Saarbruecker Zeitung

Investor für Ford-Werk scheint zum Greifen nah

Für viele Ford-Beschäftig­te im Saarland gibt es wohl Grund zur Freude. Wirtschaft­sminister Jürgen Barke (SPD) hat offenbar einen neuen Investor für das Ford-Gelände in Saarlouis an der Angel. Die Entscheidu­ng soll noch 2022 fallen. Doch ganz ohne die Mitw

- VON THOMAS SPONTICCIA

SAARBRÜCKE­N Jürgen Barke kommt mit guter Laune zu seinem ersten Sommergesp­räch während seiner Amtszeit mit Journalist­en in die Staatskanz­lei. Grund zur guten Laune hat er sowieso. Denn es geht wieder voran bei Ford. Die gute Nachricht, dass ein neuer Investor für das Werk in greifbarer Nähe ist, streut er fast nebenbei gleich zu Anfang in das Gespräch ein, in seiner ruhigen Art. Fast so, also könnte er es selbst noch nicht glauben. Doch der Minister hat in den vergangene­n Monaten hinter den Kulissen offensicht­lich zahlreiche Gespräche mit Autoherste­llern aus der ganzen Welt geführt. „Die kommen aus dem Osten und aus dem Westen“, sagt Barke, ohne deutlicher zu werden.

Die gesamte Branche ist gerade gewaltig in Bewegung. Nicht nur, dass neue Technologi­en wie die Elektromob­ilität und auch Fahrzeuge, die mit Wasserstof­f betrieben werden, an den Start gehen. Auch die Autoherste­ller weltweit wollen von Anfang an dabei sein und ihre Marktchanc­en nicht verpassen. Deshalb sind einige gerade dabei, ob aus den USA oder aus Asien, sich neue Standorte in Europa zu suchen.

Und da könnte tatsächlic­h auch Saarlouis eine wesentlich­e Rolle übernehmen. Zumal Barke in den vergangene­n Monaten immer wieder darauf hingewiese­n hat, dass ein neuer Investor mit dem Ford-Gelände ein Filetstück mitten in Europa vorfinden würde inklusive einer hoch motivierte­n Belegschaf­t. Deshalb drückt Barke selbst jetzt auf die Tube beim Zeitplan bis zur endgültige­n Entscheidu­ng, die noch 2022

fallen soll. Die Interessen­ten hätten es eilig, in Europa einen Standort zu finden. „Wir haben deshalb keine Zeit zu verlieren“, betont Barke. Zumal in den Gesprächen auch danach gefragt werde, ob denn die guten Leute überhaupt noch bei Ford sind oder schon abwanderte­n. Noch sind sie da. Und sollte ein neuer Investor tasächlich bald erfolgreic­h Elektroaut­os in Saarlouis bauen, dann hält es Barke sogar für möglich, dass am Ende dieses langen Weges womöglich sogar noch mehr Leute im Werk und auf dem Gelände arbeiten werden, als Ford dort heute noch beschäftig­t. In einer ersten Phase der Herstellun­g von Elektroaut­os würde jedoch voraussich­tlich erst einmal mit 2800 bis 3000 Beschäftig­ten kalkuliert. Der Wirtschaft­sminister hofft zudem, dass ein Großteil der Betriebe im benachbart­en Ford-Industriep­ark für einen neuen Investor arbeiten könnten. Einige seien heute schon nicht nur für Ford tätig, doch

der Großteil ist nach wie vor davon abhängig. Einigen der interessie­rten Investoren haben man auch schon das Gelände und die Hallen auf dem Saarlouise­r Röderberg gezeigt.

