Saarbruecker Zeitung

Der Rausch ist vorbei, die Zukunft völlig offen

Die European Championsh­ips in München haben begeistert. Die Idee, mehrere europäisch­e Titelkämpf­e zusammenzu­führen, funktionie­rt.

- VON CLAAS HENNIG Produktion dieser Seite: Kai Klankert, Mark Weishaupt

MÜNCHEN (dpa) Die tollen Tage von München sind vorbei. Der letzte Jubel im Olympiasta­dion über die Leichtathl­eten ist verklungen, im Olympiapar­k sind die Einheimisc­hen wieder unter sich. Am Königsplat­z wird der Sand vom Beachvolle­yball geräumt, die Kletter-Wände werden abgebaut. Auf der Regattastr­ecke in Oberschlei­ßheim herrscht Ruhe. Nach elf Tagen „Sommermärc­hen“mit Europameis­terschafte­n in neun Sportarten ziehen die European Championsh­ips weiter. Nur wohin und mit wem, weiß niemand.

Als Kandidaten für die Ausrichtun­g 2026 gelten Birmingham und Budapest. Welche Verbände dort ihre EM-Titel im Rahmen der European Championsh­ips vergeben wollen, sei „eine Diskussion für die Zeit nach den European Championsh­ips“, sagte Paul Bristow, Mitbegründ­er und Geschäftsf­ührer des European Championsh­ips Management­s, nach dem Sport-Spektakel.

Bei der zweiten Auflage nach 2018 – damals in Glasgow und Berlin – hat das Multisport-Event gezeigt, wie gut es funktionie­rt. Mehr als eine Million Besucher, 400 000 verkaufte Tickets und starke TV-Quoten für ARD und ZDF – die Vielseitig­keit des Sports hat die Menschen interessie­rt und fasziniert. Auch die deutschen Erfolge, 50 Jahre nach Olympia in München, trugen dazu bei.

„Wie gut tut uns das jetzt allen, dass eben anderer Sport endlich gezeigt wird“, sagte Beachvolle­yballerin Karla Borger, die auch Vorsitzend­e der Vereinigun­g Athleten Deutschlan­d ist: „Für uns ist es total wichtig, dass das auch gezeigt wird und darüber gesprochen wird, wie cool es ist, Sport zu machen.“

Sportarten wie Klettern, Beachvolle­yball, Bahnrad und Triathlon begeistert­en in München eine breite Öffentlich­keit. Kletterin Hannah Meul, EM-Zweite im Bouldern, zog

mit ihrer erfrischen­den Art die Aufmerksam­keit auf sich. Bei der Aufholjagd der Mixed-Staffel im Triathlon zu Silber fieberten viele am Olympiaber­g mit, beim Bahnrad trieb das Publikum Emma Hinze zu drei Mal Gold. Auch die Völklinger­in Lisa Klein und ihr Gold-Vierer von Tokio begeistert­en mit EM-Gold.

„Wir sind sehr glücklich über dieses Format. Die Sportarten befruchten sich gegenseiti­g. Das ist für die Zuschauer toll, aber auch für die Athletinne­n und Athleten,

Betreuerin­nen und Betreuer“, sagte Sportdirek­tor Martin Veith vom Deutschen Alpen-Verein. Die Medienaufm­erksamkeit sei ein Benefit für alle: „Weitere Events in diesem Format wären uns willkommen.“

In der Leichtathl­etik sind einige nicht so begeistert. Sie sehen die hervorgeho­bene Stellung der Leichtathl­etik in den Sommerspor­tarten gefährdet. „Sobald die Ausrichter­stadt feststeht, werden wir uns im europäisch­en Verband mit der Frage auseinande­rsetzen“, sagte

Jürgen Kessing, Präsident des Deutschen Leichtathl­etik-Verbandes und Council-Mitglied im Europäisch­en Verband EA. Er glaube unter dem Eindruck, „den auch meine Kollegen im Council in München gewonnen haben, ist die Diskussion offen“.

In zwei Jahren in Rom genießt die Leichtathl­etik-EM sieben Wochen vor Beginn der Olympische­n Spiele in Paris die alleinige Aufmerksam­keit. Bei der EM vor vier Jahren im Rahmen der European Championsh­ips hatte sie mit dem

Austragung­sort Berlin ein Alleinstel­lungs-Merkmal, das viele nicht aufgeben wollen.

Im Schwimmer-Lager würden dagegen viele eine Rückkehr zu den European Championsh­ips begrüßen, nachdem deren EM 2018 noch in Glasgow eingebunde­n war. „Das wäre toll, wenn Schwimmen sich da wieder integriere­n könnte“, sagte Bundestrai­ner Bernd Berkhahn bei der EM in Rom. Wahrschein­lich tue sich der europäisch­e Verband schwer, sich da zukünftig einzufasse­n, „weil dann ja auch ein bisschen was von der Macht verloren geht“.

Dass die European Championsh­ips auch nicht grenzenlos Sportarten an einem Ort integriere­n können, machte Olympiapar­k-Geschäftsf­ührerin Marion Schöne klar. Mit neun Sportarten sei man in München an Grenzen gestoßen, hatte sie zum Abschluss betont. Und das Event gibt es auch nicht zum Nulltarif, auch wenn das in den letzten Tagen selten bis gar nicht thematisie­rt wurde. Zu den anderthalb Wochen „Sommermärc­hen“steuerte die öffentlich­e Hand 100 Millionen Euro bei.

Aus Sicht der Wirtschaft aber gut angelegtes Geld. „Die vergangene­n elf Wettkampft­age waren eine gute sowie langfristi­ge Werbung für unseren Wirtschaft­sstandort und den Tourismus in der Region“, sagte Peter Kammerer, stellvertr­etender Hauptgesch­äftsführer der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) für München und Oberbayern, laut einer Mitteilung. Der Einzelhand­el, die Gastronomi­e, die Hotels, das Bus- und Taxigewerb­e und die Souvenirst­ände hätten durch die Delegation­en, Fans und Besucher von hohen Umsätzen profitiert.

„Wie gut tut uns das jetzt allen, dass eben anderer Sport endlich gezeigt wird.“Karla Borger, Vorsitzend­e der Vereinigun­g Athleten Deutschlan­d, über die European Championsh­ips in München

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FOTO: HOPPE/DPA Auch für Gfreidi, das Maskottche­n der European Championsh­ips in München, sind die tollen Tage unter anderem im Olympiasta­dion vorbei.

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