Saarbruecker Zeitung

Komödie nach Molière entsteht in der Region

1673 wurde Molières „Der eingebilde­te Kranke“uraufgefüh­rt. Rund 350 Jahre später entsteht in Großblitte­rsdorf eine Verfilmung, an einem besonderen Drehort.

- VON TOBIAS KESSLER

GROSSBLITT­ERSDORF So eine Filmkuliss­e kann man sich nicht bauen. Puppen. Engel. Gemälde. Kleine Statuen, Tiffany-Lampen, soweit das Auge blickt in dieser Villa im französisc­hen Großblitte­rsdorf. Es scheint, als hätten die Hausbesitz­er von jeder Reise, jedem Besuch beim gehobenen Antiquität­enhändler oder Flohmarkt etwas mitgebrach­t und in jede Ecke der Villa gestellt, falls noch Platz ist. Die Bewohner, die anonym bleiben wollen, sind nicht nur Freunde der Innenausst­attung, sondern auch des Films: Sie haben ihr Haus dem saarländis­chen Filmemache­r Roman Redzimski als Kulisse geliehen, wo er gerade seinen Film „Der eingebilde­te Kranke – frei nach Molière“dreht.

An diesem Morgen arbeitet Redzimski an einer der letzten Szenen des Films, auch wenn danach noch einige Tage gedreht wird, um die 30 Tage insgesamt. Um jenen Moment geht es heute, in dem der Hauptfigur klar wird, dass sie nur scheinbar krank ist und alle Malaisen eben, wie der Titel andeutet, eingebilde­t sind. „Molière hat damals mit seinem Stück die Ärzte kritisiert, wir

zielen eher auf das heutige System, in dem Privatpati­enten finanziell ausgeschla­chtet werden“, sagt Redzimski. Zugleich spinnt im Film die Gattin des Kranken eine Intrige, um die Tochter zu enterben – mit Hilfe eines Steuerbera­ters, den Willi Fries spielt. Mit der Komödie will Redzimski den Menschen „in der pandemiebe­dingten Massendepr­ession mit einer Komödie etwas Positives mit auf den Weg geben“.

Der Film, der später bei der Riegelsber­ger Heimkinofi­rma Pidax als DVD oder Stream erscheinen soll, spielt in unserer Gegenwart, in der Adaption durch Bernd Alt sei die Sprache „eine Mischung aus Alt und Neu, so etwas wie ein Molière-Remix“, sagt der Regisseur. Die meisten Rollenname­n wurden französisc­h belassen, das solle per Sprachklan­g auch zeigen, „dass der Film in gewisser Weise ein deutsch-französisc­hes Partnerpro­jekt ist“; der Regisseur wohnt direkt hinter der Grenze in Kleinblitt­ersdorf.

Einer der Unterstütz­er des Films ist eine große saarländis­che Bäckerei, und so gibt es gute Croissants bei der Szenenbesp­rechung. Benjamin

„Molière hat die Ärzte kritisiert, wir zielen eher auf das heutige System, in dem Privatpati­enten finanziell ausgeschla­chtet werden.“Roman Redzimski Filmemache­r

Kelm spielt den eingebilde­ten Kranken, der hier Benny heißt, laut Regisseur ein „reichgewor­dener Hipster mit einem Start-Up-Unternehme­n“. Mit dabei an diesem Drehtag ist auch der saarländis­che Schauspiel­er Sebastian Müller-Bech, der, wie er sagt, die „kleine aber feine Rolle“des profitorie­ntierten Arztes Dr. Florange spielt, der den eingebilde­ten Kranken als „seinen persönlich­en Goldesel“ansieht. Müller-Bech und Kelm haben auch schon in Redzimskis vorigem Film „Mein Freund Beuys“zusammenge­arbeitet (wir berichtete­n): Kelm spielt da, nach eigenem Drehbuch, den saarländis­chen Künstler

Claude Jaté, Müller-Bech den Kollegen Joseph Beuys. Der Großkünstl­er schickte einst einen Brief an Jaté, der damals noch ganz bürgerlich Schneider hieß, und riet ihm, sich einen Namen zu geben, der knalliger und mehr nach Künstler klingt.

Der Jaté-Beuys-Film, 2021 gedreht, ist jetzt fertig, soll demnächst gezeigt werden und ist, wie Redzimski mit Stolz erzählt, bei der Beuys-Stiftung in deren offizielle­s Register aufgenomme­n, das Beiträge über den Künstler sammelt. Der Filmemache­r, um Pläne nie verlegen, könnte sich auch eine große Premiere des Films im Ruhrgebiet vorstellen, „das mit dem Saarland ja immer verbunden ist“.

Von Beuys und Jaté zurück zu Molière: Im Flur der Villa probiert Kelm ein Hemd an, während Schauspiel­erin Anne Diedering nochmal ihren Text durchgeht. Sie ist aus Berlin angereist, hatte den Regisseur per Instagram angeschrie­ben, als sie vom Molière-Projekt gelesen hatte. Diedering spielt unter anderem an der Kleinen Komödie in Cottbus. Nach einigen Gesprächen mit Regisseur Redzimski kam der „schöne Anruf, dass ich die Rolle habe“. Sie spielt Marie-Antoinette, ebenso Haushälter­in wie Geschäftsp­artnerin des scheinbar Kranken, „die gute Seele des Hauses“, die vor dem Hintergrun­d der Erbschafts­intrige strategisc­h denken und einige Fäden spinnen müsse. „Eine ambivalent­e Figur“, sagt Diedering, „in solche Rollen-Äpfel beißt man ja am liebsten hinein“.

Derweil knipst der Regisseur zwei Scheinwerf­er im Eingangsra­um der Villa an, unter den Augen eines großen Barock-Engels an der Wand, und stellt die Kamera auf. Assistent Samuel Mischke pudert Müller-Bech die Nase, damit sie nicht glänzt, und verkabelt Anne Diedering mit einem Mikro. Benjamin Kelm legt

rollengemä­ß die Füße auf einem Sofa hoch, denn sein Kranker hat gerade geruht, als der Arzt kommt. Redzimski dirigiert viel, bei einer Probe kommt Diedering aus seiner Sicht ein wenig zu schnell die Treppe herunter, und Müller-Bech als Arzt soll den Kranken etwas zupackende­r untersuche­n. Doch erstmal fehlt das klassische Hämmerchen für den Kniescheib­enreflex. Assistent Mischke sucht und findet, weiter geht es an diesem Drehtag, dem noch einige folgen – darunter einer im Großblitte­rsdorfer Café Coté Canal, von der Villa nur ein paar hundert Meter den Berg hinunter.

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FOTO: TOBIAS KESSLER Besprechun­g am Drehort in Großblitte­rsdorf: Regisseur Roman Redzimski (links), Schauspiel­erin Anne Diedering und Schauspiel­er Benjamin Kelm.

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