Liz Truss kämpftp bereits ums politische Überleben
Erst seit Kurzem ist die britische Premierministerin im Amt. Wegen der Steuerpläne ihrer Regierung ist fraglich, wie lange sie es noch sein wird.
knmcnm Über dem Konterfei von Liz Truss steht: „Vermisst. Haben Sie diese Premierministerin gesehen?“. So titelte die britische Tageszeitung „The Independent“am Donnerstag und zeigte damit, was viele Menschen in Großbritannien in den vergangenen Tagen fassungslos machte. „Die Märkte sind in Aufruhr, die ,Bank of England‘ musste einschreiten, um eine Bankenkrise zu verhindern. Aber von Liz Truss fehlt noch immer jede Spur.“
Gestern äußerte sie sich dann doch gegenüber mehreren Radiostationen und gab in „vorformulierten Sätzen“, wie Hörer kritisierten, die immer gleichen Antworten: Nicht die Regierung sei schuld an der aktuellen Wirtschaftskrise, sondern die Weltlage und: „Wir ändern unseren Kurs nicht.“Viele Experten sind sich jedoch einig, dass die Premierministerin diese Entscheidung politisch nicht überleben wird.
Tatsächlich ist Großbritannien wegen des von der neuen Regierung angekündigten Mini-Budgets laut Experten nur knapp einem „Lehmann-Moment“entgangen, einer Krise also, die dem Zusammenbruch der Finanzmärkte im Jahr 2008 gleichkommt. Um den Markt zu stabilisieren, musste die Notenbank in einem außergewöhnlichen Schritt am Mittwoch einspringen. Sie kündigte den Kauf von Staatspapieren mit langer Laufzeit an – ohne Obergrenze. Dadurch sicherte sie deren Wert und rettete damit die Pensionskassen, die unter anderem durch den Werteverlust der Staatsanleihen die Auszahlung von Renten nicht mehr garantieren konnten.
Ausgangspunkt der Krise war der am vergangenen Freitag vorgestellte Plan von Finanzminister Kwasi Kwarteng, der Schätzungen zufolge bis zu 200 Milliarden Pfund (223 Milliarden Euro) kosten wird. Demnach soll die Einkommensteuer für Geringverdiener um einen Prozentpunkt und für Menschen mit hohen Einkommen um fünf Punkte gekürzt werden. Außerdem will er eine Erhöhung der Sozialversicherung und einen Anstieg der Körperschaftsteuer zurücknehmen. Finanziert werden soll das Ganze durch zusätzliche Schulden. „Sein Fehler war, dass er nicht erklärt hat, wie er diese Schulden finanzieren will“, erklärte Richard Murphy, Wirtschaftsexperte an der Sheffield University Management School. In der Folge ging die Angst um, dass der Leitzins in Zeiten der galoppierenden Inflation immer weiter steigen könnte.
Banken zogen Kreditangebote mit Zinsbindung zurück. Der PfundKurs rutschte auf ein Rekordtief im Vergleich zum US-Dollar ab.
Die oppositionelle Labour-Partei reagierte mit Spott auf diese Entwicklung: Die neue Regierung sei ein „Kabinett der Untalentierten“, sagte die Vize-Chefin Angela Rayner. Kritik an dem einschlagenden Kurs ist innerhalb der konservativen Partei vorhanden, wird aber selten öffentlich vorgebracht. Der ToryAbgeordnete Julian Smith jedenfalls machte seinem Entsetzen über den Kurs Luft: „Arghhhhhhhhhhh“, twitterte er.
Der Steuersenkungsplan, den Truss und Kwarteng so vehement verteidigen, beruht auf der These, dass ein möglichst freier Markt und ein geringer Eingriff des Staates zu mehr Wachstum führen. Murphy bezeichnete die Pläne als „ökonomischen Schwachsinn“. Die Reaktion der Märkte zeige, dass sie nicht an diese Ideologie glaubten. Schließlich seien die Folgen fatal. „Durch die Maßnahmen werden die Hypothekenzinsen von aktuell rund zwei auf bis zu sieben Prozent steigen“, prognostizierte er. Das bedeutete monatliche Mehrausgaben für Haushalte von bis zu 700 Pfund (780 Euro) pro Monat. „Aus meiner Sicht werden die Leute auf die Straße gehen. Das überlebt kein Premierminister. Ich denke, dass sie maximal noch bis Weihnachten im Amt bleibt.“