„Saarlännisch“für Zugewanderte
Das is‘ mò ebbes anneres: Die VHS Völklingen bot einen Sprachkurs für Zugewanderte. Es ging nicht um Hochdeutsch, sondern um saarländische Sprach-Eigenheiten. Denn die sind für NichtMuttersprachler oft schwer zu verstehen
VÖLKLINGEN Dienstagnachmittag im Alten Rathaus Völklingen: „Mir schwätze platt“, steht an der Tafel des Schulungsraums. Anlässlich der Interkulturellen Woche veranstaltet die Volkshochschule Völklingen ( VHS) einen Dialekt-Workshop für Zugewanderte. Die Teilnehmerinnen stammen alle aus dem afrikanisch-arabischsprachigen Raum, sie sind in Marokko, dem Irak, Syrien und dem Libanon geboren. Die meisten der Frauen kennt Dozent Christoph Rech aus dem Sprachunterricht. Der Germanist organisiert an der VHS die Deutschkurse für Migranten.
Auch viele seiner Schützlinge mussten schon feststellen, dass sie mit den erworbenen Deutschkenntnissen im Alltag schnell an Grenzen stoßen. Spätestens, wenn sie einen waschechten Saarländer nach dem Weg fragen, folgt der Praxisschock: „Ei dann pass mol uff, ich saan da,
wie de gehn muschd“– jeder mag sich an dieser Stelle überlegen, wie es ihm wohl erginge, wenn er mit Schul-Kentnissen in der englischen
Sprache einem waschechten Schotten gegenübersteht, der spricht, wie ihm der Schnabel gewachsen ist.
„Gemeinsame Sprache schafft Gemeinschaft, unterschiedliche Sprache schließt aus“, erläutert Rech. Dabei geht es nicht nur ums Verstehen. Denn wer als Zugezogener selbst ein paar Brocken Mundart spricht, sammelt bei den Einheimischen schnell Sympathiepunkte. Dialekte helfen auch, beim Sprechen Energie zu sparen. Deshalb werden Buchstaben weggelassen und Wörter zusammengezogen. Die deutliche Aussprache des „pf“zum Beispiel scheint den Saarländer viel Kraft zu kosten. Deshalb pfeift er einfach auf das „f“: Statt in der Pfanne landet sein Steak in der Pann. Und es wird
auch nicht gepfeffert, sondern mit Peffer gewürzt. Noch ein wichtiger Hinweis des Sprachlehrers: Saarländer haben keine Probleme, sie haben Huddel. Die Stimmung im Workshop ist entspannt. Die Teilnehmerinnen staunen, schmunzeln und sprechen dem Dozenten nach: „Mir sinn mied.“Manchmal nicken sie auch wissend: Die Zahl
„Fuffzisch“kennen sie schon. „Das hören wir immer an der Kasse“, sagt eine Frau.
Mundart zeigt sich aber nicht nur in der Aussprache von Wörtern, sondern auch an ihrer Verwendung. An der Saar wird „nehmen“oft durch „holen“ersetzt. Zum Beispiel bei der Diät: Wenn die Pfunde purzeln, holt man ab. Und der Genitiv wird gerne mit Hilfe des Dativs umschifft. Aus „Peters Mutter“wird so „Em Pit sein Mudda“. Dann wird’s speziell: „Was ist die Flemm?“, fragt eine Teilnehmerin. Das sei eine ganz leichte Depression, erklärt der Dozent. Aber auch wer die Freck hat, kann natürlich die Flemm haben. Den traditionellen Begrüßungsdialog sollte jeder Neubürger schnell lernen: „Unn?“– „Ei jo. Unn selbschd?“– „‘S muss.“Nach diesen Floskeln, etwa beim Besucher-Empfang, geht‘s dann aber meist direkt zur Sache: „Haschde Durschd?“
Als schließlich auf einem Arbeitsblatt saarländische Ausdrücke der hochdeutschen Übersetzung zugeordnet werden sollen, zeigt sich, dass neben dem Trinken auch das Essen eine große Rolle spielt. Die Zugewanderten erfahren, was eine Schmier ist und dass der Dibbelabbes mit geriebenen Grommbeere zubereitet wird.
Ehrensache, dass sich Dozent Christoph Rech am Ende der Veranstaltung nicht auf Hochdeutsch verabschiedet: „Alle donn, machen‘s gudd unn hall ne eisch munder!“