Biden will verschuldete Hochschulabsolventen entlasten
45 Millionen Amerikaner schulden der Regierung rund 1,6 Billionen Dollar an Ausbildungshilfen. Der US-Präsident verspricht nun Entlastung bei der Rückzahlung.
WASHINGTON Die Webseite für College-Kredite der US-Regierung brach zusammen, während es am Telefon kein Durchkommen bei der für die Rückzahlung staatlicher Ausbildungskrediten zuständigen Organisation „Nelnet“gab. So stark war am Mittwoch das Interesse von Schuldnern, die sich erkundigen wollten, welche Konsequenzen die Ankündigung des Präsidenten für sie persönlich habe.
Die Mitarbeiter des US-Bildungsministeriums konnten nicht viel mehr sagen, als was der vom Weißen Haus veröffentlichte Stufenplan des Präsidenten vorsieht. Demnach sollen Schuldner je nach Einkommen 10 000 Dollar an Staatlichen CollegeHilfen erlassen bekommen, wenn sie weniger als 125 000 Dollar verdienen. Bei Verheirateten verdoppelt sich die Einkommensobergrenze. Ausbildungsschulden von Menschen, die zusätzliche Hilfen aus dem sogenannten „Pell“-Fördertopf für einkommensschwache Familien erhalten haben, dürfen 20 000 Dollar streichen.
Ferner soll die Rückzahlung der Studienhilfen auf fünf Prozent des Jahreseinkommens gedeckelt werden. Bisher mussten Schuldner bis zu 15 Prozent zurückzahlen. Gleichzeitig verlängerte Joe Biden bei seiner Ankündigung im Weißen Haus das seit der Covid-Pandemie bestehende Moratorium und setzte fällige monatliche Ratenzahlungen bis Ende des Jahres zinsfrei aus.
Ob und wann die Entlastung greift, bleibt ungewiss. Statt den Schuldenerlass per Gesetz zu regeln, versucht der Präsident dies per Dekret zu tun. Da die US-Regierung Gläubiger von 92 Prozent der ausstehenden 1,6 Billionen Dollar an ausstehenden College-Hilfen ist, sieht das Weiße Haus die Zuständigkeit in die Richtlinienkompetenz des Präsidenten fallen.
Biden hatte bei der Ankündigung des Schuldenerlasses am Mittwoch „ein kurzes und einfaches“Antragsformular versprochen. Der Präsident sagte, seine Initiative ziele darauf ab, Chancen zu schaffen und die am härtesten betroffenen Familien zu entlasten. „Die Last ist besonders schwer für Schwarze und Latinos, die aus weniger Vermögen in ihren Familien zurückgreifen können.“
Senatorin Elizabeth Warren, die seit Jahren an vorderster Front auf die Folgen der Ausbildungskrise in den USA aufmerksam gemacht und eine deutlich höhere Entlastung gefordert hatte, zeigte sich in einer gemeinsamen Stellungnahme mit Senatsführer Chuck Schumer optimistisch. „Mit einem Federstrich hat Präsident Biden einen riesigen Schritt nach vorn gemacht“. Dies sei die effektivste Aktion, die ein Präsident auf eigene Faust ergreifen könne, „die arbeitenden Familien und der Wirtschaft hilft.“
Das könnte sich nach Ansicht von Experten wie Robert Kelchen von der University of Tennessee als Wunschdenken herausstellen. Angesichts des massiven Widerstands der Republikaner gegen den Verzicht auf Rückzahlung von rund 300 Milliarden Dollar an Ausbildungsschulden rechnet er wie viele andere mit Klagen, die bis vor den Supreme Court gehen können. „Ich gehe nicht davon aus, dass der Schuldenerlass in naher Zukunft Realität wird“, erklärte Kelchen gegenüber der Washington Post.
„Bidens Ausbildungskredit-Sozialismus ist ein Schlag ins Gesicht jeder Familie, die Opfer gebracht hat, für das College zu sparen, für jeden Absolventen, der seine Schulden bezahlt hat und jeden Amerikaner, der einen anderen Karriereweg gewählt oder beim Militär gedient hat, um Schulden zu vermeiden“, brachte der republikanische Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell, die Kritik der Republikaner auf den Punkt. Andere kritisieren, der Nachlass werde die Inflation zusätzlich anfeuern.
Progressiven Gruppen geht der Schuldenerlass nicht weit genug. Die Organisation „Student Defense“bemängelt etwa, dass die Maßnahme nichts tut, die Wurzel der Ausbildungskrise in den USA anzugehen. Wer in seinem eigenen Bundesstaat ein staatliches College besucht, muss laut „College Board“im Jahr 9 349 Dollar an Gebühren aufbringen. Fast dreimal so viel verlangen öffentlich Colleges (27 023 Dollar) für Studenten aus anderen Bundesstaaten. Privat-Unis kosten 38 070 im Jahr. Hinzu kommen in allen Fällen die Kosten für Unterkunft und Lebenshaltung.