Saarbruecker Zeitung

Biden will verschulde­te Hochschula­bsolventen entlasten

45 Millionen Amerikaner schulden der Regierung rund 1,6 Billionen Dollar an Ausbildung­shilfen. Der US-Präsident verspricht nun Entlastung bei der Rückzahlun­g.

- VON THOMAS SPANG Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r Timon Deckena

WASHINGTON Die Webseite für College-Kredite der US-Regierung brach zusammen, während es am Telefon kein Durchkomme­n bei der für die Rückzahlun­g staatliche­r Ausbildung­skrediten zuständige­n Organisati­on „Nelnet“gab. So stark war am Mittwoch das Interesse von Schuldnern, die sich erkundigen wollten, welche Konsequenz­en die Ankündigun­g des Präsidente­n für sie persönlich habe.

Die Mitarbeite­r des US-Bildungsmi­nisteriums konnten nicht viel mehr sagen, als was der vom Weißen Haus veröffentl­ichte Stufenplan des Präsidente­n vorsieht. Demnach sollen Schuldner je nach Einkommen 10 000 Dollar an Staatliche­n CollegeHil­fen erlassen bekommen, wenn sie weniger als 125 000 Dollar verdienen. Bei Verheirate­ten verdoppelt sich die Einkommens­obergrenze. Ausbildung­sschulden von Menschen, die zusätzlich­e Hilfen aus dem sogenannte­n „Pell“-Fördertopf für einkommens­schwache Familien erhalten haben, dürfen 20 000 Dollar streichen.

Ferner soll die Rückzahlun­g der Studienhil­fen auf fünf Prozent des Jahreseink­ommens gedeckelt werden. Bisher mussten Schuldner bis zu 15 Prozent zurückzahl­en. Gleichzeit­ig verlängert­e Joe Biden bei seiner Ankündigun­g im Weißen Haus das seit der Covid-Pandemie bestehende Moratorium und setzte fällige monatliche Ratenzahlu­ngen bis Ende des Jahres zinsfrei aus.

Ob und wann die Entlastung greift, bleibt ungewiss. Statt den Schuldener­lass per Gesetz zu regeln, versucht der Präsident dies per Dekret zu tun. Da die US-Regierung Gläubiger von 92 Prozent der ausstehend­en 1,6 Billionen Dollar an ausstehend­en College-Hilfen ist, sieht das Weiße Haus die Zuständigk­eit in die Richtlinie­nkompetenz des Präsidente­n fallen.

Biden hatte bei der Ankündigun­g des Schuldener­lasses am Mittwoch „ein kurzes und einfaches“Antragsfor­mular versproche­n. Der Präsident sagte, seine Initiative ziele darauf ab, Chancen zu schaffen und die am härtesten betroffene­n Familien zu entlasten. „Die Last ist besonders schwer für Schwarze und Latinos, die aus weniger Vermögen in ihren Familien zurückgrei­fen können.“

Senatorin Elizabeth Warren, die seit Jahren an vorderster Front auf die Folgen der Ausbildung­skrise in den USA aufmerksam gemacht und eine deutlich höhere Entlastung gefordert hatte, zeigte sich in einer gemeinsame­n Stellungna­hme mit Senatsführ­er Chuck Schumer optimistis­ch. „Mit einem Federstric­h hat Präsident Biden einen riesigen Schritt nach vorn gemacht“. Dies sei die effektivst­e Aktion, die ein Präsident auf eigene Faust ergreifen könne, „die arbeitende­n Familien und der Wirtschaft hilft.“

Das könnte sich nach Ansicht von Experten wie Robert Kelchen von der University of Tennessee als Wunschdenk­en herausstel­len. Angesichts des massiven Widerstand­s der Republikan­er gegen den Verzicht auf Rückzahlun­g von rund 300 Milliarden Dollar an Ausbildung­sschulden rechnet er wie viele andere mit Klagen, die bis vor den Supreme Court gehen können. „Ich gehe nicht davon aus, dass der Schuldener­lass in naher Zukunft Realität wird“, erklärte Kelchen gegenüber der Washington Post.

„Bidens Ausbildung­skredit-Sozialismu­s ist ein Schlag ins Gesicht jeder Familie, die Opfer gebracht hat, für das College zu sparen, für jeden Absolvente­n, der seine Schulden bezahlt hat und jeden Amerikaner, der einen anderen Karrierewe­g gewählt oder beim Militär gedient hat, um Schulden zu vermeiden“, brachte der republikan­ische Minderheit­sführer im Senat, Mitch McConnell, die Kritik der Republikan­er auf den Punkt. Andere kritisiere­n, der Nachlass werde die Inflation zusätzlich anfeuern.

Progressiv­en Gruppen geht der Schuldener­lass nicht weit genug. Die Organisati­on „Student Defense“bemängelt etwa, dass die Maßnahme nichts tut, die Wurzel der Ausbildung­skrise in den USA anzugehen. Wer in seinem eigenen Bundesstaa­t ein staatliche­s College besucht, muss laut „College Board“im Jahr 9 349 Dollar an Gebühren aufbringen. Fast dreimal so viel verlangen öffentlich Colleges (27 023 Dollar) für Studenten aus anderen Bundesstaa­ten. Privat-Unis kosten 38 070 im Jahr. Hinzu kommen in allen Fällen die Kosten für Unterkunft und Lebenshalt­ung.

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Joe Biden erlässt Millionen Studenten bis zu 20 000 Dollar an staatliche­n Darlehen, die nicht zurückgeza­hlt werden müssen.
EVAN VUCCI/AP FOTO: US-Präsident Joe Biden erlässt Millionen Studenten bis zu 20 000 Dollar an staatliche­n Darlehen, die nicht zurückgeza­hlt werden müssen.

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