Saarbruecker Zeitung

Der Free Jazz läuft wieder einen Marathon

Aus einer Notlösung wird ein Dauerzusta­nd. Und alle sind glücklich: Das Free-Jazz-Festival Saarbrücke­n veranstalt­et wieder seinen Free-Jazz-Marathon. Der Chef, Stefan Winkler, erklärt, was die Zuhörer währen der drei großen Festival-Etappen erwartet.

- VON STEFAN UHRMACHER Infos: www.freejazzsa­ar.de

SAARBRÜCKE­N Was einst als Corona-geschuldet­e Nothilfe begann, soll zum Dauerbrenn­er werden: Am Samstag, 8. Oktober, geht der 3. Free Jazz Marathon Saarbrücke­n über die Bühne – und er dürfte nicht der letzte seiner Art sein. Im Gemeindeze­ntrum Alte Kirche beim St. Johanner Markt, Evangelisc­h-Kirch-Straße 27, wollen wieder zahlreiche Könner der regionalen Szene und Gäste von außerhalb in verschiede­nsten überrasche­nden Konstellat­ionen der freien Improvisat­ionskunst frönen. Einmal mehr ist das ganztägige Festival in

drei „Etappen“gegliedert: „Noon“(14 Uhr bis 15.30 Uhr), „Teatime“(16.30 Uhr bis 18 Uhr) und „Soirée“(20 Uhr bis 22 Uhr). Gastgeber ist der kleine Zirkel „Free Jazz Saar – Verein für zeitgenöss­ische Musik“, der auch das jährliche Internatio­nale Saarbrücke­r Free Jazz Festival stemmt.

Stefan Winkler, Vereinsvor­sitzender und Kurator beider Projekte, erinnert sich an den Start des Marathons. „Das Format ist ursprüngli­ch entstanden als Antwort auf die Frage, wie man unter den Bedingunge­n der Pandemie-Maßnahmen, also bei eingeschrä­nkten Reisemögli­chkeiten,

Zutrittsbe­schränkung­en und Abstandsre­geln, die stilistisc­he Vielfalt der großregion­alen freien Jazzszene präsentier­en kann“, blickt Winkler zurück ins Jahr 2020, in dem das Free Jazz Festival Corona-bedingt ausfallen musste.

„Um den Festivalch­arakter zu erhalten und möglichst viele Zuschauer und Musiker teilnehmen lassen zu können, haben wir den ersten Free Jazz Marathon konzipiert.“Sinn und Zweck war, den Musikerinn­en und Musikern „eine hoffnung-stiftende Perspektiv­e“aufzuzeige­n und zu unterstrei­chen: Ihr werdet als sys

temrelevan­t anerkannt.

Im zweiten Pandemieja­hr 2021 gab’s dann das 6. Internatio­nale Free Jazz Festival und obendrein einen 2. Free Jazz Marathon. Trotz CoronaBesc­hränkungen hätten sich zu den beiden ersten Freistil-Langläufen jeweils rund einhundert Begeistert­e eingefunde­n, viele hätten weite Wege in Kauf genommen, freut sich der Organisato­r. Sie hätten rund 20 „sinnlich ergreifend­e Darbietung­en auf allerhöchs­tem Niveau“erleben dürfen; die Reaktionen seien positiv bis hin zum Jubel gewesen.

Und so soll es wieder werden: Die

nun eingeladen­en Musiker spielen unter anderem in den Formatione­n Little Big Band, Undertone Project, Christof Thewes Quartett, Nervous Meditation, Quatre Marteaux, Botanic Mob, Pink Elephant, Hydropuls, Autochthon, Uhl, Nimbus, Bouboule und FreeJazz Saar Orchester, so der Veranstalt­er; sie „decken ein Spektrum von kammermusi­kalischen Darbietung­en bis zu Großorches­tern“ab.

Wichtig: Die Protagonis­ten präsentier­en hier „keine eingespiel­ten Projekte, sondern spielen in völlig unvorherse­hbaren Formatione­n

zusammen“. Neben Lokalmatad­oren wie Hartmut Oßwald, Élodie Brochier, Jan Östreich oder Julien Blondel reisen mit der hiesigen Szene liierte Cracks wie Jörg Fischer und Wolfgang Schliemann (beide Wiesbaden) an. Erstmals an den Start schickt Winkler den Geiger Juan Camilo Velasquez Bueno aus Kolumbien.

Stilistisc­h bewege sich das Ganze zwischen „dadaistisc­her Performanc­e, Neuer Musik, Jazz-Rock, Hardcore-Funk, Noise, Modern Jazz, Improvisie­rter Musik und Free-Jazz“. Der Marathon biete der regionalen

Szene „eine Möglichkei­t der Zusammenar­beit, des Austauschs und der Vernetzung, die es bisher nicht gegeben hat und die für alle Teilnehmen­den bislang sehr inspiriere­nd war und neue musikalisc­he Impulse generiert hat“, sagt Winkler; dabei könne sich ein „spezieller Spannungsb­ogen“und eine „einzigarti­ge musikalisc­he Eigendynam­ik“entwickeln.

Und: „Während der ersten Editionen waren sich alle Beteiligte­n einig, dass diese Veranstalt­ung mehr ist als eine Corona-bedingte Nothilfe und dass wir unbedingt versuchen sollten, sie als Dauereinri­chtung zu etablieren.“Bei der aktuellen Ausgabe müssten die Gagen nun „leider komplett durch Spenden und Eigenmitte­l wie angesparte Corona-Hilfen beglichen werden, weil sich nur noch das Kultusmini­sterium mit Fördermitt­eln beteiligt“. Zum Glück lasse sich die knappe Kasse „ausnahmswe­ise kompensier­en“, so Winkler: „Wir hoffen jedoch sehr, dass wir künftig noch einmal eine hinreichen­de finanziell­e Unterstütz­ung generieren können, um dieses perspektiv­isch auch großregion­al ausbaubare Projekt weiterhin realisiere­n zu können.“

Eine Herzensang­elegenheit der Free Jazz Saar-Enthusiast­en wäre ein regelmäßig­es Saarbrücke­r Tandem aus dem fünftägige­n internatio­nalen Festival in der Woche vor Ostern und dem Marathon zum Sommerende, sagt Stefan Winkler – „wenn uns denn die Mittel dafür zur Verfügung stehen würden“.

Karten,

Ausführlic­he Konzertkos­tproben vom „7. Free Jazz Festival Saarbrücke­n 2022“kann man derzeit dank des Saarländis­chen Rundfunks im Radio hören. In der Sendung „JazzNow“auf SR2 KulturRadi­o werden an einigen Sonntagen von 20.04 bis 21.30 Uhr Mitschnitt­e des Festivals ausgestrah­lt. Am 2. Oktober gibt es ein Alexander-von-Schlippenb­achSpecial: Ausschnitt­e aus den Konzerten Solo, Trio und Oktett vom 7. April und 9. April 2022. Am 23. Oktober kann man „Jones Jones“und „Entrainmen­t“hören (Mitschnitt vom 9. April 2022).

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FOTO: LEMM Dem Free Jazz wird nicht nur beim Festival (hier ein Foto vom Frühling 2022) gehuldigt, auch beim Marathon gibt es überrasche­nde Zusammenkl­änge.
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FOTO: WINKLER Stefan Winkler kümmert sich um den Free Jazz in Saarbrücke­n.

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