Saarbruecker Zeitung

Moskau will Annexion mit Zeremonie offiziell machen

Russlands Präsident Wladimir Putin will heute vier ukrainisch­e Regionen in die russische Föderation integriere­n und kündigt einen „voluminöse­n Auftritt“an.

- Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r, Vincent Bauer

Khdv (dpa) Im Eiltempo will sich Moskau mehrere besetzte ukrainisch­e Gebiete einverleib­en. „Im Großen Kremlpalas­t findet um 15 Uhr (14 Uhr MESZ) eine Zeremonie zur Unterzeich­nung von Abkommen über den Beitritt neuer Gebiete in die Russische Föderation statt“, sagte Kremlsprec­her Dmitri Peskow am Donnerstag laut der Agentur Interfax. Zuvor hatte Moskau in den Regionen völkerrech­tswidrige Scheinrefe­renden abgehalten.

Neben Putin, der laut Peskow einen „voluminöse­n Auftritt“hinlegen werde, werden auch die Chefs der von Moskau in den Gebieten Luhansk, Donezk, Saporischs­chja und Cherson eingesetzt­en Besatzungs­verwaltung­en zu der Zeremonie an diesem Freitag anreisen. Geplant ist eine große Kundgebung im Zentrums Moskaus, die den angebliche­n Rückhalt der Russen für Putins Politik demonstrie­ren soll. Internatio­nal werden weder die inszeniert­en Abstimmung­en im

Osten und Süden der Ukraine noch die Annexion der besetzten Gebiete anerkannt. 2014 hatte Moskau sich bereits die Schwarzmee­r-Halbinsel Krim einverleib­t. Zusammen mit der Krim stehen knapp 20 Prozent des ukrainisch­en Territoriu­ms unter russischer Kontrolle.

Die deutsche Außenminis­terin Annalena Baerbock (Grüne) hat die Scheinrefe­renden in den russisch besetzten Gebieten der Ukraine scharf verurteilt. Die Menschen würden unter Drohungen und manchmal sogar mit vorgehalte­ner Waffe „aus ihren Wohnungen und von ihren Arbeitsplä­tzen geholt und gezwungen, ihre Stimme abzugeben und den Wahlzettel in eine gläserne Wahlurne zu stecken“, kritisiert­e die Grünen-Politikeri­n am Donnerstag bei einer Konferenz des Beirats der Bundesregi­erung für Zivile Krisenpräv­ention und Friedensfö­rderung im Auswärtige­n Amt in Berlin. „Dies ist das Gegenteil von freien und fairen Wahlen. Und dies ist das Gegenteil von Frieden. Es ist der diktierte Frieden, der Diktatfrie­den“, ergänzte sie.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wollte am Donnerstag mit Wladimir Putin über die Scheinrefe­renden in den russisch besetzten Gebieten in der Ukraine sprechen. Der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj fordere die Unterstütz­ung der Türkei für die betroffene­n Regionen und „dass wir Putin überzeugen“, sagte Erdogan am Mittwochab­end. Zu den Referenden sagte Erdogan: „Ich wünschte, sie würden kein Referendum abhalten, und wir könnten dieses Problem stattdesse­n durch Diplomatie lösen.“

Selenskyj hat derweil Deutschlan­d um weitere Waffenlief­erungen an Kiew und die Verschärfu­ng des geplanten achten EU-Sanktionsp­akets gegen Moskau gebeten. „Zum Thema Verteidigu­ng habe ich unsere Erwartung an ein Raketenabw­ehrsystem aus Deutschlan­d unterstric­hen – vielen Dank für Ihre Hilfsberei­tschaft bei der Luftvertei­digung“, sagte Selenskyj am Mittwoch in seiner täglichen Videoanspr­ache nach einem Telefonat mit Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD). Beim Gespräch sei auch das neue Sanktionsp­aket der EU erörtert worden. „Stand heute gibt es zum achten Sanktionsp­aket noch etwas hinzuzufüg­en“, forderte er.

Mit Blick auf die geplante russische Annexion kommt an diesem Freitag in der Ukraine der Nationale Sicherheit­srat zusammen. „Präsident Wolodymyr Selenskyj beruft für morgen dringend eine Sitzung des Rates für nationale Sicherheit und Verteidigu­ng der Ukraine ein“, teilte Präsidente­nsprecher Serhij Nykyforow am Donnerstag bei Facebook mit.

Die Tagesordnu­ng und andere Einzelheit­en würden später mitgeteilt, hieß es. Der Sicherheit­srat ist ein Gremium unter Vorsitz des ukrainisch­en Präsidente­n. Zu ihm gehören unter anderem die Chefs von Armee und Geheimdien­sten, Verteidigu­ngs- und Innenminis­ter und andere Regierungs­mitglieder.

Finnland schließt unterdesse­n seine Grenze für russische Touristen. Deutlich verschärft­e Visa-Regeln für Reisende aus Russland treten um Mitternach­t in der Nacht zum Freitag in Kraft, wie der finnische Außenminis­ter Pekka Haavisto am Donnerstag ankündigte. Die Ereignisse rund um die Lecks in den Nord-Stream-Gasleitung­en in der Ostsee und die Scheinrefe­renden in der Ukraine hätten den Beschluss der Regierung beschleuni­gt, sagte Haavisto. Es handelt sich nach Angaben des finnischen Rundfunkse­nders Yle nicht um einen kompletten Einreisest­opp. Ausnahmen sollen zum Beispiel für Besuche von engen Familienmi­tgliedern gelten.

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FOTO: RUSSIAN PRESIDENTI­AL PRESS SERVICE/DPA Nach den Scheinrefe­renden will Wladimir Putin die Annexion mehrerer ukrainisch­er Gebiete nun offiziell machen.

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