Am Eisernen Vorhang der Unzufriedenen
WWeProvleonn z euinrüecrk R neaisceh durch Deutschland kommt, sieht den Unterschied sofort. Dort viele verfallene Häuser, geflickte Straßen, wilde Stromleitungen.
Hier hingegen ist alles wie geleckt, neue Autobahnen und Bahnstrecken, renovierte Innenstädte und große Einkaufszentren in der Peripherie. 32 Jahre nach der Wiedervereinigung sind Helmut Kohls „blühende Landschaften“sichtbar. Polen holt auf, aber das Durchschnittseinkommen eines Singles liegt dort immer noch bei nur
10 000 Euro im Jahr, in Ostdeutschland hingegen bei 30 000 Euro.
Wer die dank EU offene Grenze von Ost nach West überquert, bemerkt aber noch etwas anderes: ein abruptes Sinken der Laune. Unfreundliche Bedienungen, Stinkefinger und Gehupe beim Überholen, Runenschrift auf T-Shirts. Hier und da Inschriften gegen den „Corona-Staat“oder „Asyl-Schmarotzer“, montags Demonstrationen mit „Freiheit“-Rufen und russischen Fahnen. In Polen hingegen sieht man überall Blau-Gelb, Solidarität mit der Ukraine. Es gibt dort auch mehr Kinder und überhaupt eine positivere Grundstimmung als vor allem in den Dörfern und Kleinstädten des deutschen Ostens. Eine Umfrage hat diesen subjektiven Eindruck kürzlich belegt:
Nur 31 Prozent der Ostdeutschen sind mit der politischen Situation zufrieden, nur 39 Prozent mit der Demokratie an sich. Die Stimmung in den neuen Ländern ist deutlich schlechter als die Lage.
Woran das liegt? Es gibt zahlreiche Erklärungen. Eine dürfte sein, dass die Polen viele Jahre für ihre Freiheit gekämpft haben, während sie den meisten Ostdeutschen
1989 praktisch vor die Füße fiel. Da vergisst man mitunter ihren Wert. Außerdem haben sich die Polen aus eigener Kraft aus der sozialistischen Rückständigkeit hocharbeiten müssen, während die Ostdeutschen die reiche Bundesrepublik hatten. Sie war ein großer Gönner, aber auch ein lähmender Vormund. Geld war und ist genug da im deutschen Osten – doch Zuversicht und Selbstvertrauen bringt es nicht automatisch. Bürgersinn und demokratische Werte auch nicht. Es bleibt die Hoffnung auf die nächste Generation.