Deutsche Wirtschaft wächst wieder leicht
Die deutsche Wirtschaft zeigt sich trotz der Folgen des Ukraine-Krieges im Frühjahr relativ stabil. Die Kassenlage des Fiskus verbessert sich kräftig. Die Zukunftsaussichten haben sich allerdings eingetrübt.
WIESBADEN (dpa) Deutschland geht mit etwas Rückenwind in die drohenden harten Monate. Die Kassenlage des Fiskus verbesserte sich im ersten Halbjahr vor allem dank sprudelnder Steuereinnahmen deutlich. Zugleich wuchs Europas größte Volkswirtschaft überraschend auch im Frühjahr. „Trotz der schwierigen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen hat sich die deutsche Wirtschaft in den ersten beiden Quartalen 2022 behauptet“, sagte Georg Thiel, Präsident des Statistischen Bundesamtes, am Donnerstag.
In den kommenden Quartalen rechnen Volkswirte angesichts der Gaskrise infolge des Ukraine-Krie
ges, rekordverdächtiger Inflations
raten und anhaltender Lieferengpässe mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung. Schrumpft das Bruttoinlandsprodukt zwei Quartale in Folge, sprechen Ökonomen von einer so genannten technischen Rezession. Diese ist aber nicht vergleichbar mit einem Konjunktureinbruch im Gesamtjahr.
Im ersten Halbjahr gab der Fiskus nach vorläufigen Daten der Statistiker 13 Milliarden Euro mehr aus als er einnahm. Bezogen auf die gesamte Wirtschaftsleistung lag das Defizit von Bund, Ländern, Gemeinden und
Sozialversicherung bei nur noch 0,7 Prozent. Im ersten Halbjahr 2021 war ein Minus von 4,3 Prozent verzeichnet worden.
Sprudelnde Steuereinnahmen, die das Niveau vor der Corona-Krise im ersten Halbjahr 2019 den Angaben zufolge überstiegen, und sinkende Ausgaben für Corona-Wirtschaftshilfen sorgten für Entlastung. Auch der robuste Arbeitsmarkt mit weniger Kurzarbeit trug dazu bei.
Einen großen Anteil an den gestiegenen Steuereinnahmen hatten den Angaben zufolge die Unternehmenssteuern. In der Corona-Krise konnten besonders betroffene Firmen und Selbstständige Steuerzahlungen stunden lassen. Die Zahlungen wurden möglicherweise nun nachgeholt.
Im Haushalt des Bundes klaffte noch ein Loch von 42,8 Milliarden Euro (1. HJ 2021: 60,7 Mrd Euro). Länder, Gemeinden und Sozialversicherung wiesen hingegen Überschüsse aus. Der deutsche Fiskus hatte wegen milliardenschwerer Hilfen für die Wirtschaft in der Corona-Krise im ersten PandemieJahr 2020 erstmals seit 2011 wieder ein Haushaltsdefizit verbucht. Die EU-Staaten setzten in der Krise die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts aus, wonach das Haushaltsdefizit nicht über drei Prozent und die Gesamtverschuldung nicht über 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen darf. 2023 soll der Pakt wieder greifen.
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs im zweiten Quartal gegenüber dem Vorquartal unter anderem dank der Konsumlust der Verbraucher leicht um 0,1 Prozent. Nach dem Ende der Corona-Beschränkungen gaben die Menschen wieder mehr Geld aus, etwa für Restaurantbesuche und Freizeitaktivitäten. In einer ersten Schätzung waren die Statistiker von einer Stagnation der Wirtschaftsleistung im Frühjahr ausgegangen.
Nach Einschätzung von Ökonomen steht Deutschland nun vor harten Monaten. Der Konsum dürfte als Konjunkturmotor ausfallen, weil die hohe Inflation die Budgets der Verbraucher belastet. Die bisherigen Entlastungen reichten bei Weitem nicht, „um die Belastungen der kommenden Monate und erst recht nicht die absehbaren Belastungen durch steigende Gas- und Strompreise 2023 auszugleichen“, sagte Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung.
„Trotz der schwierigen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen hat sich die deutsche Wirtschaft in den ersten beiden Quartalen 2022 behauptet.“Georg Thiel Präsident des Statistischen Bundesamts