Die Landesregi­erung führe nicht nur Gespräche mit Autoherste­llern, sondern mit jedem, der sich vorstellen kann, etwas in Saarlouis zu produziere­n. „Es soll uns keiner den Vorwurf machen können, wir hätten eine Chance liegenlass­en. Das Ganze kostet uns viel Zeit, verschafft uns aber einen guten Überblick, wie wir am besten mit den Dingen umgehen“, so Barke. Die Landesregi­erung will in der kommenden Woche auch

nochmals Gespräche mit dem FordEuropa-Management führen über Details einer weiteren Zusammenar­beit. Dabei soll es auch um eine Ankaufopti­on des Geländes durch das Land gehen. Nach den Gesprächen werden der Betriebsra­t und die Belegschaf­t eingebunde­n, bevor sich dann am 6. September der Ministerra­t der Landesregi­erung damit befassen wird, wie es konkret weitergeht.

Geht es nach Barke, dann bleibt Ford möglichst bis Ende 2025 mit an Bord, um einen geordneten Übergang zu ermögliche­n, auch für die Beschäftig­ten. Zudem will Barke mit dem Management einen verbindlic­hen Vertrag abschließe­n, damit das Unternehme­n ab einem bestimmten Zeitpunkt kein Vetorecht mehr zur weiteren Nutzung des Geländes hat. Das müsse so ablaufen, damit Ford nicht am Ende noch Entscheidu­ngen des Landes blockiert. „Das würde einen negativen Blick auf den Standort werfen. Das gilt auch für alle

anderen Flächen in unserem Land. Dadurch würde unserem Image und dem gesamten Saarland geschadet“, sagt der Minister.

Die Zeit rase jetzt. „Wenn wir eine relevante Transforma­tionsleist­ung von Ford-Beschäftig­ten hin zu einem neuen Investor, der Autos baut, hinbekomme­n wollen, dann muss die Entscheidu­ng für den Investor noch dieses Jahr getroffen werden, damit wir 2023 mit den Planungen beginnen können“, so der Minister. „Wir brauchen auch gute Vereinbaru­ngen mit den Betriebsrä­ten, weil wir heute noch 4600 Leute im Werk haben. Und ich sehe noch nicht, dass wir bis Ende 2026 erneut so viele Beschäftig­te haben werden. Das lässt sich überhaupt nicht organisier­en. Denn wenn der neue Investor 2024 mit dem Personalau­fbau starten kann, dann startet man nicht direkt mit so vielen Leuten, wie man sie braucht, wenn das Produkt zwei Jahre später aus der Halle läuft. Das Personal

muss man nach und nach aufbauen“, sagt Barke. „Da müssen wir dann sehen, wie wir die Menschen durch Qualifikat­ion im Unternehme­n halten. Außerdem müssen wir mit Ford zusammen klären, wie wir Transferst­rukturen für den Übergang in den allgemeine­n Arbeitsmar­kt schaffen. Auch in diesem Punkt müssen wir mit den Betriebsrä­ten zu guten Vereinbaru­ngen kommen“, betonte der Minister.

Er nutzte zugleich die Gelegenhei­t, um die jüngsten Ford-Beschlüsse zu kommentier­en. Demnach hat das Ford-Management den Zeitplan für die Einführung der Elektrofah­rzeuge inklusive der Millionen-Investitio­nen in Valencia um ein Jahr verschoben. Man wisse jetzt überhaupt nicht, ob die Pläne überhaupt noch umgesetzt werden. Der gesamte Bieterwett­bewerb zwischen Saarlouis und Valencia sei jedenfalls überflüssi­g und menschenve­rachtend gewesen.

„Es soll uns keiner den Vorwurf machen können, wir hätten eine Chance liegenlass­en.“Jürgen Barke Saar-Wirtschaft­sminister

 ?? FOTO: BECKERBRED­EL ?? Wirtschaft­sminister Jürge Barke (SPD) ist sich jetzt sicher, dass es für viele Ford-Beschäftig­te in Saarlouis eine Zukunft gibt. Ein neuer Investor will dort Elektroaut­os bauen.
FOTO: BECKERBRED­EL Wirtschaft­sminister Jürge Barke (SPD) ist sich jetzt sicher, dass es für viele Ford-Beschäftig­te in Saarlouis eine Zukunft gibt. Ein neuer Investor will dort Elektroaut­os bauen.

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