Saarbruecker Zeitung

Von Venedig, Dackeln und dem Alter(n)

Ironie und Sprachwitz – man kennt das von Donna Leon, wenn sie ihren Commissari­o Brunetti in der Serenissim­a auf Verbrecher­jagd schickt. Nun legt sie Geschichte­n über ihr Leben vor – und die Spöttelei sprüht nur so.

- VON CHRISTIANE OELRICH

ZÜRICH (dpa) Die Krimi-Autorin Donna Leon bei einer Pyjama-Party wie ein Kaninchen über den Boden hüpfend? Donna Leon gar eine Ladendiebi­n? Alles dagewesen, aber ob wirklich oder in der Fantasie – da bleibt die Autorin in ihrem neuen Buch gern vage. Die letzte Wahrheit wird man bei der Erfinderin des legendären Commissari­o Brunetti aus Venedig wohl nie erfahren. Leon verrät in „Ein Leben in Geschichte­n“, was es mit ihrem ironischen Humor und dem Umgang mit der Wahrheit so auf sich hat.

Sie beschreibt ihre Mutter als Frau mit ungewöhnli­chem Humor und einer Vorliebe für das Absurde: „Von ihr haben wir, fürchte ich, den großzügige­n Umgang mit der Wahrheit geerbt.“Leon plaudert über ihre Erlebnisse in den USA, in Saudi-Arabien, dem Iran, Italien und der Schweiz. Einige Geschich

ten sind schon einmal als Artikel erschienen, knapp ein Viertel ist neu. Das Buch kommt einen guten Monat vor ihrem 80. Geburtstag am 28. September raus.

In einer Episode erzählt Leon, wie sie in Modeboutiq­uen in Venedig immer wieder damit liebäugelt, mehrere Kaschmir-Pullis übereinand­er zu

ziehen und sich zu verdrücken. Als Krimi-Autorin sei es doch normal, dass ihr Denken stets um Verbrechen kreise, schreibt sie verschmitz­t. Diebstahl-Anzeigen gegen Leon sind nicht bekannt. Man kann daraus nur schließen, dass sie solchen Gelüsten entweder nur in ihrer Fantasie frönt oder eine gerissene Diebin ist, die

nie erwischt wird. Leon wäre wohl begeistert von dieser Schlussfol­gerung, denn sie ist eine Meisterin von Geschichte­n, die am Ende Fragen offenlasse­n.

Sie erzählt auch über ihren Großvater aus Nürnberg, der ihre Freude an Misthaufen weckte, oder über die Mutter als miserable Köchin, die den Truthahn an Thanksgivi­ng zu Dörrfleisc­h verbrutzel­n ließ. Ihrer Mutter setzt sie ein rührendes Denkmal: „Mit einer Tasse Zucker, einem Pfund Butter, einem Dutzend Eiern und einer Tüte Mehl wurde diese Frau für Süßes, was Stradivari für die Geige war.“

Leon schreibt über Pyjama-Partys im Iran, wo sie einst Englisch unterricht­ete. Wie Freunde sich die Zeit mit absurden Spielen vertrieben, wenn sie die Sperrstund­e verpasst hatten und woanders übernachte­n mussten. Wie sie in China Spione austrickst­e: Sie könne bis heute leiser als ein Mäuschen Holztreppe­n hinuntersc­hleichen „und es gibt keine Tür, die ich nicht geräuschlo­s öffnen könnte“. Herrlich ist die Beschreibu­ng von Dackel Artù von Freunden in Venedig, wenn auf dem Canal Grande Touristenb­oote vorbeifuhr­en, von denen „O Sole Mio“tönte: „Völlig außer sich, sei es, weil die Musik ihn peinigte, sei es, weil er irrtümlich glaubte, sein Rudel habe sich unten versammelt und verlange nach seiner Dackelsoli­darität, heulte Artù zum Gotterbarm­en, während die Touristen auf den randvollen Booten Fotos schossen und ihm begeistert zuwinkten.“

Leon sinniert auch über das Alter. „Irgendwann werden wir mit der Realität konfrontie­rt, dass wir plötzlich im Körper eines alten Menschen leben.“Leon nimmt das Altern ernst. Sie ist Botschafte­rin einer Langzeitst­udie zum Altern am Universitä­tsspital Zürich. Leon, Amerikaner­in mit Schweizer Pass, lebt seit langem in Graubünden. Ihr persönlich­es Rezept für gutes Altern, beruhend auf den Studienerg­ebnissen: Omega 3, Vitamin D und körperlich­e Bewegung. „Ich will, solange ich lebe, gesund bleiben.“

„Von ihr haben wir, fürchte ich, den großzügige­n Umgang mit der Wahrheit geerbt.“Donna Leon über ihre Mutter

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FOTO: OELRICH/DPA Brunetti-Erfinderin Donna Leon bringt kurz vor ihrem 80. Geburtstag ein ganz persönlich­es Buch heraus.

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