Bundeskunsthalle zeigt die Welt der Oper
Niemand kann sich ununterbrochen mit den Krisen der Welt befassen. Wer sich eine Pause wünscht, ist ab Freitag in der Bonner Bundeskunsthalle gut aufgehoben: Eine opulente Opern-Ausstellung lädt zum Schwelgen ein.
BONN (kna) Der Drache schaut, als wollte er spielen. Doch er scheint Donald Duck, ausgerüstet mit Helm und Schwert, nicht ganz geheuer zu sein: Dieses Titelbild des „Lustigen Taschenbuchs“greift einen Mythos auf. Ein alter Sagenstoff wurde als „Nibelungenlied“zum mittelalterlichen Heldenepos, Richard Wagner machte daraus einen Opernzyklus. In der neuen Ausstellung der Bundeskunsthalle in Bonn findet sich der Comicband deshalb wieder, weil es auch um den Nachhall einer emotionalen Kunstform geht: „Die Oper ist tot – es lebe die Oper“heißt es dort ab Freitag und bis zum 5. Februar 2023.
Die Schau spielt mit den Erwartungen. Neben den stilprägenden Gemälden, in denen Hans Makart die Nibelungensage aufgreift, zeigt sie auch eine Schneekugel, in der die Rheintöchter an Disney-Prinzessinnen erinnern und die zudem den Walkürenritt abspielt – das wohl bekannteste Stück aus den Wagner-Opern, das aber inhaltlich an eine ganz andere Stelle gehört. Es ist eine wuchtige, eindrucksvolle Ausstellung, in der es viel zu entdecken gibt. Und in der ein Audioguide „eigentlich ein Muss“ist, wie es am Empfang heißt.
Der Aufbau erinnert an ein Opernhaus: Das Publikum betritt die Schau durch einen Spiegelkorridor, ist also zunächst mit sich selbst konfrontiert. Und als
nächstes mit der Frage, warum
überhaupt eine Ausstellung über Opern? Über eine Kunstform also, die von der Aufführung lebt, vom Zusammenspiel aus Musik, Kostümen, Bühnenbild, Licht und darstellerischer Leistung in einem unwiederholbaren Moment. Die Macherinnen und Macher sind ein Wagnis eingegangen – und es ist ihnen gelungen, die vielen Rädchen, die für eine gelungene Aufführung ineinandergreifen müssen, ebenso zu präsentieren wie die zahlreichen Facetten, die die Oper im Lauf der Jahrhunderte geprägt und ausge
macht haben.
Das Ziel sei nicht, die Geschichte der Oper zu erzählen, sondern „einzelne Fäden aus einer komplexen Textur herauszuziehen“, erklärt Kurator Alexander Meier-Dörzenbach. Dabei knüpft man an das an, was viele Menschen kennen dürften: Im Foyer können sie Interviews zur Bedeutung der Oper hören, mit Vertreterinnen und Vertretern all jener Gewerke und Kunstformen, die daran beteiligt sind. Der Kenntnisreichtum und vor allem die Begeisterung, die sich darin zeigen,
sind bereits beeindruckend.
Doch das ist erst der Anfang. Bühnenbildmodelle, die in ihrer Fragilität und Detailtreue an Puppenhäuser erinnern, kitschige Fächer und prunkvolle Kronleuchter entwickeln einen regelrechten Sog. Das liegt vielleicht auch daran, dass absichtlich kein fester Rundgang vorgeschlagen wird, sondern jede und jeder Einzelne die Schau frei entdecken kann. Es gehe um eine Annäherung an das Gesamtkunstwerk Oper, betont Kuratorin Katharina Chrubasik.
So kommen Liebhaber auf ihre Kosten, wenn sie etwa den Kopfschmuck bewundern können, den Maria Callas als Turandot getragen hat, das Kleid, das seit der Premiere 1958 alljährlich in den „Tosca“-Inszenierungen der Wiener Staatsoper zu sehen ist, oder einen Spazierstock von Enrico Caruso. Zwischen diesen Stücken läuft man auf eine Bühne zu. Auf der riesigen Leinwand gehen realer und digitaler Vorhang ineinander über – und die Perspektive kehrt sich um: Zu sehen ist der Blick von den Bühnen berühmter Opernhäuser in die Ränge und Logen. Im „Backstage“-Bereich liegen Opernführer und Handbücher zum Weiterschmökern bereit.
Die erklingenden Werke von
Der Aufbau erinnert an ein Opernhaus: Das Publikum betritt die Schau durch einen Spiegelkorridor, ist also zunächst mit sich selbst konfrontiert.
Meistern wie Mozart, Verdi oder Puccini galten nicht immer als so monumental, wie es selbstverständlich scheint. Zugleich verändert sich diese Wahrnehmung stetig: Manche und mancher dürfte die Melodien aus der Werbung erkennen, die an einer Stelle der Ausstellung automatisch über den Audioguide ertönt, ganz ohne Knopfdruck.
Was früher das Opernglas gewesen sei, sei heute das Tablet, auf dem Erläuterungen in mehreren Sprachen abrufbar seien und das Glas Champagner per Klick bestellbar, sagt Meyer-Dörzenberg. Die Frage nach der Zukunft der Oper steht also ebenfalls im Raum. Und wer wollte, wenn er sich in diese Schau „hineingeworfen“hat, wie Intendantin Eva Kraus einlädt, an dieser Zukunft zweifeln?