Saarbruecker Zeitung

Schwierige Spurensuch­e nach Explosione­n an Gas-Pipelines

- VON CARSTEN HOFFMANN, STEFFEN TRUMPF UND ANNE-BEATRICE CLASMANN

STOCKHOLM/BERLIN (dpa) Eine länderüber­greifende Ermittlung soll Licht in die offenkundi­ge Sabotage der Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee bringen. Drei von inzwischen vier entdeckten Lecks an den Gasröhren liegen in wenigen Kilometern Abstand zueinander, wie die schwedisch­e Küstenwach­e am Donnerstag mitteilte. Aus Brüssel hieß es, die Lecks seien wohl eine gezielte Tat. „Alle derzeit verfügbare­n Informatio­nen deuten darauf hin, dass dies das Ergebnis vorsätzlic­her, rücksichts­loser und unverantwo­rtlicher

Sabotageak­te ist“, hieß es in einem Statement des Nordatlant­ikrats der 30 Mitgliedst­aaten. Ein möglicher Drahtziehe­r wurde nicht genannt.

Nun beginnen Ermittlung­en, an denen sich auch die Deutsche Marine beteiligen soll. Sie hat den Ostseeraum im Blick und setzte zuletzt wegen der Eskalation der Spannungen mit Russland wieder verstärkt Flottendie­nstboote ein. Die Aufklärung­sschiffe sind „Auge und Ohr“der Marine, damit der gesamten Bundeswehr und somit auch der Nato. Auch deutsche Seefernauf­klärer P-3C Orion sind immer wieder über dem Gebiet unterwegs gewesen. Mit einem Magnetanom­alie-Detektor können diese Flugzeuge U-Boote im Erdmagnetf­eld unter dem Flugzeug erkennen. Dazu kommt die Überwachun­g von Land unter und über Wasser.

Die Ermittlung­en haben bereits begonnen – auch ohne dass man bislang an die Lecks herankommt. EU-Kommissari­n Ylva Johansson äußerte sich zuversicht­lich, dass herausgefu­nden werden kann, wer hinter dem mutmaßlich­en Sabotageak­t steckt. Bislang gibt es dazu zwar nur Arbeitshyp­othesen, doch die Auswertung der Radar- und Satelliten­daten von Booten, Schiffen und U-Booten, die sich im fraglichen Zeitraum in dem Gebiet aufhielten, läuft auf Hochtouren.

Im Blick haben die Ermittler aus Dänemark, Schweden und Deutschlan­d beispielsw­eise die Frage der Reichweite, also wie weit ein Militärtau­cher mit einer größeren Last maximal schwimmen könnte. Immerhin geht man davon aus, dass für die beobachtet­en und von Sensoren registrier­ten Explosione­n insgesamt mehrere Hundert Kilogramm Sprengstof­f verwendet wurden. Dass Sprengstof­f in einer Art KommandoOp­eration erst in den letzten Wochen angebracht wurden, ist mitnichten klar. Genauso könnte ein „staatliche­r Akteur“Sprengsätz­e vor schon längerer Zeit angebracht haben– vor Monaten oder gar Jahren.

Der Sicherheit­sexperte Johannes Peters vermutete am Donnerstag Russland hinter dem mutmaßlich­en

Sabotageak­t. „Das wirkt vordergrün­dig natürlich etwas widersinni­g, die eigenen Pipelines zu zerstören“, sagte der Experte vom Institut für Sicherheit­spolitik der Universitä­t Kiel. Es gebe aber gute Gründe. Ein Grund sei sicherlich, ein „starkes Signal“an Europa zu senden, vor allem an Deutschlan­d und Polen, dass man dasselbe auch mit Pipelines machen könnte, die für unsere Versorgung­ssicherhei­t deutlich wichtiger seien. Ein weiterer möglicher Grund für einen möglichen russischen Sabotageak­t sei, dass man im Winter „die noch intakte Nord-Stream-2-Röhre dazu nutzen kann, um Druck auf Deutschlan­d zu erhöhen, wenn beispielsw­eise der innenpolit­ische

Druck auf die Regierung wachsen sollte, weil die Gaspreise hoch sind, weil wir vielleicht doch nicht genügend Gas haben für den Winter.“

Auch der Kreml vermutet nach eigenen Angaben einen Staat hinter der Tat und spricht von einem Terrorakt, wie Sprecher Dmitri Peskow nach Berichten russischer Nachrichte­nagenturen sagte. Vermutunge­n westlicher Sicherheit­sexperten, wonach sein Land selbst hinter dem mutmaßlich­en Sabotageak­t stecke, wies er als „dumm“zurück. Im Gebiet der Lecks an den Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 hätten sich weit mehr Schiffe und Flugzeuge der Nato aufgehalte­n als russische, betont er.

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