Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle ist gestiegen
Trotz aller Schutzmaßnahmen kommt es nach wie vor zu vielen Betriebsunfällen. Im Jahr 2021 starben dabei 468 Menschen. Das war der höchste Wert in den vergangenen zehn Jahren.
Menschen kamen bei einer Explosion im Chempark Leverkusen im vergangenen Jahr ums Leben, 31 weitere Arbeiter wurden verletzt. Es ist ein Unglück, das auch über die Grenzen der Stadt hinaus für Entsetzen sorgte. Die Zahl der Arbeitsunfälle mit tödlichen Folgen ist auch insgesamt gestiegen.
Insgesamt 468 Menschen kamen im Jahr 2021 bei der Arbeit im Betrieb ums Leben – so viele wie seit zehn Jahren nicht mehr. Wenn man die tödlichen Unfälle auf Dienstwegen hinzunimmt, sind sogar 510 Beschäftigte verunglückt. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Fraktion im Deutschen Bundestag hervor, die unserer Redaktion vorliegt.
„Es ist völlig inakzeptabel, dass sich Menschen bei ihrem täglichen Broterwerb verletzen oder gar zu Tode kommen“, sagte Susanne Ferschl, stellvertretende Vorsitzende der Linken-Fraktion. Die meisten betrieblichen Arbeitsunfälle mit Todesfolge ereigneten sich in Bayern: Insgesamt 103 Arbeitnehmer starben dort im vergangenen Jahr.
Besonders hoch war die Zahl bei den über 65-Jährigen: Mit 158 Beschäftigten kamen mehr als ein Drittel der gesamten Todesfälle aus dieser Altersgruppe.
Laut Stefan Hussy, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, ist Corona ein Grund dafür. Denn Infektion und Erkrankung könnten unter bestimmten Umständen als Arbeitsunfall gelten. 2021 verzeichneten Berufsgenossenschaften und Unfallkassen rund 9000 Arbeitsunfälle durch Ansteckungen bei der Arbeit. 91 Menschen starben an den Folgen der Erkrankung.
Abgesehen von einem Tiefstwert mit 361 tödlichen betrieblichen Unfällen im Jahr 2020 – aufgrund der veränderten Arbeitsbedingungen in der Pandemie – lag die Zahl schon in den Jahren zuvor zwischen 420 und 500 Toten, die Unfälle auf Dienstwegen eingeschlossen. „Dass die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle auf diesem Niveau stagniert, stellt auch uns nicht zufrieden. Jeder tödliche Arbeitsunfall ist einer zu viel“, so Hussy.
„In erster Linie stehen hier die Arbeitgeber in der Verantwortung, aber auch der Staat, der bei der Einhaltung seiner eigenen Gesetze einfach viel zu lasch vorgeht“, kritisiert Ferschl. Sie fordert deshalb mehr staatliche Kontrollen, härtere Sanktionen sowie mehr Mitbestimmung für Betriebs
räte beim betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz. „Eine für Arbeitgeber jährliche verpflichtende Arbeitsschutzerklärung wäre ein guter Anfang, um die Situation im Arbeitsschutz in Deutschland nachhaltig zu verbessern“, schlägt sie vor.
Auch Anja Piel, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DBG), befürwortet einen organisierten Arbeitsschutz in den Betrieben, der immer neu angepasst werde. Das sei allerdings nur mit engmaschigen
Kontrollen erreichbar. „Viele Arbeitgeber kommen ihrer Pflicht zur regelmäßigen Gefährdungsbeurteilung nicht nach – dabei ist die Grundlage jedes Arbeitsschutzkonzeptes“, sagt sie. Der DGB fordert deshalb bessere Personalausstattung in den Arbeitsschutzbehörden.
Auf die Frage der Linken-Fraktion, welche Maßnahmen die Bundesregierung für einen besseren Arbeitsschutz plant, verweist diese auf die Einführung einer Besichtigungsquote von mindestens fünf Prozent im Arbeitsschutzkontrollgesetz. Demnach sollen die Arbeitsschutzbehörden der Länder bis 2026 mehr Betriebe pro Jahr besichtigen, um den Arbeitsschutz vor Ort zu kontrollieren.
Um Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten vorzubeugen, entwickelten auch Berufsgenossenschaften und Unfallkassen Angebote, die auf jede Branche zugeschnitten seien, wie Hussy erklärt. „Herzstück von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit ist immer die Gefährdungsbeurteilung, die für jeden Betrieb verpflichtend ist“, ergänzt er. Darin werden Gefährdungen und Schutzmaßnahmen benannt.
Ein Erfolg zeigt sich bei einer geringeren Zahl an Arbeitsunfällen in Betrieben, die im Vergleich zum Jahr 2019 um 7,6 Prozent zurückgegangen sind. Im vergangenen Jahr sind rund 847 000 Fälle in Deutschland gemeldet worden. Mit rund 50 meldepflichtigen Arbeitsunfällen je 1000 Vollarbeiter war die Unfallwahrscheinlichkeit im Bereich Bauwirtschaft am höchsten, dicht gefolgt von der Verkehrswirtschaft mit rund 43 Fällen.
„Viele Arbeitgeber kommen ihrer Pflicht zur regelmäßigen Gefährdungsbeurteilung nicht nach.“Anja Piel Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds