Von den Römern bis zum Korea-Krieg – Neues zur Militärgeschichte Luxemburgs
Ein neuer Sammelband widmet sich der „ Militärgeschichte Luxemburgs“. In ihm beschreiben die Autoren die Entwicklung von der Frühgeschichte bis hin zu den Soldaten, die im Koreakrieg ihr Leben für das Großherzogtum ließen. Ein Spagat zwischen regionaler und nationaler Militärhistorie, der nicht ganz glückt.
LUXEMBURG Wir schreiben das Jahr 50 vor Christi Geburt. Ganz Gallien ist von den Römern erobert; auch das Gebiet des heutigen Großherzogtums Luxemburg. Hier lebt der keltische Stamm der Treverer. Grund genug für Andrea Binsfeld, sich mit dem „Großraum Luxemburg“und dessen militärischer „Integration ins Römische Reich“zu beschäftigen.
Die Juniorprofessorin an der Universität Luxemburg eröffnet mit ihrem Beitrag den von Thomas Kolnberger und Benoît Niederkorn herausgegebenen Sammelband „Militärgeschichte Luxemburgs“. Sie erinnert daran, dass der Stamm der Treverer sich nicht am Aufstand der Gallier unter der Führung von Vercingetorix beteiligt hat; wohl auch weil Indutiomarius mit seiner Rebellion gegen die römischen Besatzer in der Region wenige Jahre zuvor gescheitert war. Der Titel des jüngst im Verlag Capybarabooks erschienenen Sammelbands mag irritieren, kann doch von einem eigenständigen Staat Luxemburg erst nach dem Tod des niederländischen Königs Wilhelm III. (1817-1890) gesprochen werden. Aber es ist das Verdienst der 34 Autoren, sich nicht an modernen Landkarten, sondern an der über 2000-jährigen Geschichte der Region zu orientieren. Das spiegelt sich auch in der Gliederung des Buches wider.
Der erste Abschnitt widmet sich der „Frühgeschichte und Antike“. In ihrem Aufsatz srellt die französische Historikerin Cathérine Gaeng jüngste Forschungsergebnisse des Oppidum
Titelberg – eine befestigte Stadt der Treverer im Dreiländereck BelgienFrankreich-Luxemburg bei Petingen – vor. Der Historiker Thierry Groff untersucht die Einbindung der Treverer ins römische Herr. Dafür gibt es zwischen dem 1. und 3. Jahrhundert zahlreiche Belege.
Im zweiten Abschnitt werden militärgeschichtliche Fragen zum Mittelalter behandelt. Die Historikerin Laury Sarti beschäftigt sich mit der Schlacht von Remich im Jahr 882. Zwar verloren die Bischöfe Walah (Metz) und Bertulf ( Trier) sowie Graf Adalhard (Moselgau) die Schlacht gegen die Wikinger; Walah wurde gar getötet. Aber das eigentliche Ziel wurde laut Sarti erreicht: Die Nordmänner beendeten ihren Raubzug und verschonten Metz. Aber auch, wer sich für Burgen interessiert, wird hier fündig.
Die luxemburgische Konservatorin Christiane Bis-Worch untersucht anhand von vier Beispielen (Useldingen, Aspelt, Colpbach-Bas und Trintange) die herrschafts- und militärpolitische
Bedeutung von „Großburgen, kleinen Burgen und festen Orten“im Mittelalter.
In dem Kapitel „Frühe Zeit“untersucht die Historikerin Monique Weis die Rolle der Region als Aufmarschgebiet für die Konflikte zwischen Nordund Südeuropa während des 16. und 17. Jahrhunderts. In dieser Zeit erhielt die Region den Namen „route espagnole“(Spanische Straße). Der Grund: Die Habsburger konnten über diese Achse immer wieder Truppen von Spanien in die Niederlande bringen, ohne dass sie durch Frankreich (gegen das sie wegen der Niederlande Krieg führten) ziehen mussten. Laut BisWorcher ein bislang wenig erforschtes Feld.
Abschnitt vier untersucht die Entwicklung des „Großherzogtums Luxemburg bis zum Ersten Weltkrieg“. So beschäftigt sich beispielsweise Professor Thomas Kolnberger mit der „Luxemburger Miliz im Militär des Königreichs der Vereinigten Niederlande“und dem „Entstehen einer militärischen Enklave: Die Bundesfestung Luxemburg als Sonderverwaltungszone des Deutschen Bundes“.
Co-Herausgeber Benoît Niederkorn untersucht in seinem Beitrag die „Zusammensetzung des Offizierskorps der Luxemburger Force Armée“zwischen 1881 und 1940. Und die Musikwissenschaftlerin Marlène Duhr befasst sich mit dem Einfluss der Militärmusik auf das „kulturelle Leben in der Stadt Luxemburg im 19. Jahrhundert“.
In dem Abschnitt „Die Epoche zweier Weltkriege“steht das Großherzogtum als Operationsgebiet ausländischer Streitkräfte im Mittelpunkt der Untersuchungen. Der Historiker Chris Hirtzig beschäftigt sich mit Antoine Thilmany, dessen militärische Karriere zwischen Freiwilligenkompanie und Fremdenlegion verlief. Aber hier ist auch ein Beitrag des Denkmalpflegers Matthias Paulke zu finden, der der Frage nachgeht, was zu unternehmen ist, um Befestigungen – etwa die Verstecke von Zwangsrekrutierten – und die im Zweiten Weltkrieg geschaffenen Infrastrukturen vor Zerstörung zu bewahren. Letzteres ist beispielsweise mit Abschnitten der „Reichsautobahn“bei Canach passiert, als dort ein Golfplatz angelegt wurde.
Der letzte Abschnitt befasst sich mit der Periode zwischen „Nachkriegszeit“und „Kaltem Krieg“. So beschäftigt sich der Militärhistoriker Patrick Hardt mit der Entwicklung der luxemburgischen Armee nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Historikerin Elisabeth Einsweiler untersucht in ihrem Beitrag „Remembering the ‚Forgotten War’ in Luxembourg“das Gedenken in Luxemburg an den Koreakrieg (1950 bis 1953). Truppen des Großherzogtums kämpften etwa an der Seite belgischer und britischer Einheiten in der Schlacht am Fluss Imjin (22. bis 25. April 1951). Das Land stellte mit 85 Soldaten das kleinste Kontingent der 16 Nationen, die sich am Krieg gegen Nordkorea beteiligten. Zwei davon fielen in Korea und 13 weitere wurden bei den Kämpfen verletzt. Noch bis zum 26. März 2023 ist im Musée National d’Histoire Militaire in Diekirch eine Ausstellung zu sehen, die an diesen im Großherzogtum „vergessenen Krieg“erinnert.
Fazit: Der dreisprachige Sammelband (Deutsch, Französisch und Englisch) bietet einen ersten Überblick über die militärische Geschichte der Region. Er macht zugleich deutlich, dass hier noch ein weites Forschungsfeld brachliegt, das darauf wartet, genauer untersucht zu werden. Es hätte dem Sammelband gut getan, wenn die Historiker sich zwischen einer regionalen Militärgeschichte oder einer Militärgeschichte Luxemburgs entschieden hätten. So kommt es unweigerlich zum Bruch in dem Moment, in dem das Großherzogtum sich als Staat konstituiert. Da verliert der Sammelband den Blick auf die Region, der ihn gerade in den ersten vier der insgesamt sechs Abschnitte auszeichnet.
Der dreisprachige Sammelband bietet einen ersten Überblick über die militärische Geschichte der Region. Er macht deutlich, dass hier noch ein weites Forschungsfeld brachliegt.