Saarbruecker Zeitung

Kommunen planen kräftige Aufschläge

- VON LOTHAR WARSCHEID Manuel Görtz Timon Deckena

Ob es ums Ausstellen eines Familienst­ammbuchs geht oder ums Parken auf einem kommunalen Parkplatz: Viele Leistungen von Städten und Gemeinden werden ab Januar teurer. Eine EU-Richtlinie will es so – dann wird die volle Umsatzsteu­er fällig. Für Kommunen bedeutet das einen Riesenaufw­and.

SAARBRÜCKE­N/ST. INGBERT Auf die Bürger und Vereine kommen ab Januar 2023 zusätzlich­e Belastunge­n zu, wenn sie Leistungen ihrer Stadt oder Gemeinde in Anspruch nehmen. In Saarbrücke­n steht beispielsw­eise schon fest, dass die Feinstaubp­lakette künftig 6,50 Euro kostet statt bisher 5,50 Euro. Das Ausstellen eines Familienst­ammbuchs verteuert sich um zwei Euro auf 19 Euro. Auch andere saarländis­che Kommunen planen kräftige Aufschläge auf viele ihrer Leistungen.

Freiwillig machen sie das nicht.

Sie müssen nach einer siebenjähr­igen Übergangsf­rist die europäisch­e Mehrwertst­euer-Richtlinie umsetzen, die vorgibt, künftig auf eine Vielzahl von kommunalen Angeboten die volle Umsatzsteu­er von 19 Prozent draufzusch­lagen. Fällig ist diese Steuer auf alle Leistungen, die genauso gut von privaten Dienstleis­tern erbracht werden könnten. Die neue Regelung betrifft allerdings nicht nur die Kommunen, „Für alle juristisch­en Personen des öffentlich­en Rechts wird die Umsatzbest­euerung grundsätzl­ich neu geregelt“, sagt Stefan Spaniol, geschäftsf­ührendes Vorstandsm­itglied des saarländis­chen Städte- und Ge

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meindetags. Dazu zählen „der Bund, die Bundesländ­er, die Universitä­ten oder die Kirchen“.

Das Saar-Finanzmini­sterium geht noch weiter: Faktisch werden „alle Leistungen der öffentlich­en Hand umsatzsteu­erpflichti­g, die wettbewerb­srelevant sind; sprich auch von privaten Unternehme­rn erbracht werden können und auch dürfen“, so eine Sprecherin. Nicht unter die Umsatzsteu­er fallen Leistungen, die hoheitlich – beispielsw­eise auf der Grundlage eines Gesetzes – ge

tätigt werden „und diese hoheitlich­e Tätigkeit auch nicht zu größeren Wettbewerb­sverzerrun­gen führen kann“. Geregelt wird das Ganze in Paragraf 2b des Umsatzsteu­ergesetzes.

Die Kommunen müssen die Hauptlast dieser neuen Regelung stemmen. Allein die Landeshaup­tstadt Saarbrücke­n hat 900 Einnahmear­ten darauf untersucht, ob auf sie künftig Umsatzsteu­er fällig wird, sagt Sprecher Thomas Blug. „Allgemein gesagt wird der Verkauf

von Waren und Gegenständ­en, die Überlassun­g von Hallen und Sportplätz­en, die Anmietung von Bürgerhäus­ern und Festhallen sowie das Parken in bestimmten Bereichen“künftig mit Umsatzsteu­er belegt, erläutert er. Darunter fallen auch Eintrittsg­elder in Hallen, Bäder oder Museen, meint Spaniol. Keine Umsatzsteu­er muss auch in Zukunft auf Gebühren für Kindergärt­en, Eheschließ­ungen, Personalau­sweise oder Bauanträge entrichtet werden.

Alle saarländis­chen Städte arbeiten derzeit an rechtlich sauberen Lösungen. St. Ingbert hat beispielsw­eise die Beratungs- und Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t Pricewater­houseCoope­rs (PwC) beauftragt, um zu untersuche­n, welche Geschäftsb­ereiche betroffen sind. Auch in Ottweiler wurden „alle Leistungen bezüglich ihrer Umsatzsteu­errelevanz überprüft“, so ein Sprecher. „Zurzeit werden auf Fachamtseb­ene die entspreche­nden Umsetzunge­n erarbeitet, sodass im letzten Quartal die Informatio­nen in Stadtrat und Ausschüsse gegeben werden können.“Ähnlich ist die Lage in Merzig. Die Stadt stimmt sich derzeit mit Steuerbera­tern und dem Finanzamt ab, „um Rechtssich­erheit zu gewinnen und unkalkulie­rbare Haushaltsr­isiken zu vermeiden“, sagt Sprecher Stephan Fandel. In der Findungsph­ase befinden sich auch Dillingen, Lebach und St. Wendel.

Das Ganze ist schwierig, wie am Beispiel Friedhof deutlich wird. Die reinen Bestattung­sleistunge­n wie das „Ausheben und Verfüllen der Grabstelle, das Absenken des Sargs oder die Entsorgung von Kränzen und Blumen oder die Pflege und Instandhal­tung der Friedhofsa­nlagen“sowie die Gebühren für Urkunden sind wohl auch künftig von der Umsatzsteu­er befreit, meint Jürgen Kruthoff, Sprecher der Stadt Homburg. Dies gelte jedoch nicht für die Leistungen der städtische­n Friedhofsg­ärtnerei, wie die Grabpflege, das Aufstellen von Grabsteine­n oder das Setzen von Grabeinfas­sungen.

Komplizier­t wird es auch beim Parken. Wer sein Auto am Straßenran­d abstellt, muss auf die fällige Parkgebühr keine Mehrwertst­euer zahlen, auch wenn eine Parkuhr oder ein Automat dort steht. Wer allerdings einem kommunalen Parkplatz nutzt – wie beispielsw­eise den einer Behörde – muss in Zukunft 19 Prozent mehr berappen.

Die Zusammenar­beit zwischen den Kommunen wird durch die neue Umsatzsteu­er-Regelung nicht einfacher. Das Ziel der Landesregi­erung sowie der Städte und Gemeinden sei eigentlich, „die interkommu­nale Zusammenar­beit auszubauen, um kommunale Aufgaben effektiver und effiziente­r wahrnehmen zu können“, sagt Spaniol. „Mit dem neuen Umsatzsteu­errecht werden aber viele Leistungen, die eine Kommune für eine andere gegen Kostenersa­tz anbietet, umsatzsteu­erpflichti­g und dadurch deutlich teurer.“

Fällig ist diese Steuer auf alle Leistungen, die genauso gut von privaten Dienstleis­tern erbracht werden könnten.

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FOTO: PATRICK PLEUEL/DPA Einen Euro mehr verlangt die Stadt Saarbrücke­n bald für eine Feinstaubp­lakette – statt 5,50 Euro dann 6,50 Euro. Viele kommunale Leistungen werden jetzt teurer.

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