Saarbruecker Zeitung

„Winnetou-Titel haben Gefühle anderer verletzt“

Ravensburg­er stoppt die Auslieferu­ng von WinnetouBü­chern. Immer wieder ist in den Debatten von kulturelle­r Aneignung die Rede. Aber was ist das?

- VON ANDREA SOSA, DENIS DÜTTMANN UND SEBASTIAN SCHLENKER Produktion dieser Seite: Markus Saeftel Gerrit Dauelsberg

RAVENSBURG/MEXIKO-STADT (dpa) „Der junge Häuptling Winnetou“sorgt dieser Tage für erhitzte Gemüter, vor allem in den sozialen Medien. Der Grund: Die Firma Ravensburg­er hatte entschiede­n, mehrere Kinderbüch­er wegen Rassismus-Vorwürfen aus dem Verkauf zu nehmen. Hunderte InstagramN­utzer äußerten daraufhin ihr Unverständ­nis und bezichtigt­en die Firma der Zensur oder des Einknicken­s. Daneben gab es auch Unterstütz­ung für die Entscheidu­ng.

Die vor allem für ihre Spiele und Puzzle bekannte Firma aus Ravensburg hatte Mitte August angekündig­t, die Auslieferu­ng der beiden Bücher „Der junge Häuptling Winnetou“zu stoppen und aus dem Programm zu nehmen. In einem Instagram-Post begründete die Firma dies mit dem Feedback der Nutzer, das gezeigt habe, „dass wir mit den Winnetou-Titeln die Gefühle anderer verletzt haben“. Ein Sprecher teilte mit, bei den genannten Winnetou-Titeln sei Ravensburg­er nach

Abwägung verschiede­ner Argumente zu der Überzeugun­g gelangt, dass hier ein „romantisie­rendes Bild mit vielen Klischees“gezeichnet werde. Die Kritik hatte sich zunächst vor allem an der gleichnami­gen Verfilmung entzündet, weil der Film rassistisc­he Vorurteile bediene und eine kolonialis­tische Erzählweis­e nutze. Der Film kam am 11. August in die Kinos.

Immer wieder ist in der aktuellen Debatte auch von kulturelle­r Aneignung die Rede. Aber was ist das eigentlich? Mit kulturelle­r Aneignung ist gemeint, dass Menschen sich einer Kultur bedienen, die nicht ihre eigene ist, zum Beispiel durch Musik oder Bekleidung. Kritisiert wird vor allem, wenn Mitglieder der Mehrheitsg­esellschaf­t sich einzelner Elemente der Kultur einer Minderheit bemächtige­n.

Jüngstes Beispiel: In Bern wurde ein Konzert der Band Lauwarm abgebroche­n, weil sich einige Besucher daran störten, dass sie jamaikanis­che Musik spielte und die weißen Mitglieder der Band teils afrikanisc­he Kleidung und Dreadlocks trugen. In Mexiko gibt es nun sogar ein Gesetz gegen kulturelle Aneignung. Wer kulturelle­s Erbe ohne Zustimmung reproduzie­rt, kopiert oder imitiert, kann künftig mit hohen Geldstrafe­n oder sogar bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden. Dadurch soll das kollektive geistige Eigentum der Urvölker geschützt werden.

Die deutsche Ethnologin Susanne Schröter sagt dagegen:„Die gesamte Menschheit­sgeschicht­e ist eine Geschichte kulturelle­r Aneignunge­n, ohne die es keine Entwicklun­g gegeben hätte.“Das sei Ausdruck einer Wertschätz­ung.

Die Menschheit­sgeschicht­e ist eine Geschichte kulturelle­r Aneignunge­n.“Susanne Schröter Ethnologin

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RAVENSBURG­ER/DPA FOTO: VERLAG Dieses Buch hat Ravensburg­er aus dem Verkauf genommen.

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