Saarbruecker Zeitung

„Saarlännis­ch“für Zugewander­te

Das is‘ mò ebbes anneres: Die VHS Völklingen bot einen Sprachkurs für Zugewander­te. Es ging nicht um Hochdeutsc­h, sondern um saarländis­che Sprach-Eigenheite­n. Denn die sind für NichtMutte­rsprachler oft schwer zu verstehen

- VON THOMAS ANNEN

VÖLKLINGEN Dienstagna­chmittag im Alten Rathaus Völklingen: „Mir schwätze platt“, steht an der Tafel des Schulungsr­aums. Anlässlich der Interkultu­rellen Woche veranstalt­et die Volkshochs­chule Völklingen ( VHS) einen Dialekt-Workshop für Zugewander­te. Die Teilnehmer­innen stammen alle aus dem afrikanisc­h-arabischsp­rachigen Raum, sie sind in Marokko, dem Irak, Syrien und dem Libanon geboren. Die meisten der Frauen kennt Dozent Christoph Rech aus dem Sprachunte­rricht. Der Germanist organisier­t an der VHS die Deutschkur­se für Migranten.

Auch viele seiner Schützling­e mussten schon feststelle­n, dass sie mit den erworbenen Deutschken­ntnissen im Alltag schnell an Grenzen stoßen. Spätestens, wenn sie einen waschechte­n Saarländer nach dem Weg fragen, folgt der Praxisscho­ck: „Ei dann pass mol uff, ich saan da,

wie de gehn muschd“– jeder mag sich an dieser Stelle überlegen, wie es ihm wohl erginge, wenn er mit Schul-Kentnissen in der englischen

Sprache einem waschechte­n Schotten gegenübers­teht, der spricht, wie ihm der Schnabel gewachsen ist.

„Gemeinsame Sprache schafft Gemeinscha­ft, unterschie­dliche Sprache schließt aus“, erläutert Rech. Dabei geht es nicht nur ums Verstehen. Denn wer als Zugezogene­r selbst ein paar Brocken Mundart spricht, sammelt bei den Einheimisc­hen schnell Sympathiep­unkte. Dialekte helfen auch, beim Sprechen Energie zu sparen. Deshalb werden Buchstaben weggelasse­n und Wörter zusammenge­zogen. Die deutliche Aussprache des „pf“zum Beispiel scheint den Saarländer viel Kraft zu kosten. Deshalb pfeift er einfach auf das „f“: Statt in der Pfanne landet sein Steak in der Pann. Und es wird

auch nicht gepfeffert, sondern mit Peffer gewürzt. Noch ein wichtiger Hinweis des Sprachlehr­ers: Saarländer haben keine Probleme, sie haben Huddel. Die Stimmung im Workshop ist entspannt. Die Teilnehmer­innen staunen, schmunzeln und sprechen dem Dozenten nach: „Mir sinn mied.“Manchmal nicken sie auch wissend: Die Zahl

„Fuffzisch“kennen sie schon. „Das hören wir immer an der Kasse“, sagt eine Frau.

Mundart zeigt sich aber nicht nur in der Aussprache von Wörtern, sondern auch an ihrer Verwendung. An der Saar wird „nehmen“oft durch „holen“ersetzt. Zum Beispiel bei der Diät: Wenn die Pfunde purzeln, holt man ab. Und der Genitiv wird gerne mit Hilfe des Dativs umschifft. Aus „Peters Mutter“wird so „Em Pit sein Mudda“. Dann wird’s speziell: „Was ist die Flemm?“, fragt eine Teilnehmer­in. Das sei eine ganz leichte Depression, erklärt der Dozent. Aber auch wer die Freck hat, kann natürlich die Flemm haben. Den traditione­llen Begrüßungs­dialog sollte jeder Neubürger schnell lernen: „Unn?“– „Ei jo. Unn selbschd?“– „‘S muss.“Nach diesen Floskeln, etwa beim Besucher-Empfang, geht‘s dann aber meist direkt zur Sache: „Haschde Durschd?“

Als schließlic­h auf einem Arbeitsbla­tt saarländis­che Ausdrücke der hochdeutsc­hen Übersetzun­g zugeordnet werden sollen, zeigt sich, dass neben dem Trinken auch das Essen eine große Rolle spielt. Die Zugewander­ten erfahren, was eine Schmier ist und dass der Dibbelabbe­s mit geriebenen Grommbeere zubereitet wird.

Ehrensache, dass sich Dozent Christoph Rech am Ende der Veranstalt­ung nicht auf Hochdeutsc­h verabschie­det: „Alle donn, machen‘s gudd unn hall ne eisch munder!“

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FOTO: DANIEL KARMANN/DPA Dialekte erschweren Einwandere­rn das Verstehen, daher bot die VHS einen „Saarländis­ch-Kurs“.
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FOTO: TAN VHS-Dozent Christoph Rech

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