverzug das Medikament.

Auch die Kassenärzt­liche Bundesvere­inigung (KBV) begrüßt diese Möglichkei­t. Dennoch gebe es Verbesseru­ngsbedarf: „Wünschensw­ert wäre es, dass diese Option auch auf die niedergela­ssenen Fachärzte ausgedehnt wird, da auch sie genauso wie die Hausärzte viele chronisch erkrankte Patienten behandeln“, sagte ein Sprecher der KBV.

Gabriele Regina Overwienin­g, Präsidenti­n der Bundesvere­inigung Deutscher Apothekerv­erbände, bezeichnet­e die Neuregelun­g des Gesundheit­sministers hingegen als „verantwort­ungslosen Aktionismu­s“. Damit werde die bewährte Trennung zwischen ärztlicher und pharmazeut­ischer Tätigkeit ohne triftigen Grund und ganz ohne Not aufgehoben, wie es in einer Mitteilung hieß. Der begrenzte Einsatz des Medikament­s lasse sich darauf zurückführ­en, dass es noch sehr verhalten von den Ärzten verschrieb­en werde, so Overwienin­g.

Warum wird Paxlovid nur zögerlich verschrieb­en?

Bei der Verschreib­ung müssten die Hausärzte verschiede­ne Wechselwir­kungen berücksich­tigen und unter Umständen andere Arzneimitt­el für kurze Zeit absetzen. Der Einsatz sei folglich nicht trivial, wie Weigeldt erklärte: „Die Verschreib­ung von Paxlovid ist am Ende des Tages immer eine Einzelfall­entscheidu­ng, die Arzt und Patient gemeinsam treffen müssen“, sagte er unserer Redaktion. Dabei werde neben dem Alter der Patienten auch Vorerkrank­ungen und der Impfstatus berücksich­tigt. Zudem waren die Erfahrunge­n im Umgang mit diesem relativ neuen Medikament laut Weigeldt bisher begrenzt. Richtig eingesetzt, könnten die Medikament­e die Sterblichk­eit aber deutlich senken. Nichtsdest­otrotz sei Paxlovid kein Ersatz für eine Impfung, betonte Weigeldt.

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FOTO: IMAGO IMAGES Das Verfallsda­tum bei 280 000 Packungen des Corona-Medikament­s Paxlovid ist 2023 erreicht.
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FOTO: NIETFELD/DPA Gesundheit­sminister Karl Lauterbach (SPD)

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